Leni Riefenstahl war eine umstrittene NS-Filmemacherin, die Filme für Adolf Hitler machte. Ihre Bilder des indigenen Volks der Nuba gingen um die Welt. Wie blicken die Nachfahren auf die Aufnahmen?
Jahrelang blieb der Nachlass der Nazi-Propaganda-Filmemacherin Leni Riefenstahl unerforscht. Nun haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und dem Sudan in einem zweijährigen Forschungsprojekt erstmals gemeinsam die Hinterlassenschaften der umstrittenen Filmemacherin untersucht.
Dabei konzentrierten sie sich auf rund 10.000 Fotografien und Filme, die Riefenstahl (1902-2003) von dem indigenen Volk der Nuba in den Nuba-Bergen im Süden des Sudans aufnahm. Am Wochenende sollen die Ergebnisse bei einem Symposium in Berlin diskutiert werden.
Nuba sahen Riefenstahl als „seltsame Oma“
Die Fotografien und Filme müssten in einem kolonialen und rassistischen Kontext gesehen werden, wie teilnehmende Forscherinnen und Forscher bei einer Pressekonferenz sagten.
Die abgelichtete Menschen hätten nicht gewusst, was Riefenstahl mit dem Material anstellen würde, sagte der sudanesische Wissenschaftler Guma Kunda Komey vom Pan Nuba Rat. Sie hätten sie als eine „seltsame Oma“ gesehen und kannten die Kontroversen um die Filmemacherin nicht, hätten sogar einen gewissen Respekt vor ihr gehabt.
Die Fotos wurden in zwei Bildbänden veröffentlicht, die um die Welt gingen. „Als sie erfahren haben, was wirklich vor sich ging, fühlten sich die Menschen ausgenutzt. Sie sehen sich als diejenigen, denen die Fotos gehören. Sie fordern eine Entschädigung“, sagte Komey.
Die Nuba bestehen aus 50 verschiedenen ethnischen Gruppierungen, die in zehn verschiedene Sprachgruppen unterteilt sind. Die berühmten Bilder, die in den 60er und 70er Jahren aufgenommen wurden, zeigen die Nuba mit stammestypischen Gesichtsbemalungen oder mit Waffen, die im Kampf benutzt wurden.
Nachlass ist Bereicherung für aktuelle Generationen
Trotz der Kritik seien die Dokumente für die aktuellen Nuba-Generationen auch eine riesige Bereicherung, sagte Komey. Sie ermöglichten es ihnen, mit ihrer Geschichte in Berührung zu kommen, zu sehen, wie ihre Vorfahren tatsächlich lebten und sich als stolze Nuba zu fühlen. An den Orten, an denen die Bilder aufgenommen wurden, trafen die Wissenschaftler Menschen, die sich noch heute an Riefenstahl erinnerten und von ihr abgelichtet wurden.
Die 700 Kisten aus Riefenstahls Nachlass gingen 2018 als Geschenk an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Bestände wurden auf die Staatsbibliothek zu Berlin, die Kunstbibliothek und das Ethnologische Museum und die Stiftung Deutsche Kinemathek (SDK) aufgeteilt und erforscht. Sie enthalten Fotografie- und Filmbestände, Manuskripte, Briefe, Tageskalender, Akten und Dokumente sowie Presseausschnitte und Bücher.
Dokumentarfilm erschienen
Die Regisseurin drehte für Adolf Hitler und wurde mit Nazi-Propagandafilmen wie „Triumph des Willens“ bekannt, hatte sich selbst aber stets unpolitisch gegeben. Vor kurzem ist der Dokumentarfilm „Riefenstahl“ von Andres Veiel erschienen. Er wurde von der Moderatorin und TV-Produzentin Sandra Maischberger produziert und beschäftigt sich ebenfalls mit dem Nachlass der umstrittenen Künstlerin.