Justiz: Hessens Staatsanwälte beklagen hohe Belastung

Die Kollegen und Kolleginnen in den hessischen Staatsanwaltschaften fühlen sich laut Richterbund „ausgebrannt“. Es fehle an Personal, um die Flut neuer Fälle zu bewältigen und Bestände abzubauen.

Die hohe Belastung der hessischen Staatsanwaltschaften hat sich nach Einschätzung des Richterbundes auch 2024 nahezu unverändert fortgesetzt. Der kontinuierlich viel zu hohe Arbeitsanfall bei gleichzeitigen personellen Engpässen habe die Kolleginnen und Kollegen der Staatsanwaltschaften in den zurückliegenden Jahren bereits „sprichwörtlich ausgebrannt“, erklärte die Sprecherin des hessischen Landesverbandes, Julia Pfeffer. 

Die Anzahl der Neuzugänge sei im Wesentlichen auf hohem Niveau konstant, dies gelte auch für die Bestände. Die Belastung sei auf ein Maß angewachsen, das dem Rechtsstaatsprinzip nicht mehr gerecht werde, warnte Pfeffer. Der Richterbund vertritt Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

Zahl der Neuzugänge 2024 nur 1,5 Prozent geschrumpft

„Die Betroffenen kommen später zu ihrem Recht, Urteile und Entscheidungen können erst weit nach der Tat getroffen werden, sodass häufig der unmittelbare Effekt auf die Straftäter fehlt, aber auch die Belastung für die Opfer von Straftaten steigt“, erläuterte Pfeffer. „Dringend benötigtes Personal kann nur schwer akquiriert werden, weil die Belastungssituation durch die Altbestände bekannt ist.“ Der Effekt werde zusätzlich durch die großen Personallücken in den Geschäftsstellen und bei den Serviceeinheiten befeuert.

Der bereits hohe Wert von 407.866 Neuzugängen bei Ermittlungsverfahren gegen bekannte Täter im Jahr 2022 stieg nach Angaben des Richterbundes im Jahr 2023 nochmals – auf 431.287 Fälle. Für das erste Halbjahr 2024 sei „lediglich ein nicht signifikanter und in der Praxis auch nicht wahrnehmbarer Rückgang“ von knapp 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu verzeichnen. 

Die Summe der Bestände war 2023 von knapp 96.700 im Vorjahr auf mehr als 107.800 Fälle angestiegen. Im ersten Halbjahr 2024 habe dieser Wert zwar um etwa 5.000 Verfahren verringert werden können, erläuterte Pfeffer. Es sei aber noch kein „signifikanter Abwärtstrend spürbar“. Zwischenzeitlich seien zwar erste neue Stellen bei den Staatsanwaltschaften geschaffen worden. „Weitere Stellen sind jedoch unerlässlich, um der vorgenannten Masse an Ermittlungsverfahren Herr zu werden“, bekräftigte Pfeffer. 

Justizministerium kündigt weitere Verstärkung an

Auch ein Sprecher des Justizministeriums in Wiesbaden erklärte: „Die Belastung der Staatsanwaltschaften in Hessen ist nach wie vor hoch.“ Das Land habe bereits mit zusätzlichen Stellen reagiert. „Eine weitere Verstärkung wird angestrebt.“ 

Zum Stichtag 30. September dieses Jahres gab es nach Angaben des Ministeriums 516,5 Stellen für Staatsanwälte und Staatsanwältinnen im Land. Das waren 77 mehr als noch fünf Jahre zuvor. Es gebe derzeit keine Probleme, offene Stellen für Richter und Staatsanwälte mit geeigneten Bewerbern zu besetzen, erläuterte der Ministeriumssprecher. 

Richterbund: Haftentlassungen wegen langer Verfahrensdauer sind Einzelfälle

Zu möglichen Fällen, bei denen Beschuldigte wegen zu langer Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft entlassen werden, liegen dem Richterbund nach eigenen Angaben keine Zahlen vor. „Wir gehen davon aus, dass es sich hierbei um Einzelfälle handelt, die auch nicht notwendigerweise den Staatsanwaltschaften anzulasten sind, sondern vielfältige Ursachen haben können“, erläuterte Pfeffer. 

Es seien auch externe Ursachen denkbar wie anwaltliches Geschick oder Fehler des Gerichts. „In der Regel und ganz weit überwiegend bestehen hier aber ausreichend Sicherheitsmechanismen durch strenge Fristenüberwachung, damit so etwas nicht passiert“, bekräftigte Pfeffer. „Einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Belastungssituation sehen wir jedenfalls nicht.“