Shyne war ein Hip-Hop-Wunderkind – bis er mit P. Diddy in eine Schießerei geriet. Auch er hat jetzt sein Schweigen gebrochen: Sein Mentor soll ihm die Schuld angehängt haben.
Er war einmal eine der großen Hoffnungen des Hip-Hop. Shyne, wie er sich nannte, reimte und rappte für Usher, Notorious B.I.G. und P. Diddy. Er hatte selbst Hits wie „Bad Boyz“ und „Bonnie & Shyne“. Und er war minderjähriger Protegé eines der mächtigsten Männer der Branche, Sean „P. Diddy“ Combs. Es klingt wie ein Traum, aber wenn Shyne heute über seinen ehemaligen Mentor spricht, hört sich das so an: „Im Grunde hat er mich in den Knast geschickt.“
Denn trotz all seiner Erfolge und Talente wanderte Shyne für neun Jahre ins Gefängnis – für einen Mordversuch, von dem er bis heute sagt, dass er ihn gar nicht begangen habe. Er sei bloß Diddys Sündenbock.
„Diddy berief Zeugen, die gegen mich aussagten“
Shyne, geboren als Jamal Barrow, ist heute Politiker, in seinem Heimatland Belize wirkt er als Oppositionsführer im Repräsentantenhaus. Aufgewachsen ist er in New York bei seiner Mutter, und es schien, als könnte P. Diddy alle seine Träume wahr machen. An einem Tag schlief er noch auf Mutterns Couch, am nächsten hatte er einen Multimillionen-Dollar-Deal, Waffen, Autos, Frauen. „Als 18-jähriger Junge wollte ich nichts anderes als meine Mutter stolz machen und Belize stolz machen. Ich wollte, was wir alle wollen: Für mein Talent anerkannt werden und die Welt erobern!“ Es kam anders. „Ich habe Diddy verteidigt, aber er legte eine totale Kehrtwende hin und berief Zeugen, die gegen mich aussagten.“
Die Nacht, die sein Leben veränderte, liegt 25 Jahre zurück: Am 27. Dezember 1999 besuchte er gemeinsam mit P. Diddy und dessen damaliger Freundin Jennifer Lopez in New York einen Nachtclub. Dort gerieten die Männer in einen Streit mit einem Gast – und von dem, was dann passierte, kursieren bis heute widersprüchliche Versionen.
Shynes Polizeibild: Er saß neun Jahre im Gefängnis – brach den Kontakt zu P. Diddy aber niemals ganz ab
Laut Augenzeugenberichten zogen Shyne und Combs Pistolen, Schüsse fielen, Menschen wurden verletzt, eine Frau von einer Kugel ins Gesicht getroffen. Shyne, damals 21, sagte später vor Gericht aus, er habe nur in die Luft gefeuert, und tatsächlich wurden am Tatort noch weitere Kugeln gefunden, die nicht aus seiner Waffe stammen konnten – anderes Kaliber. Doch deren Besitzer wurde niemals ermittelt.
Er saß mit P. Diddy auf der Anklagebank
Shyne saß mit Diddy und dessen Leibwächter auf der Anklagebank, doch die beiden anderen verließen das Gericht 2001 als freie Männer, während der Jung-Rapper die nächsten neun Jahre im Gefängnis schmorte. Für Shynes Debütalbum, das kurz nach der Verurteilung bei Diddys Label erschien, war das allerdings die beste Werbekampagne überhaupt.
Shyne während des Prozesses 2001: „Diddy berief Zeugen, die gegen mich aussagten“
© WireImage
Im Gefängnis konvertierte Shyne zum Judentum, nannte sich um in Moses Barrow. Nach seiner Entlassung wiesen ihn die USA nach Belize aus, wo er ein bekannter Politiker wurde wie schon sein Vater. Überraschenderweise aber brach er den Kontakt zu Diddy niemals ganz ab: Nicht nur, dass er und sein ehemaliger Boss zu besonderen Anlässen gemeinsam auf die Bühne gingen – Shyne, mittlerweile Anführer der größten Oppositionspartei Belizes, lud Diddy und Jay-Z ins Land, damit die beiden Musik-Schwergewichte dort investierten.
Wie er mit Diddy überhaupt noch reden konnte? „Verlieren wir nicht aus dem Blick, was die kalten, harten Fakten sind. Er ist nicht jemand, mit dem ich in Urlaub gefahren bin und mit dem ich eine großartige, intime Freundschaft teile“, erklärt der heute 45-Jährige. „Im Prinzip hat er mich ins Gefängnis geschickt. Aber ich habe ihm vergeben, ich habe ihn hinter mich gelassen, und das auch zum Interesse Belizes, weil er damals Investitionen und Stipendien vergeben wollte.“
Moses Barrow alias Shyne ist heute in Belize ein prominenter Politiker. P. Diddy? „Ich habe ihm vergeben“
© WireImage
Empfindet er Genugtuung, da Diddy nun selbst eine sehr lange Gefängnisstrafe droht? „Ob ich Freude über das empfinde, was er gerade durchmacht? Überhaupt nicht. Ich bin in diesem Punkt anders – niemand muss verlieren, damit ich ans Ziel komme“.