Hilfe seit mehr als fünf Jahrzehnten: Der Verein Notmütterdienst aus Frankfurt vermittelt Betreuungspersonen an Menschen, die Unterstützung brauchen. Heute wird er in dritter Generation geführt.
Persönliche Krisen, Überforderung oder Notlagen kommen schnell. Dann braucht man oft eine helfende Hand. Wer die im näheren Umfeld nicht hat, kann sich unter anderem an den gemeinnützigen Verein Notmütterdienst e.V. aus Frankfurt wenden. Seit mehr als einem halben Jahrhundert greift der Verein Menschen unter die Arme. Dafür sorgte einst eine Frau – heute leitet die Enkelin die Geschäfte.
55 Jahre ist es her, dass Ingrid Damians Eltern, Alois und Charlotte Hesser, den Verein Notmütterdienst am 20. Oktober 1969 gründeten. Der Vater von Ingrid Damian beziehungsweise der Großvater Mona Damians lag häufig im Krankenhaus und Mutter Charlotte war mit drei Kindern allein zu Hause. Aus dieser Erfahrung entsprang die Idee, eine „Situation zu schaffen, wo sich Menschen gegenseitig Hilfe leisten“, wie Ingrid Damian es beschreibt.
Viele Kinder seien damals schnell für eine Zeit lang ins Kinderheim gekommen und aus den geregelten Strukturen geworfen worden, wenn die Mutter sich nicht mehr habe kümmern können. Auch in solchen Fällen wollten die Hessers helfen. „Das geflügelte Wort deiner Großmutter“, sagt Ingrid Damian zu ihrer Tochter Mona im Gespräch, „das war: „Das beste Heim ist das eigene Heim“.“
Schneller Erfolg
Zunächst lebte die Familie in Koblenz. Nach dem Umzug nach Frankfurt wurde aus dem Plan bald Realität: Das Ehepaar suchte nach Menschen, die bereit waren, auch deutschlandweit in eine andere Stadt zu gehen, um Menschen zu helfen. „Das waren zumeist Frauen, die in dem Alter waren, wo die Kinder aus dem Haus waren oder auch eine verwitwete Person, die sich freute über solche abwechselnden Tätigkeiten“, berichtet Ingrid Damian. Menschen, die sich bereit erklärten, „landeten dann in einer Mappe und diese in einem Karteikasten.“
Schnell kam der Erfolg und der Verein sprach sich herum, doch schnell kam auch der erste Tiefpunkt: 1973 starb Ingrid Damians Vater. „Das war erst mal auch für alle ein Schock, aber nach einer gewissen Zeit ging es weiter und entwickelte sich“, sagt sie. „Meine Mutter wollte aber den Verein auf jeden Fall weiterführen. Und sie hat das mit aller Kraft getan, in ihrer eigenen Wohnung, immer hier in Bockenheim.“ Noch heute befinden sich die Geschäftsräume in der Wohnung im Frankfurter Stadtteil Bockenheim. 1992 erhielt Charlotte Hesser das Bundesverdienstkreuz für die Gründung des Vereins.
Damals wie heute kann man den Verein als Familienunternehmen bezeichnen. „Er würde gar nicht mehr existieren, wenn das nicht so wäre“, sagt Ingrid Damian. Anfangs half Ingrid Damian mit ihren beiden Schwestern ihrer Mutter. Auch andere Familienangehörige waren im Laufe der Zeit immer eingebunden, es kamen zudem externe Mitarbeiter dazu. Seit 2017 führt Ingrids Tochter Mona die Geschäfte in Frankfurt, ihr Bruder leitet die Geschäftsstelle in Berlin. Daneben hat der Verein auch Geschäftsstellen in Hamburg und Köln und Regionalbüros an fünf weiteren Standorten. 40 Mitarbeiter habe der Verein in den Büros, erläutert Mona Damian.
Diese kümmern sich um die Vermittlung von Betreuungspersonen an Familien, Alleinerziehende, Senioren und Menschen, die Bedarf an Unterstützung haben. „Der Klassiker ist die Mutter, die einen gebrochenen Arm hat und eine Haushaltshilfe braucht, alleinerziehende Mütter und Väter oder ältere Menschen, die nicht ins Pflegeheim möchten, sondern, solange es geht, zu Hause betreut werden möchten“, erklärt Mona Damian. Gerade für ältere Menschen biete sich der Notmütterdienst als Ergänzung zum Pflegedienst an: „Für die Kommunikation oder wenn man jemanden braucht, der einen zum Arzt begleitet oder Einkäufe tätigt oder was auch immer.“
An die 600 Einsätze liefen derzeit in ganz Deutschland. 700 bis 800 selbstständige Betreuungspersonen, die für Aufträge infrage kommen, hat der Verein an allen Standorten zur Verfügung. Allein in Frankfurt sind es laut Mona Damian um die 300. Viele von ihnen steckten viel Herzblut in ihre Arbeit, erzählen die beiden Damian-Frauen. Der Großteil der selbstständigen Betreuungspersonen seien Frauen, es gebe allerdings auch Männer, die „seit Jahren dabei sind“, sagt Ingrid Damian.
Spendengelder werden gebraucht
Der Verein sei allerdings kein Notdienst: Manchmal könne man Aufträge in besonderen Notsituationen auch schon innerhalb von ein oder zwei Tagen realisieren. Oftmals rechnen sie aber mit rund einer Woche Vorlaufzeit. Neben dem Notmütterdienst gibt es auch andere Sozialunternehmen in Deutschland, die Ehrenamtler oder Selbstständige vermitteln. Die Wellcome gGmbH etwa ist eine bundesweit tätige Non-Profit-Organisation für die Vermittlung von Ehrenamtlichen zur Entlastung junger Eltern.
Wer eine Betreuungsperson durch den Verein privat in Anspruch nehmen will, zahlt zwischen 25 und 30 Euro in der Stunde, sagt Mona Damian. In den meisten Fällen gibt es jedoch einen Kostenträger, der für die Hilfe aufkommt – meist sind das Kranken- oder Sozialkassen. Aus diesen Einnahmen finanziere sich der Verein vorrangig. Oft würden Krankenkassen oder andere Kostenträger allerdings erst deutlich später zahlen oder Härtefälle fänden keine Finanzierung. „Da unterstützen wir dann eben mit Spendengeldern, die wir bekommen haben.“ Davon gebe es aber bisweilen zu wenig.
Trotz der hohen Nachfrage gebe es auch andere Probleme. Der Verein spüre aktuell den Arbeitskräftemangel. Die Anfragen seien immer weiter gestiegen, die verfügbaren Betreuungspersonen aber auf einem ähnlichen Niveau geblieben. Die Selbstständigkeit schrecke viele Leute ab, meint Mona Damian. Das sei es aber, was den Verein und diese Arbeit am Laufen halte. Auch für die Betreuungspersonen ergäben sich dadurch viele Vorteile, unter anderem ein hohes Maß an Flexibilität und Selbstbestimmtheit. Sie wünscht sich zudem eine größere Würdigung der Arbeit des Vereins und der Betreuungspersonen. „Wenn wir wegbrechen, dann wird es, glaube ich, für viele schwierig.“
Die beiden Frauen sind sich einig, dass der Notmütterdienst auch in Zukunft weiter Menschen unterstützen soll – auch mit Blick auf die Anfänge. „Ich ehre die Tätigkeit meiner Mutter und meiner Eltern“, sagt Ingrid Damian. Das mache sie froh und in gewisser Weise stolz. „Es freut mich, dass wir das noch so ein bisschen in Ehren halten können.“