Der Wirtschaftsminister will die Wirtschaft mit einem neuen Investitionsfonds ankurbeln, finanziert auf Pump. Finanzminister Lindner wird in den USA vom Vorstoß seines Kabinettskollegen überrascht.
Mit einem staatlichen Investitions- und Infrastrukturfonds will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die lahmende deutsche Wirtschaft wieder in Schwung bringen. „Das würde den großen Booster für die Volkswirtschaft auslösen, wenn die Unternehmen jetzt mehr investieren würden“, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. Nach seinen Vorstellungen sollen Unternehmen zehn Prozent aller Investitionen vom Staat erstattet bekommen. Finanziert werden soll der Fonds mit Schulden.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellt die Machbarkeit infrage. „Der Bundeswirtschaftsminister hat nicht einfach einen Vorschlag in die Debatte eingebracht, Robert Habeck fordert eine fundamental andere Wirtschaftspolitik für Deutschland“, sagte Lindner bei einem Besuch in New York. „Das ist schon ein Hammer.“
Habeck will „Investitionen mit einer unbürokratischen Investitionsprämie von zehn Prozent fördern – und zwar für alle Unternehmen, gerade auch Handwerksbetriebe sowie kleine und mittelständische Betriebe“. Als zweite Säule seiner „Modernisierungsagenda“ will er Energie- und Kommunikationsnetze, Verkehrswege und Bildungseinrichtungen modernisieren.
Senkung der Stromkosten
Habecks neues Papier sieht auch eine Senkung der hohen Stromkosten vor, die Unternehmen immer wieder als Standortnachteil nennen. Profitieren sollen dabei auch private Verbraucher und Verbraucherinnen, etwa indem die Stromsteuer für alle grundsätzlich auf das europarechtlich vorgeschriebene Minimum reduziert wird. Auch die Netzentgelte sollen nach dem Konzept deutlich gesenkt werden.
Dreistelliger Milliardenbetrag auf Pump
Zum finanziellen Umfang eines solchen Fonds wollte sich Habeck nicht festlegen. Es gebe aber Berechnungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), die eine „mittlere dreistellige Milliardenzahl“ für die nächsten Jahre vorsähen, sagte er in Berlin. „Also, wir reden hier schon von einem großen Volumen, das dann allerdings über viele Jahre verausgabt wird.“ Es gehe um die Erneuerung der Standortbedingungen in Deutschland. „Die erste Frage, finde ich, ist nicht: Sind es jetzt 200, 300 oder 400 Milliarden? Sondern: Wollen wir uns auf den Weg machen?“
Finanziert werden soll dieser Fonds über Schulden – ein Wort, das Habeck allerdings nicht in den Mund nahm. „Das muss vorfinanziert werden, ich sehe keine andere realpolitische Möglichkeit“, sagte er. „Ich finde, diese Fondsidee ist auch für diejenigen, die auf einer strikten Einhaltung der Schuldenbremse bestehen, hoffe ich jedenfalls, ein gangbarer Weg, weil es eine begrenzte Verabredung ist.“ Es gehe nicht um eine prinzipielle Öffnung der Schuldenbremse. In seinem Papier nennt er die Schuldenbremse „in ihrer jetzigen Form eine Investitions- und Wachstumsbremse“.
Lindner verweist auf begrenzte Gelder und EU-Recht
Lindner will in seinem Ministerium jetzt prüfen lassen, was von dem Vorschlag überhaupt theoretisch umsetzbar sei – erst dann könne man in der Sache diskutieren. Unter anderem seien europäisches Beihilferecht und Fiskalregeln zu beachten. „Wir können schlicht nicht einfach so viel Geld ausgeben, wie manche wollen.“ Zugleich betonte Lindner: „In jedem Fall ist aber klar, dass genau diese Unsicherheit über die weiteren Rahmenbedingungen der deutschen Wirtschaft selbst Teil der Probleme unseres Landes geworden ist.“
Die stellvertretende FDP-Vorsitzende und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es ist kein überzeugendes Konzept, der deutschen Wirtschaft über beispiellos hohe Steuern und Abgaben Geld zu entziehen und es dann über einen Staatsfonds umzuverteilen.“
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bezeichnete den Vorschlag als „kurzsichtig und nicht zielführend“. Denn „wahllos Subventionen auszuzahlen und dafür hunderte Milliarden Euro an neuen Schulden anzuhäufen kann unseren Wirtschaftsstandort nicht nachhaltig stärken.“ Nötig seien umfassende Reformen zur Verbesserung der Standortbedingungen und Entfesselung des privaten Kapitals.
Habeck hatte bereits im Februar ein milliardenschweres Sondervermögen zur Entlastung von Firmen vorgeschlagen. Lindner wies den Vorstoß damals zurück.
Kritik auch von der Opposition
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, warf dem Wirtschaftsminister in der „Rheinischen Post“ vor, er wolle den Weg in die Staatswirtschaft weitergehen. „Mit einer geradezu unglaublichen Staatsgläubigkeit und der Bereitschaft zum Interventionismus, wird er aber eben gerade nicht wirtschaftliche Erholung und Wachstum erreichen, sondern vor allem mehr Bürokratie“, sagte der CDU-Politiker.
Zustimmung aus der Wirtschaft
Eher positive Reaktionen kamen aus der Wirtschaft. „Robert Habeck zeigt, dass er verstanden hat, wo die Probleme in Deutschland liegen“, erklärte der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Er habe die Themen richtig benannt. „Ungeklärt bleibt aber die Finanzierung.“
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, bescheinigte Habeck, er bringe dringend benötigten Schwung in die Debatte um die notwendigen Veränderungen der deutschen Volkswirtschaft. „Das ambitionierte Papier setzt zu Recht auf eine angebotsseitige Stärkung der deutschen Wirtschaft, um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.“
Dagegen bezeichnete Marie-Christine Ostermann, die Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer, die Vorschläge als „weitere Nebelkerze“. Um der Wirtschaft zu helfen, sollte Habeck Strukturreformen auf den Weg bringen. „Kurzfristig wäre die Soli-Abschaffung ein Investitionsbooster.“