Trump hat Migration im Wahlkampf zu seinem Hauptthema gemacht. Gleichzeitig umgarnt Menschen mit Einwandergeschichte – auf ihre Stimmen ist er angewiesen. Und das funktioniert auch. Wie macht der das?
In Arizona setzt J.D. Vance auf Gott. In dem bei der Präsidentschaftswahl hart umkämpften Bundesstaat umwirbt der Vizekandidat von Donald Trump Latinos – also Menschen mit Wurzeln in Lateinamerika. Die Bühne dazu bietet dem Republikaner eine Kirche in Mesa, ein Ort unweit der Metropole Phoenix. Einige Hundert Menschen sind gekommen, um den 40 Jahre alten Senator zu sehen – haben in glühender Hitze lange angestanden. Immer wieder wird während der Veranstaltung mit dem Vizekandidaten gebetet, die Nationalhymne gesungen.
Und Vance, eher lässig in Hemd und Jeans gekleidet, spricht über seinen Glauben, der ihn wieder auf den richtigen Weg gebracht habe. „Als Christen sind unsere Werte natürlich nicht immer populär, vor allem nicht in der modernen säkularen Kultur“, warnt er. Nur Trump mache sich dafür stark, dass Christen ihrem Glauben entsprechend leben könnten. Viele Latinos sind streng katholisch. Vance‘ Wahlkampftermin ist einer von vielen Versuchen, die wichtige Wählergruppe der Latinas und Latinos bei der Wahl am 5. November dazu zu bringen, für Trump zu stimmen.
Auf die Latinos kommt es an
Umfragen sagen ein hauchdünnes Rennen zwischen Trump und der Demokratin Kamala Harris voraus. Es zählt jede Stimme – und das gilt ganz besonders in den sogenannten Swing States, die als wahlentscheidend gelten. Hier ist nicht von vornherein ausgemacht, ob die Republikaner oder die Demokraten gewinnen werden. Arizona im Südwesten der USA – an der Grenze zu Mexiko – ist einer dieser besonderen Staaten. Hier leben besonders viele Menschen mit Wurzeln in Lateinamerika.
Landesweit sind Latinos die größte ethnische Minderheit, einer von fünf Menschen in den USA identifiziert sich als Latino. In Arizona ist diese Gruppe noch einmal deutlich größer, rund ein Drittel der Einwohnerinnen und Einwohner in dem für den Grand Canyon bekannten Bundesstaat identifiziert sich als Latino. Folglich hat dort rund 25 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung Wurzeln in Lateinamerika – in keinem anderen Swing State ist die Zahl so hoch. Wer hier gewinnen will, muss die Latinos umwerben.
Natürlich sind Menschen, die sich als Latinos identifizieren, keine homogene Gruppe, sondern eine diverse Gemeinschaft – doch sie alle verbindet eine Einwanderungsgeschichte. Wie gehen Trump und seine Republikaner beim Stimmenfang also vor?
Trumps Strategie
Religiöse Werte: Latinas und Latinos gelten als eher wertkonservativ. „Wenn Sie Ihre Kinder so erziehen wollen, wie Sie es für richtig halten, ist Donald Trump der einzige Kandidat auf dem Stimmzettel, der für dieses Recht kämpfen wird“, warnt Republikaner Vance in der Kirche in Mesa und schürt damit die Ängste religiöser Eltern vor einer angeblich liberalen Umerziehung von Kindern etwa an Schulen. Wirtschaft: „Jeder Afroamerikaner oder Hispano, der Kamala wählt, sollte seinen Kopf untersuchen lassen… Die verarschen euch“, sagte Trump neulich. Ob Beleidigungen wirklich helfen, ist offen. Was der Republikaner aber immer wieder betont: Nur er könne eine florierende Wirtschaft garantieren. In der Kirche in Mesa fragt deshalb die vorausgewählte Fragestellerin Gloria Badilla, was Trump für Kleinunternehmer tue. Vance hat eine Antwort parat: weniger Vorschriften, niedrigere Steuern.
Wir gegen sie: „Ich bin in Mexiko geboren und aufgewachsen“, sagt Margarita Palau-Hernandez. Dann erzählt die Latina, die Trump unterstützt, dem Publikum in der Kirche, wie sie zum Studieren in die USA gekommen sei, eine Familie gründete und Geschäftsfrau geworden sei. Eine erfolgreiche Einwanderungsgeschichte also. Republikaner Vance sagt kurze Zeit später, dass illegal Eingewanderte eine Beleidigung für diejenigen seien, die den „richtigen“ Weg gegangen seien. Einige Stunden vorher bei einem Auftritt in Tucson wurde er noch deutlicher: Latinos sollten „angepisst“ von Harris‚ offener Grenze sein. Gute und schlechte Einwanderer: Menschen gegeneinander auszuspielen, ist das Motto der Republikaner, mit denen Trumps rassistische Ausfälle übertüncht werden sollen. Recht und Ordnung: Die Republikaner hoffen, dass ausgerechnet das von ihnen gepushte Thema Einwanderung und die Sicherung der Grenze bei Latinos gut ankommen. Doch Trumps angekündigte Massenabschiebungen verschrecken einige. Daher versuchen die Republikaner, das Bild krimineller illegal Eingewanderter zu zeichnen, die die Sicherheit aller bedrohen. „Wir wollen nicht, dass unsere Kinder auf Spielplätzen spielen, auf denen eine Tüte mit Süßigkeiten in Wirklichkeit getarntes Fentanyl ist“, warnt Vance in Mesa. Gleichzeitig sei es „cool“, dass so viele mit den Namen Hernandez oder Gonzalez als Polizisten arbeiteten.
Unterstützung für Trump wächst
Trumps Strategie ist durchaus erfolgreich – obwohl er Einwanderer immer wieder pauschal als gefährliche Kriminelle darstellt und sie rassistisch beleidigt. Das macht vielen Latinos und Latinas Angst. „Ich denke, dass der frühere Präsident leider diese riesige Rhetorik des Rassismus geschaffen hat. Und nun ist es für Menschen in Ordnung, rassistisch zu sein“, sagte etwa die 38 Jahre alte Violeta Ramos aus Phoenix, die sich gegen eine Verschärfung der Einwanderungsregeln in Arizona stark macht.
Für viele dürfte kaum verwunderlich sein, dass Latinos als Wählergruppe traditionell mehrheitlich demokratisch abstimmen. Doch in den vergangenen Jahren ist die Unterstützung von Latinas und Latinos für die Demokraten landesweit zurückgegangen. Zwar liegt Harris in Umfragen unter Latinos deutlich vorn – doch ihr Vorsprung ist auf dem niedrigsten Stand in den vergangenen vier Präsidentschaftswahlen. Kein Wunder also, dass sich die Republikaner stark um Latinos bemühen. Besonders bei Männern mit Wurzeln in Lateinamerika kommt Trump gut an.