An ein und demselben Tag veranstalten der Kanzler und die FDP Wirtschaftstreffen. Die Wirtschaft selbst hat eine klare Erwartung an die Ampel – im Gegensatz zu Unionsfraktionschef Merz.
Die deutsche Wirtschaft hat ihre Erwartungen an die für Dienstag geplanten Wirtschaftstreffen der Ampel-Koalitionäre formuliert. Sie verlangt von der Bundesregierung eine Senkung der Energiekosten für alle Unternehmen und nicht nur für die Industrie. „Eine zentrale Aufgabe für die Politik besteht darin, für die Breite der Unternehmen eine dauerhaft stabile wie wettbewerbsfähige Energieversorgung zu sichern“, sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, der „Rheinischen Post“.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz glaubt aber nicht an konkrete Ergebnisse bei den Veranstaltungen. „Da wird nichts bei herauskommen außer Schaulaufen der SPD, der FDP, der Grünen, die dann noch mal 100 Milliarden vorschlagen, zusätzliche Schulden zu machen“, sagte der CDU-Vorsitzende in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.
Jeder Koalitionär mit einem eigenen Wirtschafts-Vorstoß
Aktuell streitet die Koalition über die Wirtschaftspolitik. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat für Dienstag zu einem Industriegipfel im Kanzleramt eingeladen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bleiben außen vor. Die FDP-Fraktion – mit Lindner als Gast – will sich am selben Tag ihrerseits mit Wirtschaftsvertretern treffen. Habeck wiederum schlug nach Scholz‘ Ankündigung einen schuldenfinanzierten „Deutschlandfonds“ vor, mit dem Investitionen gefördert werden sollen.
Merz bezeichnete es in der ARD als „Kindergartenspiele“, dass die Koalitionäre ihre wirtschaftspolitischen Vorstöße vor Verkündung nicht untereinander abgestimmt hatten. „Dass der Bundeskanzler in einer Regierungserklärung einen solchen Industriegipfel ankündigt, ohne vorher den Wirtschaftsminister und den Finanzminister einbezogen zu haben in die Vorbereitung eines solchen Gipfels, ist für sich genommen ein Vorgang, der bezeichnend ist für den Zustand der Bundesregierung“, sagte der Unionskanzlerkandidat.
Merz sieht Ampel-Regierung am Ende
Die Regierung sei faktisch nicht mehr handlungsfähig, sagte Merz. „Sie ist am Ende, und das werden wir in den nächsten Tagen auch noch mal durch diese Gipfel und wie sie alle heißen eindrucksvoll bestätigt bekommen. Da geht leider nichts mehr.“
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder attestierte Kanzler Scholz Hilflosigkeit. „Der Kanzler wirkt sehr hilflos, durchsetzungsschwach und wird durch das illoyale Verhalten der Koalitionspartner regelrecht vorgeführt“, sagte der Politik-Professor von der Universität Kassel, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Scholz delegitimiert sich dadurch auch für jeden Wahlkampf. Wie will man Durchsetzungsstärke demonstrieren, wenn man sich im Stundentakt von den eigenen Koalitionspartnern vorführen lässt?“ SPD, Grüne und FDP seien als Fortschrittskoalition gestartet, sagte Schroeder weiter. „Man wollte es besser machen als die erstarrte große Koalition zuvor. Das, was wir jetzt erleben, ist jedoch ein Zustand kompletter Zerrüttung, Kommunikationsunfähigkeit und eines Vorgehens, bei dem jeder nur noch schaut, wie er für sich selbst am besten aus dieser Konstellation herauskommen kann.“
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) zeigte sich in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ verärgert über das Gebaren der Ampel-Koalitionäre. „In einer Koalition geht es nicht darum, dass man Parteiprogramme für den eigenen Nutzen nebeneinanderlegt, sondern es geht vor allem darum, dass man Ideen übereinanderlegt und daraus Politik entstehen lässt.“ Es gehe um Arbeitsplätze und um Menschen, die Hoffnungen, aber eben auch Sorgen hätten. „Und da muss eine Antwort darauf gegeben werden. Ich hoffe, dass man sich jetzt zusammenrauft. Ich erwarte es ehrlich gesagt auch.“
Entlastung bei Energiepreisen als eine große Forderung
So brauche es jetzt Signale für wettbewerbsfähige Energiepreise, sagte Rehlinger weiter. „Wir brauchen einen Hochlauf der Elektromobilität. Wir müssen schneller größer werden, und es müssen Investitionen getätigt werden in Deutschland.“
DIHK-Präsident Adrian nannte als ersten wichtigen Schritt zur Entlastung bei Energiepreisen „die von uns vorgeschlagene Übernahme der Netzentgelte durch den Klima- und Transformationsfonds“. Nötig seien aber weitere Schritte, um das konkrete Angebot an Energie für die Zukunft zu verbessern. „Niedrigere Preise für wenige Großbetriebe und bürokratische Förderprogramme allein sind dafür kein ausreichendes Konzept.“ Neben dem Thema Energie brennt der Wirtschaft das Thema Bürokratieabbau auf den Nägeln. „Es muss konkret in den Betrieben ankommen, dass es wirklich einfacher wird im Alltag – nicht nur in Sonntagsreden oder theoretisch im Gesetzblatt“, sagte Adrian.