Noch gibt es keinen Wintereinbruch, aber die Kommunen bereiten sich auf Hilfe für obdachlose Menschen vor. Aber wollen sich alle Menschen helfen lassen?
Noch gab es in Hessen keinen anhaltenden Frost oder eine Kältewelle. Dennoch wappnen sich Kommunen bereits, um in der Not den ärmsten Menschen zu helfen – Obdachlosen. Notunterkünfte, warme Kleidung, Essensausgabe oder medizinische Grundversorgung: Hilfsangebote werden für Menschen, die auf der Straße leben auch auf den Winter ausgerichtet. Nach einer Schätzung der Diakonie sind das landesweit mehr als 2.000 Menschen. Kommunen zufolge wollen aber nicht alle die Hilfsangebote annehmen.
Not-Übernachtungseinrichtung und Kältebus
Die Stadt Frankfurt zum Beispiel erweitert die Hilfe für Obdachlose. Die Sozialarbeit in der Not-Übernachtungseinrichtung an der U-Bahn-Haltestelle Eschenheimer Tor in der Nähe der Hauptwache werde ausgebaut, sagte Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne). Im Innenbereich der Unterkunft können 70 Menschen schlafen. Für sie liegen Isomatten und Decken bereit, auch Toiletten und Waschbecken sind vorhanden. Im Winter kommen zusätzliche 140 Plätze in der B-Ebene der Haltestelle hinzu. Auch ein provisorisches Café wird aufgebaut, künftig an bis zu sieben Tagen statt wie bisher an drei.
Die Unterkunft sei seit der Pandemie ganzjährig geöffnet, sagte Voitl. Denn die Nachfrage sei da. Obdachlose Menschen könnten dort ohne Registrierung und Ausweis schlafen, wenn sie einen Hund haben, könnten sie diesen mitbringen. Ein solches niedrigschwelliges Angebot sei wichtig für Menschen, die nicht in feste Unterkünfte kommen könnten oder wollten.
Insgesamt gibt es nach Angaben der Stadt rund 250 obdachlose Menschen in Frankfurt. In weiteren Unterkünften stehen demnach mehr als 410 Plätze zur Verfügung. „In Frankfurt muss niemand auf der Straße schlafen. Wir können für jeden sorgen, der das Angebot annehmen möchte“, sagte Voitl. Auch ein Kältebus ist nachts unterwegs, um Menschen mit Decken, Snacks oder heißem Tee zu versorgen.
Angebote gegen Erfrierungen
Auch andere Kommunen organisieren oder halten vor einem möglichen Wintereinbruch Hilfsangebote für obdachlose Menschen vor. „Die Stadt Kassel organisiert in Kooperation mit den örtlichen Akteurinnen und Akteuren der Wohnungslosenhilfe möglichst passgenaue Angebote zum Erfrierungsschutz in den Wintermonaten“, teilte die Stadt in Nordhessen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Neben anderen Übernachtungsangeboten würde die Stadt in dieser Wintersaison in Notunterkünften Plätze für Männer und Frauen vorhalten. „In den Wintermonaten besteht jeweils in direkter Abhängigkeit der Außentemperaturen ein dynamischer Bedarf an zusätzlichen Unterbringungskapazitäten im Rahmen des Erfrierungsschutzes.“ Neben diesen Angeboten würden bei Bedarf weitere Kapazitäten akquiriert.
Nicht jeder will in eine Unterkunft
Die Angebote werden der Stadt Kassel, die die Zahl der Obdachlosen bei sich auf 150 Menschen schätzt, den Angaben zufolge gut angenommen. „Dennoch gibt es weiterhin Menschen, die die bestehenden Unterstützungsangebote aus individueller Überzeugung nicht annehmen.“ Ein Problem, das man auch in Hanau kennt. „Die Übernachtungsangebote werden in der Regel gut angenommen, auch wenn leider nicht jeder Obdachlose das Angebot annehmen will.“ Hanau schätzt die Zahl der Obdachlosen in seinem Stadtgebiet auf rund 35 Menschen. Rund 380 Männer, Frauen und Kinder würden derzeit dauerhaft in den städtischen Obdachlosenunterkünften versorgt.
In Hanau wird es in diesem Winter wieder eine Notfallschlafstelle geben. „Zusammen mit unserer Obdachlosenbehörde wurde das Angebot die vergangenen Jahre so ausgeweitet, dass auch in der vergangenen Saison alle nachfragenden Personen im Winter mit einem Schlafplatz versorgt werden konnten“, heißt es bei der Stadt.
Auch Offenbach und Fulda berichten, dass ihre Angebote gut genutzt werden. „Die Kapazitäten des städtischen Übernachtungsheims waren in den vergangenen Jahren immer ausreichend“, hieß es aus Fulda. Sollte es dort tatsächlich mal eine Vollauslastung geben, könne ergänzend auf freie Kapazitäten zugegriffen werden. Und sollten keine städtischen Liegenschaften mehr zur Verfügung stehen, komme es zur Anmietung oder notfalls auch Beschlagnahmung leerstehenden Wohnraums. Dies sei in den vergangenen Jahren aber nicht nötig gewesen.
In Offenbach gab es seit 2020/2021 in Kooperation verschiedener Träger von Anfang Dezember bis Ende März Räume für eine Winternotübernachtung. „Für die kommende Saison ist die Umsetzung dieses Angebots aufgrund von Umbaumaßnahmen kurzfristig nicht möglich.“ Das Ordnungsamt suche in Absprache mit anderen Trägern nach Alternativen, um das Angebot auch 2024/2025 realisieren zu können.
Streetworker informieren über Hilfsangebote
„Die Erfahrungen aus den letzten Jahren haben gezeigt, dass die Plätze im Übernachtungsheim immer ausreichend beziehungsweise selbst bei kältesten Witterungsbedingungen nie vollständig belegt waren“, heißt es auch in Marburg. Auch derzeit seien noch Plätze frei. Die Stadt leiste auch finanzielle Unterstützung an Träger und Vereine mit Hilfsangeboten, wie zum Beispiel Streetworking mit Informationen über bestehende Hilfsmöglichkeiten.
Keine statistische Erfassung von Obdachlosigkeit
Genaue Zahlen, wie viele Menschen in Hessen auf der Straße leben, gibt es nicht. Das Sozialministerium hat nach eigenen Angaben jedoch eine Studie in Auftrag gegeben, die auch dieses Thema mit untersucht.
Das Problem der Wohnungslosigkeit ist weitaus größer als die Obdachlosigkeit alleine. Nach Angaben der Diakonie wurden in Hessen 25.785 Menschen in diesem Jahr in den kommunalen Unterkünften und Einrichtungen zur Übernachtung gezählt. „In den meisten Fällen sind Mietschulden gepaart mit einer wirtschaftlichen Notlage Ursachen für die Wohnungslosigkeit. Oft führen kritische Lebensereignisse wie Trennung, Arbeitslosigkeit, Tod des Partners beziehungsweise der Partnerin, Sucht oder Krankheit zu einem Wohnungsverlust“, heißt es bei der Diakonie auf der Homepage. Nicht alle Menschen ohne Wohnung sind also auch gleich obdachlos.