Todesfall: Ehemaliger Landtagspräsident Rainer Prachtl gestorben

Sein Motto war „Menschlichkeit ist machbar“. Neben seiner Funktion als Landtagspräsident bis 1998 engagierte sich Rainer Prachtl im 1991 gegründeten Dreikönigsverein – bis zuletzt als Vorsitzender.

Der frühere Landtagspräsident Mecklenburg-Vorpommerns, Rainer Prachtl (CDU), ist tot. Der Vorsitzende des Neubrandenburger Dreikönigsvereins sei in der Nacht zum Sonnabend „völlig unerwartet“ im Alter von 74 Jahren gestorben, teilte der Verein mit.

Politiker mehrerer Parteien würdigten Leben und Wirken des CDU-Politikers, der bis 2006 Mitglied des Landtags war. „Mit Rainer Prachtl verliert der Verein seinen Gründungsvater – eine Führungsfigur und Spiritus Rector. Sein Tod reißt eine große Lücke nicht nur in den Verein, sondern auch in die Stadtgesellschaft Neubrandenburgs und darüber hinaus“, heißt es in der Mitteilung. 

Erster Landtagspräsident nach der Wiedervereinigung

Prachtl war von 1990 bis 1998 erster Landtagspräsident nach der Wiedervereinigung und gestaltete maßgeblich die Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern mit. Gerade in den ersten Jahren nach der Neugründung des Bundeslandes machte er sich für die demokratische Umgestaltung stark und bezog auch außerparlamentarische Kräfte mit ein. Im Landtag sorgte er mit Beharrlichkeit und Humor dafür, dass sich die Gemüter in hitzigen Debatten schnell wieder beruhigten. 

Bekanntheit und Respekt erlangte der gelernte Koch auch als Buchautor und selbstloser Interessenvertreter sozial benachteiligter Menschen. Für die jährlichen Veranstaltungen des Dreikönigsvereins holte er unter anderem Michail Gorbatschow, Hans-Dietrich Genscher, Angela Merkel und Lothar de Maizière als Gäste nach Neubrandenburg

Trauer über Parteigrenzen hinweg  

„Mit tiefer Trauer nehmen wir Abschied von Rainer Prachtl, einem herausragenden Staatsmann, leidenschaftlichen Parlamentarier und aufrichtigen Demokraten“, sagte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Daniel Peters. Rainer Prachtl sei ein Mann der ersten Stunde der friedlichen Revolution im Osten Deutschlands gewesen. Mit Mut und Überzeugungskraft habe er in den entscheidenden Momenten der sogenannten Wendezeit daran mitgewirkt, das Fundament für die Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern zu legen. 

Rainer Prachtl habe den Aufbau des Landes Mecklenburg-Vorpommern entscheidend geprägt, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). „Er hat sich insbesondere als Landtagspräsident und mit seiner ehrenamtlichen Arbeit um unser Land verdient gemacht“, betonte die Regierungschefin. Sie habe Prachtl sehr geschätzt und gemocht, die Nachricht von seinem Tod mache sie sehr traurig. „Sein soziales Engagement hat mich immer besonders beeindruckt. Mit dem Neubrandenburger Dreikönigsverein hat er vor allem Spenden für die Hospizarbeit gesammelt und so ermöglicht, dass schwerstkranke Menschen in ihren letzten Tagen ebenso wie ihre Angehörigen begleitet werden“, erklärte Schwesig.

Auch führende Vertreter von AfD, SPD, FDP und Grünen im Landtag verwiesen auf die Leistungen Prachtls und würdigten dessen Engagement für das Gemeinwohl. Die amtierende Landtagspräsidentin Birgit Hesse verwies darauf, dass Prachtl „an maßgeblicher Stelle und stets überparteilich“ daran mitgewirkt habe, dem Bundesland Gestalt zu geben. Als Beispiele nannte sie den Beschluss über den Sitz von Landtag und Landesregierung, das Herstellen der Arbeitsfähigkeit des Landtags der 1. Wahlperiode und nicht zuletzt Prachtls Wirken als Vorsitzender der Verfassungskommission. „Rainer Prachtl wird fehlen – als wichtiger Zeitzeuge der Gründungsjahre unseres Bundeslandes, als Ratgeber und nicht zuletzt als Mensch mit klarem moralischem Kompass“, sagte Hesse.

Christ und Humanist 

Prachtl wurde am 15. Januar 1950 in der Viertorestadt geboren. Geprägt von seinem katholischen Elternhaus war er schon mit zehn Jahren Lektor beim Gottesdienst, später Messdiener. Weil ihm als Gläubigem der direkte Weg zum Studium über das Abitur in der DDR verwehrt blieb, absolvierte er eine Lehre als Koch und holte das Abitur auf der Abendschule nach. Später machte er seinen Abschluss als Diplomökonom in Leipzig. Zusammen mit anderen christlich und humanistisch geprägten Menschen gründete er 1991 den Dreikönigsverein und führte ihn bis zuletzt als Vorsitzender. 

Sein Motto: „Menschlichkeit ist machbar“

„Von ihm gingen die entscheidenden Ideen aus, die die größtenteils ehrenamtliche Arbeit des Vereins bis heute prägen“, hieß es. Dazu zählten die jährlichen Benefizveranstaltungen zum Dreikönigstag am 6. Januar, die Organisation von Israelreisen für Jugendliche aus Mecklenburg-Vorpommern, die Verleihung des Siemerling-Sozialpreises sowie die ambulante und stationäre Hospizarbeit in der Trägerschaft des Vereins.

„Bei allen auf diesem langen Weg zu bewältigenden Schwierigkeiten war der Menschenfreund Rainer Prachtl immer davon überzeugt: „Menschlichkeit ist machbar““, sagte Manfred Dachner, der stellvertretende Vorsitzende des Dreikönigsvereins.