Die Linke sieht sich selbst in einer „existenzbedrohenden Situation“. Jetzt versucht sie, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. So ist die Ausgangslage beim Bundesparteitag in Halle.
Die Linke sucht bei einem dreitägigen Bundesparteitag in Halle in Sachsen-Anhalt einen Ausweg aus ihrer tiefen Krise. Nach einer Serie von Wahlniederlagen verabschieden sich die beiden Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler mit einer Generaldebatte, bevor am Samstag ein neuer Vorstand gewählt wird. Favoriten für die Nachfolge sind die Publizistin Ines Schwerdtner und der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken.
Ein Leitantrag mit dem Titel „Gegen den Strom“ legt die Schwerpunkte auf Umverteilung, soziale Sicherheit bei Rente, Gesundheit, Pflege, Löhne und Mieten. Zugleich bekennt sich das Papier zu Migration und Asylrecht, zu Klimaschutz und zu diplomatischen Bemühungen für Frieden.
Der Nahost-Konflikt und der Kampf gegen Antisemitismus ist ebenfalls Thema auf dem Parteitag und könnte für Streit sorgen. Schwerdtner und van Aken warnten im „Spiegel“ vor Verharmlosung der Hamas. „Wer nicht begreift, dass der Angriff der Hamas ein Terroranschlag war, der mit Befreiungskampf nichts zu tun hat, vertritt für mich keine linke Position“, sagte van Aken.
Intern ungeklärt ist auch das Thema bedingungsloses Grundeinkommen. Zudem gibt es Anträge zur Begrenzung der Abgeordnetendiäten und von Mandaten in Parlamenten auf grundsätzlich zwei Legislaturperioden.
Drei Probleme
„Die Linke ist zweifellos in einer gefährlichen, existenzbedrohenden Situation“, heißt es im Entwurf des Leitantrags. Das hat im Wesentlichen drei Gründe:
– Vor einem Jahr begann die frühere Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht die Gründung ihrer eigenen Partei. Vorangegangen war jahrelanger Streit mit Wissler und Schirdewan und eine Dauerdebatte, ob und wie die Spaltung aufzuhalten ist.
– Linke Themen wie Steuererhöhungen für Reiche, Abschaffung der Schuldenbremse, höhere Sozialleistungen oder ehrgeizige Klimaziele haben öffentlich kaum Konjunktur. Sie stehen im Schatten der Diskussion um eine Begrenzung der Migration und um den Krieg in der Ukraine, mit denen das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD Erfolg bei Wahlen hatten.
– Die Linke scheiterte schon bei der Bundestagswahl 2021 an der Fünf-Prozent-Hürde und erlebt seitdem eine Wahlschlappe nach der anderen. Zuletzt verlor sie bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stark. In Brandenburg flog sie erstmals seit der Deutschen Einheit 1990 aus einem ostdeutschen Parlament.
Drei Lösungsansätze
– Die Partei möchte sich auf einige wenige soziale Themen konzentrieren und Menschen bei Alltagsproblemen Hilfe versprechen. Ein Beispiel wäre die Forderung nach einem Mietendeckel gegen wachsende Kosten für Wohnraum. In einem Jahr solle jeder Wähler und jede Wählerin wieder wissen, wofür die Linke genau stehe, heißt es in der Partei.
– Als Modell für einen erfolgreichen Wahlkampf gilt der Leipziger Kandidat Nam Duy Nguyen, der mit Helfern an Tausenden Haustüren klingelte und so ein Direktmandat für den sächsischen Landtag errang. Derselbe Ansatz soll bundesweit helfen: Reden und zuhören, was Wählerinnen und Wähler wirklich wollen. Die Partei sieht das als Konter gegen Populisten, die aus ihrer Sicht Volksnähe nur behaupten.
– Die Linke macht sich Mut mit den vielen neuen Mitgliedern, die in den vergangenen Monaten beigetreten sind. Nach Angaben der scheidenden Vorsitzenden Wissler waren es seit Oktober 2023 mehr als 10.000. Allerdings waren vorher auch Scharen von Mitgliedern ausgetreten. Nach Parteiangaben gehören der Linken derzeit gut 52.600 Mitglieder an. Ende 2022 waren es noch gut 54.200.
Das Ziel: Fraktionsstärke im Bundestag
Erklärtes Ziel der Linken ist, nach der nächsten Wahl wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen. Derzeit liegt sie bundesweit in Umfragen bei nur drei bis vier Prozent. Mitregieren im Bund ist für die Linke aus Sicht des möglichen Führungsduos Schwerdtner und Van Aken derzeit kein Thema. „Es gibt mit Grünen und SPD schlicht zu wenig Überschneidungen“, sagte Schwerdtner dem „Spiegel“. Auf Länderebene müsse man im Einzelfall schauen, wo was passen könne.
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