Mit ihrer Kritik an der Bauhaus-Schule versucht sich die AfD in einer besonders plumpen Provokation. Warum es trotzdem völlig falsch wäre, sie damit durchkommen zu lassen.
Woher die Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ stammt, lässt sich nicht mehr sicher rekonstruieren. Der Legende zufolge soll der Satz im Zusammenhang mit der Zerstörung zweier Kunstwerke von Joseph Beuys entstanden sein. Eines davon war eine „Fettecke“, mehrere in der Düsseldorfer Kunstakademie angebrachte Kilo Butter, die in den achtziger Jahren vom Hausmeister oder einer Putzfrau nicht als Kunst erkannt und weggereinigt wurden.
Auch heute erfreut sich die Frage großer Beliebtheit und zwar immer dann, wenn man Zweifel daran hegt, ob ein berühmtes Kunstwerk die Wertschätzung auch wirklich verdient.
Die AfD Sachsen-Anhalt hat nun eine eigene Interpretation des Klassikers vorgelegt. In einem Antrag bezeichnet sie die Bauhaus-Kunst als „Irrweg der Moderne“ und fordert eine Neubewertung. Zwar sei das Bauhaus als „kunstgeschichtliches und historisches Phänomen“ zu würdigen. Doch müsse unbedingt diskutiert werden, welche „Bausünden“ es aufgrund seiner „puristischen Ästhetik“ hervorgebracht haben. Einige Bauhaus-Gebäude würden als „menschenfeindlich“ bezeichnet, heißt es in dem Antrag. Von wem, außer der AfD, bleibt offen.
Hinter dem Begriff Bauhaus verbirgt sich, sehr verkürzt, eine 1919 vom Architekten Walter Gropius im thüringischen Weimar gegründete Kunstschule, die mit ihrer einzigartigen Mischung aus klarem, minimalistischem Design nicht nur die Art des Bauens revolutionierte. Sie zählt heute zum Weltkulturerbe.
Schon den Nationalsozialisten war der moderne Stil zuwider; das Bauhaus musste zunächst nach Dessau umziehen und schließlich unter dem politischen Druck ganz schließen. Heute sind in Dessau das Bauhaus-Museum und die dazu gehörige Stiftung angesiedelt, also in Sachsen-Anhalt, wo der Standort im kommenden Jahr auch seinen 100. Geburtstag feiert.
Die AfD spielt mit der Nazi-Vergangenheit
Das Jubiläum ist der Aufhänger für den Antrag der AfD. Es ist eine in jeder Hinsicht durchschaubare Provokation, die erkennbar mit der Vergangenheit spielt und darauf abzielt, maximale Empörung zu erregen.
Durchkreuzt man diese Pläne nicht am besten, in dem man das von den Rechten hingehaltene Stöckchen schlicht ignoriert, statt lautstark darüber zu springen, wie es die Kulturbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, etwa tat? Zumal der AfD-Antrag erwartungsgemäß keine Mehrheit fand.
Ganz so einfach ist es leider nicht. Denn wer solche Vorstöße unkommentiert lässt, fördert damit ungewollt ihre Normalisierung. Zumal der AfD von ihren Anhängern in den sozialen Netzwerken sekundiert wird. Als „Schuhschachteln“ und „abgrundtief hässlich“ wird dort das Bauhaus von einigen bezeichnet.
Das Empfinden von Ästhetik ist individuell. Wer hat noch nicht vor einem Kunstwerk gestanden und den Kopf geschüttelt, weil es so gar nicht eindrucksvoll erschien? Wer hat noch nie einen als Meisterwerk gefeierten Film völlig ratlos im Kino abgesessen?Und wie viele Menschen hätten Beuys Fettecke wirklich als Kunst erkannt?
An dieses Gefühl knüpft die AfD an. Indem sie das „Empfinden“ zum allgemein gültigen Maßstab erklärt. Kunst wird aus ihrer Geschichte gerissen, ihr neuer Impuls, ihre Innovationskraft geleugnet, um sie in die primitive Kategorie eines diffusen „Bauchgefühls“ zu pressen und mit einem Reflex gegen alles Moderne, vulgo: die Veränderung, zu verbinden.
So machen es Populisten heute wie damals die Faschisten. Die Nationalsozialisten sprachen von „Entarteter Kunst“, um Werke und Künstler zu verdrängen, die nicht ihrem Geschmack und ihrer Ideologie entsprachen. Wer zulässt, dass diese Methode Raum greift, darf sich nicht wundern, wenn wir bald eine von Instinkten getriebene Gesellschaft sind, die sich willfährig und ohne Geschichtsbewusstsein mal hierhin, mal dorthin treiben lässt, je nach Zeitgeist.
Schulausflüge zu Bauhaus-Orten
Was aber kann man tun? Denn in der Tat ist der lautstarke Widerspruch, so notwendig er ist, zugleich auch neuer Treibstoff für die AfD. Die Antwort kann nur in der Erziehung liegen. Möglichst viele Schulen sollten in ihrem Kunstunterricht dem Thema Bauhaus in den kommenden Tagen und Wochen eine Stunde widmen, in der erklärt wird, woher der Stil kommt, was ihn ausmacht, was das Bahnbrechende an ihm war und warum er von den Nationalsozialisten verfemt wurde.
Lehrer könnten Ausflüge zu Bauhaus-Orten unternehmen, um die Kunst erlebbar zu machen. Dann haben solche Provokationen der „Sind das noch Demokraten oder können die weg?“-Partei keine Chance mehr.