Streit in der Ampel: Lindner fordert Richtungsentscheidung der Ampel

In der Ampel gibt es neuen Streit über Wirtschafts- und Finanzpolitik. Der Finanzminister sagt mit Blick auf den Herbst: Da werde sich zeigen, „ob wir als Koalition zusammenkommen“.

Im Ringen um den Weg aus der Wirtschaftsflaute und die richtige Finanzpolitik knirscht es in der Ampel-Regierung. Bundesfinanzminister Christian Lindner kritisierte im ZDF, dass jüngste wirtschaftspolitische Vorstöße von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nicht abgestimmt gewesen seien. Der FDP-Chef forderte eine Richtungsentscheidung in diesem Herbst – und mahnte in der ARD, da werde sich zeigen, „ob wir als Koalition zusammenkommen“.

„Nein, die Vorschläge von Herrn Scholz waren nicht abgestimmt und die von Herrn Habeck auch nicht“, sagte Lindner im ZDF-„Heute Journal“. „Wir reden miteinander, aber diese Vorschläge kenne ich nicht. Und das ist für sich genommen ein Problem.“ 

Er sei inzwischen der Überzeugung, „dass 50 Prozent der Probleme in der Wirtschaftspolitik, der Zurückhaltung bei den Investitionen und auch der Zurückhaltung beim privaten Konsum, dass das mit politisch gemachter Unsicherheit zusammenhängt“. Lindner forderte, in diesem Herbst müsse Klarheit geschaffen werden, „in welche Richtung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik geht dieses Land“. Sonst nehme die wirtschaftliche Entwicklung weiter Schaden.

Kanzler Scholz hatte vergangene Woche im Bundestag eine industriepolitische Offensive angekündigt. Der SPD-Politiker will Unternehmensvertreter, Gewerkschaften und Verbände zu einem Industriegipfel ins Kanzleramt einladen, um über Wege aus der Wirtschaftsflaute zu sprechen. 

Lindner teilt gegen Habeck aus: „konzeptionelle Hilflosigkeit“

Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) hatte am Mittwoch vorgeschlagen, die Wirtschaft mit einem schuldenfinanzierten staatlichen Investitions- und Infrastrukturfonds anzukurbeln. Nach seinen Vorstellungen sollen Unternehmen zehn Prozent aller Investitionen vom Staat erstattet bekommen. 

Lindner hatte die Machbarkeit des Habeck-Vorschlags bereits infrage gestellt und legte nun nach. „Mich überzeugt das in der Sache nicht“, sagte er. „Nachdem wir gesehen haben, dass bei Intel Subventionen nichts gebracht haben, soll auf das Scheitern bei Intel jetzt Intel zum Quadrat folgen.“ Für ihn sei das ein „Zeichen von konzeptioneller Hilflosigkeit“. Die Bundesregierung hatte für eine Intel-Chipfabrik in Magdeburg eine Milliardenförderung in Aussicht gestellt, deren Bau wurde nun aber verschoben.

Mit Blick auf die jüngste Steuerschätzung und die schwierige Aufstellung des Bundeshaushalts für 2025 sagte Lindner: „Die Finanzpolitik kann nicht reparieren, was die Wirtschaftspolitik versäumt.“ Der FDP-Chef pocht im Bundeshaushalt für das kommende Jahr auf Einsparungen – er hatte etwa Einschnitte beim Bürgergeld vorgeschlagen, worauf Scholz kühl reagiert hatte. Grüne und SPD dagegen haben die Hoffnung nicht aufgegeben, doch noch eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu machen oder schuldenfinanzierte Sondertöpfe außerhalb des Haushalts einzurichten.

„Keine Vorsätze, Koalition zu beenden“ – unter einer Bedingung

Sowohl Lindner als auch Scholz und Habeck sind derzeit nicht in Deutschland – Lindner gab die Interviews aus Washington, der Kanzler und sein Vize nehmen heute an deutsch-indischen Regierungskonsultationen in Neu Delhi teil. 

In den vergangenen Monaten war wegen der vielen Streitereien unter den Ampel-Parteien immer wieder über ein vorzeitiges Ende der Koalition spekuliert worden. Der Finanzminister trat im ZDF dem Eindruck entgegen, schon nach Opposition zu klingen. „Wenn sich alle an den Koalitionsvertrag halten wollen und an seinen Geist, dann habe ich jedenfalls keine Vorsätze, eine Regierungskoalition zu beenden.“ Als konkrete Punkte nannte er dabei unter anderem „keine Steuererhöungen, solide Finanzpolitik, Entlastung der Bürger, Rekordinvestitionen in die Infrastruktur“.

Klar sei aber: „Wenn das, was das Land braucht, dringlicher wird und das, was politisch erreichbar ist, kleiner ist, müssen alle sich die Karten legen“. In den ARD-„Tagesthemen“ sagte der Finanzminister, man werde nach seiner Rückkehr miteinander sprechen müssen. „Sind unsere Gemeinsamkeiten so groß, dass wir die Probleme des Landes lösen können? Ich hoffe darauf.“

Scholz zu Ampel-Partnern: Nicht in die Büsche schlagen

Bundeskanzler Olaf Scholz räumte Schwierigkeiten in der Ampel ein, forderte die Koalitionspartner aber zur Weiterarbeit bis zum Ende der Wahlperiode auf. Wer von den Bürgerinnen und Bürgern ein Mandat zum Regieren bekommen habe, müsse seine Aufgaben erfüllen, sagte der SPD-Politiker in der am Donnerstagabend ausgestrahlten ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. Das sei eine Pflicht. „Und da sollte sich keiner einfach in die Büsche schlagen. Mein Stil ist das jedenfalls nicht.“

Er wolle gar nicht drum herumreden: „Aus meiner Sicht ist es schon manchmal sehr schwer, all die vielen Streitigkeiten durchzustehen und alles dafür zu tun, dass gute Ergebnisse dabei herauskommen.“