Obwohl ihre Arbeit essenziell ist, kämpfen viele Reinigungskräfte ums Überleben. Gebäudereiniger fordern in Tarifverhandlungen nun ein Fünftel mehr Gehalt.
Harte Arbeit, die viel zu wenig geschätzt wird – so beschreibt eine Reinigungskraft, die in einem Unternehmen in Berlin für Sauberkeit sorgt, ihren Alltag. An diesem Morgen ist die 55-Jährige* in die Gewerkschaft eingetreten, wie sie im Gespräch mit ntv.de erzählt. Die IG Bau fordert an diesem Tag in der nunmehr dritten Tarifverhandlungsrunde drei Euro mehr pro Stunde sowie ein 13. Gehalt für Gebäudereiniger. Die 55-jährige Berlinerin erhält den bisherigen Branchenmindestlohn von 13,50 Euro pro Stunde, in Vollzeit verdient sie damit etwa 2300 Euro brutto im Monat. Um ihren Lohn aufzubessern, hat sie zusätzlich einen Minijob als Reinigungskraft. „Wie die meisten.“
Sie habe Glück, lebe nicht allein. Alleinstehende könnten sich mit dem Gehalt kaum die Mieten leisten, die selbst in weniger beliebten Stadtteilen deutlich gestiegen sind. Spätestens im Ruhestand werde es da als Reinigungskraft schwierig. Die Berlinerin bezahlt von ihrem Lohn unter anderem eine Zahnzusatzversicherung, in ihren Augen sind inzwischen „Verhältnisse wie in Amerika“ erreicht. Nun ist sie bereit zu streiken, falls es auch diesmal keine Einigung gibt.
Das Motto der Gewerkschaft in den Verhandlungen: „Wir haben es verdient“. Nach Angaben der IG Bau erhalten von den rund 700.000 Gebäudereinigern in Deutschland etwa 500.000 den Mindestlohn von 13,50 Euro, der für die gesamte Branche verbindlich ist. Der Großteil der Beschäftigten sind demnach Frauen. Der allgemeine Mindestlohn liegt aktuell bei 12,81 Euro pro Stunde.
Löhne von Reinigungskräften weit unter anderen Branchen
Gebäudereiniger erhalten für Sonn- und Feiertags- sowie Nachtarbeit zwischen 22 und 5 Uhr zudem Zuschläge. Ist für Reinigungsarbeiten eine Qualifizierung oder dreijährige Berufsausbildung nötig, steigen die Gehälter auf bis zu 17,69 Euro pro Stunde. Für Fachkräfte sowie die Glas- und Fassadenreinigung beträgt der Branchenmindestlohn derzeit 16,70 Euro je Stunde. Gesellen mit Ausbildereignungsprüfung erreichen 18,92 Euro, Vorarbeitende in der Glas- und Außenreinigung die derzeit höchste Lohngruppe mit 20,14 Euro pro Stunde.
Das monatliche Mediangehalt von Gebäudereinigern liegt nach Angaben der Arbeitsagentur in Vollzeit bei gut 2500 Euro brutto – die Hälfte verdient mehr, die Hälfte weniger. Ein Viertel der Beschäftigten erreicht demnach 2211 Euro oder weniger, ein Viertel 2927 Euro oder mehr. Männer kommen dabei mit rund 2630 Euro auf über 300 Euro mehr als Frauen mit knapp 2300 Euro. Auch regional gibt es Unterschiede, das höchste Mediangehalt wird ausnahmsweise nicht im Südwesten gezahlt, sondern in Hamburg und Nordrhein-Westfalen mit etwa 2700 Euro.
Das Job-Portal Stepstone kommt nach eigenen Berechnungen auf deutlich höhere Gehälter: bundesweit gerechnet knapp 2900 Euro brutto im Monat. Allerdings ist auch das weit weniger, als in anderen Berufen bezahlt wird. Über alle Branchen hinweg lag das Mediangehalt im vergangenen Jahr demnach bei knapp 3650 Euro pro Monat. Das Durchschnittsgehalt von Vollzeitbeschäftigten betrug laut Statistischem Bundesamt knapp 4500 Euro brutto.
Arbeitgeber weisen „Maßlos-Forderung“ zurück
Die Arbeitgeber im Gebäudereiniger-Handwerk werfen den Arbeitnehmervertretern in den Tarifverhandlungen vor, auf Zeit zu spielen, und sprechen von einer „Maßlos-Forderung“. „Wir hatten uns in Tarifrunde zwei ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Realitätssinn von der Gewerkschaft erhofft: Während die Inflation sinkt, erleben wir eine Stagnation der deutschen Wirtschaft, eine Flaute der Industrie, die sich aktuell zum Beispiel dramatisch bei VW zeigt, sowie ein trübes Geschäftsklima im Dienstleistungssektor“, betonte Christian Kloevekorn vom Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) im September.
Da bei den hiesigen Tarifabschlüssen keine amerikanischen Verhältnisse herrschen, dürfte sich die Gewerkschaft mit ihrer Forderung von 22 Prozent mehr Branchenmindestlohn nicht durchsetzen. Trotzdem bangt die 55-jährige Reinigungskraft aus Berlin, die Arbeitgeber könnten – wie ihr zufolge nach der vergangenen Tariferhöhung – die Arbeitszeit der Beschäftigten reduzieren. „Dann gäbe es noch weniger Vollzeitstellen“, beklagt sie. „Reinigung braucht Zeit.“
*Der Name ist der Redaktion bekannt.
Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de