Was in Thüringen und Brandenburg schon läuft, deutet sich nun auch in Sachsen an: Sondierungen mit Blick auf eine gemeinsame Regierung. Ein Papier kann als Grundlage dienen, dass es weitergeht.
CDU, SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) haben die erste Hürde für die Bildung einer gemeinsamen sächsischen Regierung genommen. Nachdem am Mittwochabend mehrere „Kennenlerngespräche“ endeten, sollen nun zeitnah die Landesvorstände der Parteien offiziell über die Aufnahme von Sondierungen entscheiden. Es bestehen allerdings kaum Zweifel daran, dass dieser Weg beschritten wird.
Das interne Ergebnisprotokoll der Gespräche wurde am Tag danach schon öffentlich bewertet – von den Industrie- und Handelskammern im Freistaat. Sie lobten unter anderem, dass sich die drei Parteien unisono zur sozialen Marktwirtschaft bekennen und sich für einen Bürokratieabbau einsetzen wollen. „Falls die Koalition zustande kommt, wird sie sich daran messen lassen müssen, ob sie den Amtsschimmel tatsächlich in die Schranken weist“, erklärte Kristian Kirpal, Präsident der IHK Leipzig und Sprecher der sächsischen IHK.
Gesprächsprotokoll nennt neben Einverständnis auch strittige Punkte
Das Protokoll unterteilt jedes Thema in drei Kategorien. Neben Übereinstimmungen und Bereichen mit weiterem Beratungsbedarf werden auch strittige Punkte benannt. Beim Thema Migration und Innere Sicherheit umstritten sind etwa Sachleistungen für Asylbewerber oder die von der CDU begehrte Grenzpolizei. In vielen Punkten gibt es aber auch Konsens, etwa in der Bildungspolitik, bei Gesundheit und Pflege, Entlastungen für die Landwirtschaft und einer Anpassung des Kulturraumgesetzes.
SPD ist optimistisch für eine mögliche Sondierung
Die SPD blickt optimistisch auf eine mögliche Sondierung. Was die drei so unterschiedlichen Partner verbinde, sei eine „gemeinsame Verantwortung dafür, dass dieses Land eine stabile Regierung bekommt“, sagte Parteichef Henning Homann. Die Verhandlungsgruppe der SPD will nun dem Landesvorstand der Partei vorschlagen, in Sondierungen einzutreten.
„Wir sind der festen Überzeugung, dass eine stabile Regierung die beste Form der Zusammenarbeit für Sachsen ist“, erklärte Homann. Das Land brauche eine klare Zukunftsstrategie. Das könne nur eine Mehrheitsregierung leisten. Eine Minderheitsregierung würde bedeuten, für jede einzelne politische Entscheidung eine Mehrheit im Parlament zusammenzusuchen. Das sei nicht im Interesse des Landes.
Köpping lobt angenehmen Umgang der Partner miteinander
Sozialministerin Petra Köpping, die als Spitzenkandidaten der SPD zur Landtagswahl am 1. September antrat, äußerte sich anerkennend über den angenehmen Umgang der Partner bei den zurückliegenden Gesprächen. „Bei allen ist das Bemühen sichtbar, dass wir dort gemeinsam etwas gestalten wollen. Ob das am Ende so kommt, wissen wir noch nicht.“ Bei Themen wie Bildung und Gesundheitspolitik habe man schnell Gemeinsamkeiten gefunden.
BSW-Vorsitzende sieht gute Grundlage für weitere Arbeit
BSW-Vorsitzende Sabine Zimmermann lobte die konstruktive Atmosphäre der Gespräche. Man habe „hart an den Themen gearbeitet“. Das erstellte Papier sei ein Zwischenstand. Die CDU habe etwa im Bereich der Finanzen Zugeständnisse gemacht, die SPD bei der Asylpolitik. Sie sehe in dem Papier eine gute Grundlage, um weiterzuarbeiten, sagte sie.
Bei der Landtagswahl am 1. September war die CDU mit 31,9 Prozent der Stimmen stärkste Kraft vor der AfD (30,6 Prozent) geworden. Da die Union ein Bündnis mit der AfD kategorisch ausschließt, kommt für eine Mehrheitsregierung nur ein Bündnis von CDU, BSW (11,8 Prozent) und SPD (7,3 Prozent) in Frage. Für eine Fortsetzung der alten Koalition von CDU, Grünen (5,1 Prozent) und SPD reicht es nicht.
BSW will als Neuling auf Augenhöhe mit den anderen verhandeln
Auch in Brandenburg und Thüringen sind die etablierten Parteien auf den Newcomer BSW angewiesen. Die sächsische BSW-Chefin Zimmermann hatte mehrmals klargestellt, dass sie auf Augenhöhe mit den anderen beiden Parteien zu verhandeln gedenkt. „Wir sind Neulinge, das stimmt. Aber wir bringen frischen Wind in starre Strukturen, die seit über 30 Jahren in Sachsen bestehen. Das sollte man respektieren“, hatte sie unlängst gesagt.
Beobachter rechnen damit, dass es in der Phase der Sondierung in Sachsen relativ schnell gehen könnte, weil bereits zwischen den Kennenlerngesprächen an den Themen gearbeitet wurde.
Für die weiteren Verhandlungen wird auch entscheidend sein, welchen Einfluss die Bundesparteien auf den Fortgang nehmen. CDU-Chef Friedrich Merz hatte ein Bündnis mit dem BSW noch vor kurzer Zeit als „sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich“ bezeichnet. BSW-Namensgeberin Sahra Wagenknecht preschte mit außenpolitischen Forderungen vor.