Auf dem Weg zu einem EU-Beitritt der Westbalkan-Staaten ist bei einem Gipfel in Berlin am Montag ein Aktionsplan für einen gemeinsamen regionalen Markt auf den Weg gebracht worden. Dieser werde helfen, die Sozial- und Arbeitsstandards zwischen den Ländern noch besser zu koordinieren, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Berlin-Prozess genannten Treffen im Bundeskanzleramt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lobte die Vereinbarung. Diese werde helfen, die Länder des westlichen Balkans schneller in den EU-Binnenmarkt zu integrieren.
Die Europäische Union hatte den sechs Westbalkanländern Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Albanien und Montenegro vor mehr als 20 Jahren eine Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Deutschland startete vor zehn Jahren den sogenannten Berlin-Prozess, um die regionale Zusammenarbeit der EU mit den Staaten zu intensivieren.
Bei dem Jubiläumstreffen seien „wichtige Fortschritte“ erreicht worden, die konkret das Leben der Bürgerinnen und Bürger in der Region erleichterten, sagte Scholz. Der nun vereinbarte Aktionsplan schließe einen Wirtschaftsraum von 17 Millionen Einwohnern ein.
Weitere einigten sich die Teilnehmer des Westbalkangipfels auf ein Mobilitätsabkommen zur Förderung des Studentenaustauschs, einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Plastikmüll sowie eine gemeinsame Erklärung, bei den Themen irreguläre Migration und organisierte Kriminalität enger zusammenzuarbeiten. Auch beim Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen Cefta wurden Fortschritte erzielt.
„All diese Beispiele zeigen, wie der Berlin-Prozess konkret dabei hilft, Grenzen zu überwinden“, betonte der Kanzler, der bereits zum Auftakt der Veranstaltung die Bedeutung der weiteren europäischen Integration der Länder dieser Region unterstrichen hatte. „Die Europäische Union ist nur vollständig mit den Ländern des westlichen Balkans in der EU“, betonte Scholz. Gleichzeitig sei die „To-Do-Liste“ bis zu einem Beitritt zur EU noch sehr lang.
„Wenn wir in die Zukunft blicken, sehen wir, dass alle sechs Länder des westlichen Balkans Teil der Europäischen Union sind“, sagte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nach dem Gipfel. Eine Bedingung dafür sei die frühe wirtschaftliche Integration, daher spiele der Berlin-Prozess eine Schlüsselrolle. „Je besser der regionale gemeinsame Markt funktioniert, desto besser werden die Wirtschaften des westlichen Balkans in unseren Binnenmarkt integriert werden“, betonte sie.
Nach Ansicht des europapolitischen Sprechers und Berichterstatters für den Westbalkan der FDP-Bundestagsfraktion, Thomas Hacker, muss auf die Verabschiedung des Aktionsplans nun eine schnelle Umsetzung folgen. „Die sehr schleppende Umsetzung der Abkommen bisher ist und bleibt die größte Schwachstelle des Berliner Prozesses“, erklärte er. Dass kosovarische Bürger immer noch ein Visum für Bosnien bräuchten, spiegle nicht den Geist des Zusammenwachsens der Region wider.
Unter den sechs Staaten des Westbalkans gilt das kleine Montenegro derzeit als aussichtsreichster Beitrittskandidat. Teilweise behindern aber regionale Konflikte den Aufnahmeprozess. So etwa im Fall von Serbien, das die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz Kosovo nicht anerkennt. Die Unabhängigkeit des Kosovo ist auch innerhalb der EU umstritten.
Bundeskanzler Scholz appellierte zu Beginn des Gipfels, es brauche eine „neue Dynamik beim Normalisierungsprozess“ zwischen Serbien und Kosovo. Die Vergangenheit dürfe beide Länder nicht „auf dem Weg in eine friedliche und wohlhabende Zukunft“ zurückhalten. Der einzige Weg in die EU führe über die vollständige Umsetzung der bereits beschlossenen Einigungen und Abkommen, fügte der Kanzler hinzu.
An dem Gipfel in Berlin nahm neben den Vertretern der Westbalkan-Staaten, der Bundesregierung und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen auch Ungarns Regierungschef Viktor Orban teil, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat.