Seit MH370 vor mehr als zehn Jahren vom Radar verschwand, gibt es verschiedenste Szenarien, was wirklich passiert ist. Manche sind bizarr, andere überraschend realistisch. Wir stellen fünf Theorien vor.
Was als normaler Linienflug begann, entwickelte sich zum vielleicht größten Rätsel der Luftfahrtgeschichte: Am 8. März 2014 hob die Boeing 777 mit der Flugnummer MH370 von Kuala Lumpur nach Peking ab. An Bord befanden sich insgesamt 239 Menschen. Um 1.21 Uhr verschwand der Flug dann plötzlich vom Radar – mitten über dem Südchinesischen Meer. Malaysische Behörden gingen nach der Auswertung von Satellitendaten davon aus, dass jemand die Kommunikationssysteme des Flugzeugs ausschaltete, ehe sich der Kurs in Richtung Süden änderte. Als der Treibstoff ausging, soll die Maschine dann im Indischen Ozean abgestürzt sein. Doch einige Angehörige und Journalisten misstrauen dieser Version.
Kaum noch Spuren von Flug MH370
An umliegenden Küsten wurden Boeing 777-Flugzeugteile gefunden. Abgesehen davon fehlt jegliche Spur von der Maschine und der Menschen an Bord. Was die Ursache des Verschwindens ist, bleibt auch mehr als zehn Jahre nach dem Desaster ungeklärt. Während Hinterbliebene weiterhin auf Antworten warten, kursieren verschiedenste Theorien über das MH370-Mysterium. Die Theorien im Überblick:
Theorie 1: Entführung durch Passagiere oder Besatzung
Aufgrund der Kursänderung des Fluges prüften Ermittler bereits kurz nach der Tragödie eine Entführung als mögliches Szenario. Doch weder in der Besatzung noch unter den Passagieren gab es Personen, deren Profile Hinweise auf ein terroristisches Motiv liefern. Das trifft auch auf zwei Iraner zu, die mit gefälschten Pässen an Bord waren. Zudem bekannte sich keine Gruppierung zu der Tat. Es gibt auch Theorien über eine ferngesteuerte Entführung als Cyberterrorismus-Verbrechen oder durch einen blinden Passagier, der sich im Unterbodenbereich versteckt haben soll. Allerdings lässt sich keines dieser Szenarien seriös belegen.
Theorie 2: Suizid des Piloten
Weitere Theorien weisen dem Kapitän Zaharie Ahmad Shah eine mögliche entscheidende Rolle zu, wie etwa The Independent erläutert. Eines der Szenarien lautet, Shah habe seinen eher unerfahrenen Ersten Offizier Fariq Abdul Hamid (damals 27 Jahre alt) aus dem Cockpit ausgeschlossen und die Kommunikationssysteme ausgeschaltet. Anschließend soll der Pilot die Maschine entlang der Grenze von Thailand und Malaysia geflogen haben, um auf beiden Seiten keine Aufmerksamkeit des Militärs zu erwecken. Schließlich habe er, so die Theorie, das Flugzeug an einem schwer auffindbaren Ort im Süden zum Absturz gebracht. Doch auch Shah konnten die ermittelnden Behörden kein Motiv nachweisen, das eine solche Tat erklären würde.
Theorie 3: Ist eine Flugschleife die Antwort?
In dem australischen Sky-Dokumentarfilm „MH370: The Final Search“, der 2022 erschien, spricht Sky-News-Moderator und Investigativ-Journalist Peter Stefanov mit Experten über eine Theorie zur Flugbahn der Boeing 777. Demnach kreiste das Flugzeug 22 Minuten lang vor der Küste von Sumatra. Der Luftfahrtautor und frühere Pilot Mike Glynn vermutet dabei einen politischen Hintergrund. Kapitän Shah soll aufgrund der Verurteilung des damaligen malaysischen Oppositionsführers und heutigen Regierungschefs Anwar Ibrahim am Tag zuvor verärgert gewesen sein. Beim Versuch Verhandlungen zu erzwingen, sei dann das Unglück passiert. Auch diese Version ist umstritten.
Theorie 4: Spionagetechnik-Konflikt zwischen USA und China
„Le Monde“-Journalistin Florence de Changy griff in ihrem Buch von 2022 den Fall MH370 neu auf und brachte ein Spionagegerät an Bord des Flugzeugs ins Spiel. Angeblich wollten die Chinesen diese Technologie unbedingt in ihren Besitz bringen, woraufhin das US-Militär intervenierte. Damit die Chinesen das Gerät nicht erhalten, sollen die Amerikaner das Flugzeug mit Abfangjägern begleitet und schließlich zum Absturz gebracht haben. Diese Theorie vertritt de Changy auch in der Netflix-Dokumentation „MH370: The Plane That Disappeared“ (dt. „MH370: Das verschwundene Flugzeug“) von 2023. Belege gibt es auch hierfür nicht.
Theorie 5: Ablenkungsstrategie der Russen
In der selben Doku stellt der Journalist Jeff Wise die Theorie auf, dass russische Agenten das Flugzeug entführt und nach Kasachstan gesteuert haben. Da zur selben Zeit die Invasion der Krim begann, wollten die Russen den MH370-Flug als Ablenkungsmanöver auf der Weltbühne nutzen, behauptet Wise und zieht einen Vergleich zum Flug MH17. Eine russische Rakete traf das Flugzeug nur vier Monate nach dem Verschwinden der MH370 – für Jeff Wise kein Zufall. Dass einige Boeing 777-Teile gefunden wurden, deutet für ihn auf eine Inszenierung hin.
Nachdem ein Gebiet von 120.000 Quadratmetern nach der MH370 abgesucht wurde, stellten die malaysischen Behörden die Ermittlungen 2018 ein. Zu gering waren die Aussichten auf Erfolg. Seither fordern Angehörige, dass die Suche wieder aufgenommen wird. Ihre Bemühungen blieben lange vergebens, bis im März dieses Jahres wieder Hoffnung aufkeimte.
Verzweifelt: Die Angehörigen der MH370-Passagiere warten auch nach 10 Jahren auf Antworten
© Arif Kartono
Denn damals, vor gut einem halben Jahr, sagte Malaysias Verkehrsminister Anthony Loke gegenüber dem Sender Bernama News, dass sein Ministerium alles dafür tue, um die Zustimmung des Kabinetts für einen neuen Vertrag mit dem US-Unternehmen Ocean Infinity zu bekommen und die Suche nach MH370 wieder aufzunehmen. „Wenn sie das Flugzeug finden können, muss die Regierung die Kosten meiner Meinung nach tragen“, so Loke. Wie es weitergeht, könnte in diesem November bekannt werden.
Dennoch sind die Erkenntnisse nach mehr als zehn Jahren ernüchternd. Trotz zahlreicher Theorien haben die Ermittlungen keine großen Fortschritte gemacht. Die Skurrilität der einzelnen Szenarien liegt in der Natur des Vorfalls, der selbst objektiv betrachtet absurd klingt. Ob jemals Klarheit über das Verschwinden des MH370-Fluges herrschen wird, ist fragwürdig. Die betroffenen Familien und Angehörigen warten seit mehr als einer Dekade auf eine Antwort.
Quellen: DPA, The Independent, Sky News Australia, Netflix, BERNAMA TV