Bei der Parlamentswahl in Japan haben Ministerpräsident Shigeru Ishiba und die langjährige Regierungspartei LDP einen schweren Rückschlag erlitten. Laut nach Schließung der Wahllokale am Sonntag veröffentlichten Prognosen wird Ishibas Regierungskoalition die Mehrheit im Parlament verfehlen. Dies würde bedeuten, dass sich die LDP um andere Koalitionspartner bemühen oder versuchen muss, eine Minderheitsregierung zu bilden.
Der Fernsehsender NHK veröffentliche eine auf Nachwahlbefragungen basierende Prognose, wonach die konservative LDP und ihr Koalitionspartner Komeito „mit Sicherheit“ die Mehrheit von mindestens 233 Sitzen im Parlament verfehlen werden. Andere Medien verbreiteten gleichlautende Prognosen.
Der erst seit Anfang Oktober amtierende Ishiba hatte die Neuwahlen ausgerufen, um sich Rückhalt für seinen Reformkurs einzuholen. Schon erste Prognosen am Sonntag bedeuteten dann aber einen harten Schlag für den Regierungschef und seine LDP: Demnach erreichte die Partei erstmals seit 2009 keine eigene absolute Mehrheit im Parlament mehr.
Zu diesem Zeitpunkt bestand für Ishiba und sein Lager aber zumindest noch die Hoffnung, dass es zumindest zusammen mit Komeito für die absolute Mehrheit reichen würde – die späteren Prognosen ließen das dann aber so gut wie unmöglich erscheinen.
Ishiba hatte schon nach den Prognosen über den Verlust der eigenen absoluten Mehrheit der LDP von einem „harten Urteil“ der Wählerinnen und Wähler über seine Partei gesprochen. Diese hätten „den starken Wunsch geäußert, dass die LDP sich besinnt und eine Partei wird, die im Einklang mit dem Willen des Volkes handelt“, sagte er dem Sender NHK.
Der LDP-Wahlbeauftragte Shinjiro Koizumi sagte: „Wenn wir aufgrund des harten Urteils der Wähler nicht in der Lage sind, eine Mehrheit zu erreichen, werden wir so viele Menschen wie möglich bitten, mit uns zusammenzuarbeiten.“ Bislang verfügte die Koalition aus der LDP und der Mitte-Rechts-Partei Komeito im Parlament über eine komfortable Mehrheit.
Die Prognosen vom Sonntag sagten deutliche Zugewinne für die stärkste Oppositionspartei, die CDP des früheren Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda, voraus. Demnach könnte sie auf zwischen 128 und 191 Mandate bekommen – bislang hatte sie 96.
Noda kündigte im Sender Fuji-TV an, er werde „aufrichtige Gespräche mit verschiedenen Parteien“ führen. „Unsere Grundphilosophie ist, dass die LDP-Komeito-Regierung nicht fortbestehen kann“, sagte er.
Die LDP regiert in Japan seit 1955 fast ununterbrochen. Die Beliebtheit der Partei litt aber unter der hohen Inflation und zuletzt auch unter einem Korruptionsskandal, der zum Rücktritt von Ishibas Vorgänger Fumio Kishida beigetragen hatte.
Ishiba hatte kurz nach seinem Amtsantritt Anfang Oktober die Neuwahlen angesetzt. Der 67-jährige frühere Verteidigungsminister hatte angekündigt, wirtschaftlich schwächere Regionen wiederzubeleben und der sinkenden Bevölkerungszahl in Japan mit familienfreundlichen Maßnahmen wie flexiblen Arbeitszeiten entgegenzusteuern.
In der Familienpolitik verpasste der zweifache Familienvater die Chance, sich einen moderneren Anstrich zu geben. Unterschiedliche Nachnamen für Ehepaare wollte er entgegen ursprünglicher Pläne doch nicht mehr zulassen, in sein Kabinett berief er nur zwei Frauen. Unter den insgesamt 1344 Kandidaten für die Parlamentswahl waren nur 23,4 Prozent Frauen.
Japanische Medien hatten vor der Wahl gemutmaßt, Ishiba könnte möglicherweise sofort zurücktreten, wenn er keine Regierungsmehrheit erreicht. Damit würde er zum japanischen Regierungschef mit der kürzesten Amtszeit seit Ende des Zweiten Weltkriegs werden.
dja/kas