Der gebürtige Kölner Udo Kier ist der wohl berühmteste Nebendarsteller Hollywoods. Am heutigen 14. Oktober feiert er seinen 80. Geburtstag.
Langweilig ist es Udo Kier (80) in seiner so kuriosen wie beeindruckenden Karriere bestimmt nicht geworden. Bis heute wirkte der Mann mit den unergründlich stechenden Augen in fast 250 Filmen unterschiedlichster Genres mit, hinzukommen über 100 Episoden in Fernsehserien und zahllose Jobs als Synchronsprecher. Wenn ihn die Leute interessierten, mischte er auch immer wieder mal in Musikvideos mit, wie etwa für Madonna (66) oder die Metal-Band Korn.
Autodidakt mit außergewöhnlicher Ausstrahlung
Der deutsche Hollywoodstar mit dem rheinischen Akzent gilt als Großmeister der Merkwürdigkeit – und schafft es als vielgebuchter Nebendarsteller immer wieder, mit seiner außergewöhnlichen Präsenz Filmen eine besondere Note zu verleihen. Kier hat in so vielen Filmen mitgespielt, dass es fast unmöglich ist, ihn noch nie auf der großen Leinwand gesehen zu haben, ob nun in Horror-Trash-Klassikern wie „Hexen bis aufs Blut gequält“ (1969), Meisterwerken wie Gus van Sants (72) Roadmovie „My Private Idaho“ (1991) oder schrillen Science-Fiction-Komödien wie „Iron Sky“ (2012). Selbst im „Tatort“ und beim „Polizeiruf 110“ wurde der Mann schon gesichtet.
Udo Kier hat während seiner langen Laufbahn so viele verrückte Dinge erlebt und interessante Menschen kennengelernt, dass er in Interviews oft wie eine lebende Anekdotenmaschine wirkt. Dabei hat er einige Lieblingsgeschichten, die er immer wieder gerne aus dem Hut zaubert, um deutlich zu machen, wie viele unglaubliche Zufälle seinen Weg zum Hollywoodstar säumten.
Eine Karriere voller glücklicher Zufälle
Dieser hätte beinahe schon kurz nach seiner Geburt am 14. Oktober 1944 in Köln-Mülheim ein jähes Ende gefunden, als alliierte Fliegerverbände die Stadt bombardierten und er mit seiner Mutter in den Trümmern des Krankenhauses verschüttet wurde.
Mit dem Krieg habe auch seine Entdeckung als Schauspieler zu tun. Da er in seiner von Armut geprägten Kindheit keine weiterführende Schule besuchen konnte, zog er 1963 nach London, um dort Englisch zu lernen und sich als Tellerwäscher durchzuschlagen. Wie er unter anderem in der Arte-Doku „Der wunderbare Udo Kier“ berichtet, sei er dort eines Tages mitten auf der Straße angesprochen worden und habe ohne jegliche Schauspielerfahrung sofort die Gigolo-Hauptrolle in Michael Sarnes (84) „Road to St. Tropez“ (1966) verpasst bekommen.
Ein paar Jahre und seltsame Filme später eröffnete ihm ein weiterer Zufall erste Türen in die USA, als sich sein Sitznachbar im Flugzeug als Andy Warhols (1929-1987) rechte Hand Paul Morrissey (86) entpuppte. Dieser war von dem charismatischen Herumtreiber derartig beeindruckt, dass er sich seine Telefonnummer in seinem Reisepass notierte und ihn nach seiner Rückkehr nach New York umgehend anrief. Sein Angebot: eine kleine Rolle in seinem nächsten Spielfilmprojekt „Andy Warhols Frankenstein“. Als Kier nachhakte, um welche Rolle es sich denn handle, kam zur Antwort: „Frankenstein.“
Warhol-Dracula mit deutschem Akzent
Beeindruckt von Udos eigenartiger Schönheit, seinem naiv-abgründigen deutschen Akzent und seiner intensiven Performance in dem kultigen Underground-Trash-Streifen, setzte Morrissey den seltsamen Kölner auch noch als Hauptdarsteller für sein nächstes Projekt „Andy Warhols Dracula“ (1974) ein.
Zurück in Europa nutzte Kier seinen ersten Ruhm für weitere Coups, sorgte mit seiner Hauptrolle in dem französischen Sado-Maso-Skandalfilm „Die Geschichte der O“ (1975) für Schlagzeilen und wirkte dann bis Anfang der 1980er in mehreren Filmen von Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) mit – den er natürlich der Legende nach schon als Teenager in einer Kölner Spelunke kennengelernt und später zufälligerweise wiedergetroffen habe.
Endgültiger Durchbruch mit „My Private Idaho“
Nach mehreren Filmen mit Star-Regisseur Lars von Trier (68) und schrägen Rollen in Christoph Schlingensiefs (1960-2010) cineastischen Irrsinnsprojekten wie „Das deutsche Kettensägenmassaker“, sorgte 1991 seine Darstellung des exzentrischen deutschen Freiers Hans Klein in Gus van Sants „My Private Idaho“, an der Seite der blutjungen Nachwuchsstars Keanu Reeves (60) und River Phoenix (1970-1993), für Kiers endgültigen Durchbruch in Hollywood. Nach der Premiere des Films blieb er einfach in den USA, um dort richtig durchzustarten.
Es folgten Produktionen mit großen Regisseuren wie Steven Spielberg (77), in dessen Science-Fiction-Serie „seaQuest DSV“ er mitwirkte, sowie größere Rollen in Blockbustern wie „Ace Ventura – Ein tierischer Detektiv“ an der Seite des Komödien-Superstars Jim Carrey (62). Zwischen seinen zahlreichen Engagements in seiner neuen Heimat, in denen er neben Superstars wie Nicole Kidman (57), Wesley Snipes (62), Bruce Willis (69), Christoph Waltz (68) oder Arnold Schwarzenegger (77) zu sehen war, mischte er auch weiterhin in großen und kleinen Produktionen europäischer Regisseure wie Wim Wenders (79), Lars von Trier, Fatih Akin (51) oder Christoph Schlingensief mit.
Exzentrisches Alterswerk „Swan Song“
Nach vielen Nebenrollen durfte Udo Kier 2021 in Todd Stephens Filmdrama „Swan Song“ noch einmal in einer Hauptrolle seine Fähigkeiten als vielschichtiger Charakterdarsteller unter Beweis stellen. Die Rolle bescherte ihm seinen bislang größten Erfolg und hatte ihm auf Anhieb gefallen: In dem Werk verkörpert er einen ehemaligen Star-Friseur, der nach einer unerwarteten Erbschaft aus seinem Seniorenheim flieht, um sich auf eine letzte exzentrische Reise zu machen.