Wer wird der neue Vorstand der Nachwuchsorganisation? Und wie positioniert sie sich künftig zu den Grünen? Beim Bundeskongress in Leipzig geht es nicht nur um die personelle Neuausrichtung.
Die Grüne Jugend steht vor wichtigen Entscheidungen: Bei ihrem Bundeskongress in Leipzig wählt sie ab dem Nachmittag einen neuen Vorstand. In den Bewerbungsreden dürfte auch die künftige inhaltliche Ausrichtung der Nachwuchsorganisation schon anklingen. Die Grüne Jugend ist traditionell links – könnte aber mit dem Rückzug der bisherigen Führungsriege wieder etwas näher an die Partei heranrücken.
Warum der alte Vorstand geht
Ende September kam es für die Grünen Schlag auf Schlag: Zunächst kündigte der komplette Bundesvorstand der Partei mit den Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang an der Spitze seinen Rücktritt für November an. Kurz darauf erklärte der zehnköpfige Vorstand der Grünen Jugend, er werde nicht wieder kandidieren und geschlossen aus der Partei austreten.
Die Begründung: zu wenig linkes Profil bei den Grünen, zu viele Kompromisse in der Ampel-Koalition. Die Entscheidung fiel schon vor der Bekanntgabe des Rücktritts des Parteivorstandes, erklärte die Spitze der Nachwuchsorganisation um Svenja Appuhn und Katharina Stolla damals. Sie führt ihre Amtsgeschäfte noch bis zu diesem Bundeskongress zu Ende und will dann auch aus der Grünen Jugend austreten und einen „neuen, dezidiert linken Jugendverband“ gründen.
Was für Reaktionen das hervorgerufen hat
Die jungen Aussteigerinnen und Aussteiger werben unter dem Slogan „Zeit für was Neues“ für ihr Projekt. Dutzende Mitglieder aus zahlreichen Landesverbänden der Grünen Jugend haben ebenfalls ihren Austritt verkündet und sich ihnen angeschlossen, wie aus dem Instagram-Profil des Projekts hervorgeht.
Das Bedauern über den Abschied hielt sich zumindest in Teilen der Partei in Grenzen. Dort sorgten Frontalangriffe auf den Regierungskurs für Ärger und manche Vorstöße für Kopfschütteln. So hatte Stolla im Frühjahr in der Talkshow Lanz im ZDF eine Vier-Tage-Woche gefordert. Bei den Grünen, die sich ohnehin schon heftig gegen Verunglimpfungen als ideologiegetriebene Spinner wehren, die Menschen angeblich das Grillen verbieten wollen, lösten solche Auftritte Kopfschütteln aus – jedenfalls bei manchen. Der scheidenden Führungsriege habe das Verständnis für den Pragmatismus und die Kompromisse gefehlt, die eine Regierungspartei mitbringen müsse, sagt ein Grüner.
Die Grüne Jugend äußerte zu Beginn ihres Kongresses am Freitagabend mehrheitlich Unmut über den Schritt und die Arbeit des Vorstands. Die Vorwürfe reichten von einer Vernachlässigung des Kernthemas Klimaschutz über eine Beteiligung an „linker Zersplitterung“ bis hin zu einem heimlichen Aufbauen einer Konkurrenzorganisation. Ein Redebeitrag Stollas wurde kurzzeitig unterbrochen, weil auf einem Banner gefordert wurde, den Bundesvorstand nicht zu entlasten. Kurz darauf stimmten die Mitglieder dann auch gegen eine politische Entlastung des Vorstands. Die Entscheidung hat keine Konsequenzen, aber symbolische Wirkung.
Wie es bei der Grünen Jugend weitergeht
Sarah Linker aus dem hessischen Landesvorstand der Grünen Jugend bekräftigte in ihrer Eröffnungsrede unter lautem Applaus: „Die Grüne Jugend bleibt“. Auch Timon Dzienus – früherer Bundesvorsitzender der Grünen Jugend – sagte: „Gerade jetzt, gerade in diesen Tagen, da braucht es eine starke, eine mutige und eine laute Grüne Jugend.“
Jette Nietzard und Jakob Blasel betonen in ihren Bewerbungen um den Vorsitz der Nachwuchsorganisation das Selbstverständnis einer linken Parteijugend. „Ich verstehe die Kritik an der Ampel und an den Grünen von denen, die gehen und teile sie ausdrücklich“, erklärt der 24-jährige Blasel. Er zählt zu den bekannteren Gesichtern der Klimabewegung Fridays for Future und betont: „Wer unsere Zukunftsangst ernst nimmt, darf sich nicht beim ersten Gegenwind zum Klimaschutz wegducken.“ Man müsse Lösungen finden, „die sozial absichern und die Reichen zur Kasse bitten“. An keinem Ort setzten sich so viele junge Menschen für linke Politik ein wie bei der Grünen Jugend. Deshalb bleibe er.
Die 25-jährige Nietzard erklärt in ihrer Bewerbung, sie stehe für das Selbstverständnis einer Parteijugend, die in die Partei hinein wirke und in Bewegungen aktiv sei. Gemeinsam werde man die Grünen nach links schieben. Nietzard ist bei den als besonders links bekannten Berliner Grünen aktiv, engagiert sich für Geflüchtete und arbeitet beim Deutschen Kinderhilfswerk.
Bis zur Wahl des neuen Führungsduos können noch weitere Kandidaturen hinzukommen. Der Bundeskongress unter dem Motto „Schluss mit Krise – Holen wir uns die Zukunft zurück!“ geht bis Sonntag. Am Samstagabend soll die amtierende Parteichefin der Grünen Ricarda Lang zu den rund 800 angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern sprechen.
Informationen zum Bundeskongress