Die Mieten steigen sehr viel schneller als die Löhne. Die Verlängerung der Mietpreisbremse löst das Problem nicht, weil sie die Haupttreiber ausspart
Kaum ein Thema taugt so zum sozialen Sprengstoff wie das Wohnen: Wohnen müssen alle, egal ob Mieter oder Eigentümer. Deshalb sollte Wohnraum auch für alle Menschen bezahlbar sein. In letzter Zeit aber ist in der Hinsicht einiges ins Rutschen geraten. Mehrere Jahre lang klagten jene, die sich Wohneigentum kaufen wollten, dass die Preise im jüngsten Immobilienboom so enorm in die Höhe schossen. Grundstückspreise und Baukosten vervielfachten sich, die enorm gestiegenen Kreditzinsen taten ihr Übriges. Den Haus- oder Wohnungskauf könne man sich heute selbst als Gutverdiener kaum noch leisten, sagen selbst Immobilienökonomen. Und bald kann man das wohl auch übers Mieten sagen.
Denn weil viele Kaufwillige sich das Kaufen nicht mehr leisten können, bleiben sie Mieter. Und drängen damit zusätzlich auf einen Markt, der ohnehin immer kleiner wird: Weil der Zuzug in die Großstädte anhält; weil immer mehr Menschen allein oder höchstens zu zweit wohnen und deshalb die Zahl der Haushalte zunimmt; und weil der dringend benötigte Neubau faktisch kaum noch stattfindet. Deshalb steigen nun zwar nicht mehr die Kaufpreise, aber dafür die Mieten vielerorts enorm. Allein von 2020 bis 2024 legten sie um 8 Prozent zu, laut Zahlen des Statistischen Bundesamts. Verglichen mit 2015 zahlen viele Mieter jetzt im Schnitt sogar rund 30 Prozent mehr.
Nur eines stieg in diesem Zeitraum nicht: die Reallöhne. Rechnet man die Inflation heraus, verdienen Bundesbürger heute exakt so viel wie vor acht Jahren. Dafür haben sich neben den Mieten auch Strom und Gas verteuert, also die Wohnnebenkosten um rund 50 Prozent, Lebensmittel um knapp 20 Prozent. Die Einkommen legten nominal nur 21 Prozent zu, also weit weniger als die Gesamtkosten fürs Wohnen. Kein Wunder, dass die Mietbelastungsquote seit Jahren steigt, wie Wirtschaftsforschungsinstitute feststellen.
Viele Mieter sind bereits überlastet
Rund 28 Prozent ihres Nettoeinkommens geben Haushalte hierzulande im Schnitt nur für die Nettokaltmiete plus Betriebskosten aus – ohne Strom und Heizung. Bei rund drei Millionen Haushalten sind es sogar über 40 Prozent des Netto, damit gelten sie klar als finanziell überlastet. Das sind immerhin 16 Prozent aller Mieterhaushalte. Bei den Einpersonenhaushalten liegt sogar jeder Vierte über der kritischen Schwelle, bei den Alleinerziehenden jeder Dritte. Unter den Wenigverdienern kann fast jeder Zweite die Miete im Grunde nicht mehr tragen, weil sie mehr als 40 Prozent vom Einkommen frisst.
Wenn man solche Zahlen hört, scheint eine Begrenzung der weiteren Mietanstiege wie eine gute Idee. Die Bundesregierung soll beschlossen haben, die Mietpreisbremse bis Ende 2028 zu verlängern. Sie besagt, dass bei Neuvermietungen die Miethöhe maximal 10 Prozent über dem ortsüblichen Mietniveau liegen darf. Zudem gilt die Kappungsgrenze, wonach Bestandsmieten höchstens um 15 Prozent alle drei Jahre angehoben werden dürfen. Das Problem ist nur: Beides hilft nicht.
Warum? Mal abgesehen davon, dass die Einkommen nicht jedes Jahr um fünf Prozent steigen und selbst die Kappungsgrenze daher Mieter überfordert, wenn ein Vermieter alle drei Jahre den Maximalbetrag ausreizt: Es gibt einige Gründe, weswegen die Mietpreisbremse zwar schön gedacht ist, aber tatsächlich den Markt nicht besser macht.
Möblierte Wohnungen treiben die Preise
Ein Hauptgrund: Die Bremse betrifft weder Neubauten noch möblierte Wohnungen. Früher wurden rund 3,5 Prozent der inserierten Wohnungen in Großstädten möbliert vermietet – bis 2015, als die Mietpreisbremse eingeführt wurde. Inzwischen sind es rund 20 Prozent, in Hochpreisstädten wie München und Stuttgart sogar fast jede dritte Wohnung, so sagt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Oft heißt möbliert dabei: Der Eigentümer hat ein Bett und ein Sofa samt Esstisch in die Wohnung gestellt. Und für diese möblierten Wohnungen verlangten die Vermieter im Schnitt 38 Prozent mehr als andere Vermieter.
Was die Einigung zur Preisbremse für Mieter bedeutet 17:15
Dass bei Neubauwohnungen die Preise sozusagen nach oben offen sind, nutzen die Anbieter ebenfalls aus, um sich für die horrenden Baukosten derzeit entschädigen zu lassen.
Und es gibt immer jemanden, der das bezahlt. Denn viele Zuzügler in die Großstädte sind hochbezahlte Fachkräfte, die von Techunternehmen, Wirtschaftsberatungen, Anwaltskanzleien, Finanzdienstleistern oder Industrieunternehmen angeheuert werden. Und deren Firmen leisten oft sogar einen Mietzuschuss oder zahlen entsprechend höhere Gehälter, damit sich ihre Angestellten auch an Hochmietwohnorten noch ordentliche Wohnungen leisten können. Das treibt enorm die Preise. Und die Mietspiegel.
Die Mieten steigen im Neubau und Bestand
Deshalb steigen trotz Mietpreisbremse – die ja nur für Neuverträge gilt – auch die Bestandsmieten stark weiter. Denn jede Neuvermietung und Mieterhöhung der vergangenen Jahre geht in die örtlichen Mietspiegel ein. Die jahrelang moderaten Bestandsmieten dagegen nicht. Das sorgt dafür, dass auch bei langjährig Wohnenden die Mieten derzeit stark angehoben werden können. Weil die explodierten Neumieten die Niveaus stark nach oben gehoben haben.
Zudem bewirkt auch der energetische Modernisierungszwang, dass immer mehr günstige Wohnungen teuer umgerüstet werden – und anschließend ebenfalls teurer auf dem Mietmarkt kommen. Bei umfangreichen Modernisierungen greift die Mietpreisbremse nämlich ebenfalls nicht. Nun ist Energiesparen generell eine gute Sache und im Sinne der Bewohner: Zur Begrenzung der Gesamtwohnkosten aber trägt es dank solcher Regelungen nicht bei.
Neubau hilft besser als Mietpreisbremse
Das Einzige, was die Mieten in den umkämpften Großstädten wirklich einhegen könnte, das wäre der Neubau. Den aber wollen die Investoren momentan nicht anschieben, weil ihnen die Kosten zu unkalkulierbar geworden sind. Und die Städte schaffen seit Jahren nur wenig neues Bauland, weil sie den Widerstand von Bürgerbewegungen fürchten, die Überlastung öffentlicher Verkehrsanbindungen oder schlicht nicht das Personal haben, um Bauanträge schneller zu bearbeiten. Und weil viele Kommunen immer noch Bauland zum Höchstpreis verkaufen, sodass sich der Neubau nur rechnet, wenn darauf Luxusprojekte entstehen.
Solange viel zu wenige neue Wohneinheiten geschaffen werden, aber gleichzeitig immer mehr Wohnraum nachgefragt wird, kann die Mietpreisbremse nur eines sein: Eine Vorschrift, die auf dem Markt keine Wirkung entfalten kann. Der reagiert nämlich auf Angebot und Nachfrage, nicht auf künstliche Preisgrenzen.
Die Bremse ist nur der verzweifelte Versuch der Politik, irgendeine Antwort auf die große soziale Frage in diesem Land zu geben. Die richtige Antwort aber wäre: Löst endlich die vielen anderen Bremsen, die den Wohnungsbau derzeit zum Stillstand gebracht haben. Schafft überbordende Standards ab, damit wieder unkomplizierter und billiger gebaut werden kann. Weist neues Bauland aus, damit endlich mehr Wohnraum entstehen kann. Und fördert endlich den Bau von Mietwohnungen auch stärker finanziell. Denn nur mehr Angebot sorgt für kleinere Preise.