Die tödlichen Folgen der Jahrhundertflut 2021 sind unvergessen. Die Wassermassen richteten Milliarden-Schäden an. Eine App soll Bürger künftig über das Risiko für die eigenen vier Wände informieren.
Per App können Menschen in Nordrhein-Westfalen künftig prüfen, wie gut ihr eigenes Zuhause vor Überflutung, Starkregen oder Hochwasser geschützt ist. Die von den Wirtschaftsverbänden Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) entwickelte „Flood Check App“ werde in den kommenden Monaten landesweit ausgerollt, wie die Ministerien für Umwelt und Kommunales mitteilten. Bisher konnten nur Bürger in den Städten Bochum, Bottrop, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Herne und Herten die App nutzen.
Ziel sei es, allen Bürgerinnen und Bürgern einen schnellen und unkomplizierten Zugriff auf Informationen zur konkreten Gefährdungslage ihrer Immobilie zu ermöglichen, sagte Bau- und Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU).
NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) warnte vor plötzlich auftretenden Starkregen, die in kurzer Zeit aus sehr kleinen, oft gar nicht wahrgenommenen Gewässern, große Gefahrenpotenziale entstehen ließen. Viele Menschen hätten diese Gefahr „überhaupt nicht auf dem Schirm“, sagte Krischer. „Aber Starkregen-Überflutungen können an ganz, ganz vielen Orten auftreten.“
Tipps zum Schutz der eigenen vier Wände
Nutzer geben in die App ihre Wohnadresse ein und beantworten Fragen zur baulichen Beschaffenheit des Wohnobjektes. Daraus wird ermittelt, wie groß das Risiko möglicher Starkregen- und Hochwassergefahren für die Immobilie ist. Konkret werden mögliche Wasserstände für jeweils drei Szenarien ermittelt.
Die Nutzer bekommen auch Hinweise zum Schutz ihrer eigenen vier Wände sowie zu Verhaltensmaßnahmen bei Hochwasser. In der App können die Kommunen auch ihre Vorsorge-Aktivitäten darstellen, auf die kommunalen Starkregengefahrenkarten hinweisen und Beratungen anbieten. Das Flood-Check-Angebot ist auch im Internet abrufbar.
Die Kommunen werden den Angaben zufolge derzeit angeschrieben und um Informationen gebeten. Außerdem greift die App etwa auf öffentlich verfügbare Hochwasserkarten des Landes zu.
Maßnahmen zum Hochwasserschutz sind oft einfach
Oft reichten einfache und wenig kostspielige Mittel, um ein Haus vor Wassermassen zu schützen, sagte der EGLV-Vorstandsvorsitzende Uli Paetzel. So könne man Kellerschächte mit Glas oder Plastik abdecken, damit kein Wasser eindringen könne. Durch Anheben des Pflasters könne die Fließrichtung des Wassers geändert werden. Die App sei für jeden Bürger „ein einfaches Instrument, die eigenen Gefährdung konkret zu sehen“.
Scharrenbach wies darauf hin, dass von der Flut betroffene Bürger aus den Finanzmitteln des Wiederaufbaufonds auch vorbeugende Hochwasserschutzmaßnahmen wie etwa Flutschotts im Keller, Rückstaueinrichtungen im Gebäude oder den Einbau wasserdichter Kellerfenster finanzieren könnten. Das gelte auch, wenn der ursprüngliche Gebäudeschaden über eine Versicherung reguliert worden sei.
Die Möglichkeit, den Wiederaufbaufonds dafür in Anspruch zu nehmen, hätten aber nur von der Flut 2021 betroffene Bürger. Die Ministerin appellierte auch an andere Menschen in gefährdeten Gebieten, gegen Hochwasser vorzusorgen. „Gemessen an dem Schaden ist Eigenvorsorge viel günstiger.“ Landeseigene Zusatzprogramme seien angesichts der aktuellen Haushaltslage dagegen nicht vorstellbar.
Mehr als vier Milliarden für Wiederaufbau ausgezahlt
Anlass für die App war die Jahrhundertflut im Juli 2021, bei der allein in NRW 49 Menschen ums Leben gekommen waren. Der Starkregen und die Wasserfluten verursachten Schäden in Höhe von 13 Milliarden Euro. Nahezu die Hälfte aller Städte und Gemeinden in NRW war betroffen.
Mehr als drei Jahre nach der Flutkatastrophe hat das Land bislang mehr als vier Milliarden Euro Hilfen für den Wiederaufbau bewilligt. Davon wurden laut Bauministerium knapp 1,9 Milliarden Euro ausgezahlt, was einer Quote von 45 Prozent entspricht. Von den bewilligten Mitteln fallen rund 839 Millionen Euro auf Privatleute. Fast 82 Prozent davon seien ausgezahlt worden. Der Großteil der bewilligten Summe, rund 2,75 Milliarden Euro, ist für den Wiederaufbau beschädigter Infrastruktur vorgesehen. Hier wurde laut Ministerium etwa ein Viertel des Geldes ausgezahlt.