Die Kassenärztliche Vereinigung will mehrere Notfallpraxen im Südwesten schließen. Die Kritik daran reißt nicht ab. Nun machen die betroffenen Kommunen mobil – und gehen den Sozialminister scharf an.
Die Kritik an der geplanten Schließung weiterer Notfallpraxen in Baden-Württemberg reißt nicht ab. In einem Brief fordern nun 18 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) auf, zu handeln.
„Wir erwarten, dass Sie sich jetzt rasch der Sache annehmen und nicht länger untätig zusehen, wie die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) den funktionierenden ärztlichen Bereitschaftsdienst in unseren Städten und Gemeinden an die Wand fährt“, heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die von der KVBW zugrunde gelegten Kriterien für die Schließungen seien „nicht nachvollziehbar und gesamtpolitisch alarmierend“.
Luchas Ministerium müsse „rasch und ernsthaft“ prüfen, ob die KVBW noch ihren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag erfülle. „Anderenfalls entsteht doch der Eindruck, dass die KVBW machen kann, was sie will, und auch das Land Baden-Württemberg kein oder nur wenig Interesse an der Situation der Notfallversorgung in Baden-Württemberg zeigt“, schreiben die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.
Anlass der Kritik sind Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung, die Zahl der Notfallpraxen im Südwesten weiter zu verringern. Nach dpa-Informationen geht es um 17 weitere Standorte. Weil zudem auch die Stadt Tettnang (Landkreis Ravensburg) fürchtet, dass die dortige Notfallpraxis geschlossen werden könnte, haben den Brief 18 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unterzeichnet. Acht Praxen hatte die KVBW bereits im Laufe des Jahres dauerhaft geschlossen.
„Versorgung muss auch für Menschen ohne Auto funktionieren“
Wie die dpa erfuhr, soll künftig unter anderem die Regelung gelten, dass mindestens 95 Prozent der Menschen im Südwesten innerhalb von 30 Fahrminuten eine Notfallpraxis erreichen können. Alle anderen sollen maximal 45 Minuten fahren müssen.
Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister kritisieren diese Regelung scharf. Man wisse, dass die KVBW dieses Kriterium nur nachweisen könne, wenn der Weg mit dem Auto und ohne Verkehrsbeeinträchtigungen zurückgelegt werde. „Dies ist eine massive Benachteiligung der älteren und wenig begüterten Bevölkerungsteile, die kein Auto (mehr) haben“, heißt es in dem Schreiben an Lucha.
Die Fahrzeit müsse auch für den ÖPNV gelten. „Denn wir sind uns doch sicher einig, dass Notfallversorgung nicht nur für Autofahrer, sondern auch für Menschen ohne KfZ funktionieren muss.“
Eine Sprecherin des Sozialministeriums hatte erst kürzlich betont, man habe lediglich eng begrenzte Prüfmöglichkeiten. „Es gibt keine näheren gesetzlichen Vorgaben, wie der Bereitschaftsdienst zu organisieren ist. Im Gegensatz zum Rettungsdienst gibt es beispielsweise keine konkreten Hilfsfristen und bislang auch keine Vorgaben zur Erreichbarkeit der Bereitschaftspraxen.“