Der deutsche Industrieversicherer Allianz Commercial darf nicht mit sanktionierten Unternehmen zusammenarbeiten. Doch welche sanktioniert sind, ist in der Schifffahrt nicht immer gleich ersichtlich.
Die angewachsene „Schattenflotte“ aus Rohöl-Tankern beeinträchtigt den deutschen Industrieversicherer Allianz Commercial. „Wir haben mehr Arbeitsaufwand, mehr Kosten“, sagte Justus Heinrich, der in Zentraleuropa zwei Bereiche des maritimen Geschäfts der Allianz-Tochter leitet. Laut der UN-Schifffahrtsorganisation IMO gehören Schiffe einer „Schattenflotte“ an, die eingesetzt werden, um Sanktionen zu umgehen. Üblicherweise handelt es sich um Sanktionen des Westens.
Heinrich sagte der Deutschen Presse-Agentur, Arbeit und Kosten nähmen zu, weil der Versicherer sicherstellen müsse, dass nicht mit Unternehmen zusammengearbeitet werde, die auf Sanktionslisten stünden. Wichtig seien beispielsweise die Vorgaben der US-Behörde Ofac, die die von den Vereinigten Staaten beschlossenen Sanktionen vollstreckt.
Nicht immer sei direkt ersichtlich, ob ein Schiff der „Schattenflotte“ angehöre. Mit Russland werde weiter legaler Handel betrieben, sagte Heinrich. Nicht jedes Schiff, das einen russischen Hafen anlaufe, stehe automatisch auf einer Sanktionsliste.
Verschleierte Herkunft
Allianz Commercial mit Sitz in Unterföhring bei München hatte im Mai den jährlichen Bericht zu Schifffahrtsrisiken vorgestellt. Darin ist beschrieben, dass Tanker der „Schattenflotte“ das Trackingsystem (AIS) abschalten, mit dem Schiffe überwacht werden. Das ist eine von mehreren Praktiken, wie Betreiber versuchen, die Herkunft von Schiffen zu verschleiern. Ziel ist es, den Eindruck zu erwecken, dass Schiffe nicht gegen Sanktionen verstoßen.
Um herauszufinden, welche Tanker der „Schattenflotte“ angehören, arbeite Allianz Commercial mit Drittfirmen zusammen, berichtete Heinrich. Diese setzten beispielsweise Satelliten und Künstliche Intelligenz ein, um den echten Kurs von Tankern zu bestimmen. Auch Geheimdienste griffen auf die Verfahren zurück.
Risikoreich für Versicherer sei der Fall, sollte ein westlich versichertes Schiff mit einem Tanker der „Schattenflotte“ zusammenstoßen. „Auch wenn das Schiff der „Schattenflotte“ schuld an der Kollision ist, können wir es nicht in Regress nehmen“, sagte Heinrich. Denn die Tanker seien meist unzureichend versichert. Das habe zur Folge, dass die Versicherung und der Eigner die Kosten alleine tragen müssten. Allianz Commercial macht keine Angaben dazu, ob ein solcher Fall bereits eingetreten ist.
Schifffahrt als Spiegelbild
Beobachter warnen seit Jahren vor der sogenannten Schattenflotte. Wie viele Schiffe sie genau umfasst, ist unklar. Allianz Commercial berichtet in der Untersuchung von Mai mit Verweis auf andere Quellen von geschätzt etwa 600 bis 1400 Schiffen. Russland, Iran und Venezuela betrieben diese unter anderem. Nach einer im September veröffentlichen Recherche der Umweltschutzorganisation Greenpeace haben Fahrten russischer Tanker vor der deutschen Ostseeküste seit 2021 beträchtlich zugenommen.
„Schifffahrt ist ein Spiegelbild der Weltwirtschaft“, sagte Heinrich. „Wenn sich die Welt in Lager aufteilt, geschieht das auch in der Schifffahrt.“