HAPPY BIRTHDAY: Zeitlos wie ihre Brille – Nana Mouskouri sieht den 90. Geburtstag entspannt

Sie kann Folk, Jazz und Rock. Mit nun 90 Jahren stört es sie trotzdem gar nicht, als Schlagersängerin zu gelten. Ein Rückblick auf die Anfänge.

Nana Mouskouri, Ihre Karriere begann ohne Publikum.
In einem Kinosaal, um genau zu sein. Mein Vater war Filmvorführer, in den 30er Jahren gab es zum Film bei uns noch ein Orchester, das live spielte. Im Projektorraum standen all die Instrumente herum, das faszinierte mich sehr. Wann immer ich konnte, schlich ich in den leeren Saal, sang vorn auf dieser kleinen Bühne und machte Ansagen zwischendurch. Ich fand das einfach großartig. Es gab mir sehr früh die Möglichkeit, mich auszudrücken.

Hatten Sie damals schon einen Lieblingsfilm?
„Der Zauberer von Oz“ mit Judy Garland. Ich fühlte mit ihr, ein Mädchen, das allen Hindernissen zum Trotz sein Weg geht. Irgendwann wurde mir klar, dass ich es auch nur so handhaben konnte. Ich musste meinem Herzen folgen und mich der Musik widmen. Meine Eltern waren vielleicht nicht sehr gebildet, aber sie glaubten fest daran, dass man es mit Ehrgeiz und Fleiß zu etwas bringen kann. Diese Einstellung habe ich von ihnen übernommen, umgekehrt haben sich mich immer unterstützt.

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Sie studierten klassischen Gesang, das Konservatorium verließen sie später jedoch, weil ihr Herz mehr für den Jazz als die Klassik schlug.
Ich sang alles Mögliche, auch viel Folkmusik, bis irgendwann Elvis Presley populär wurde, den fand ich großartig. Ich habe dann angefangen, in Jazzgruppen zu singen. Das war die Zeit, als mir klar wurde, dass Musik mein Lebensweg sein würde. Meine Eltern stellten nur eine Bedingung: Ich müsse mir selbst treu bleiben.

Anfang der 60er landen Sie auf Umwegen ihren ersten Hit. Wie kam es dazu?
Wolfgang Müller-Sehn, ein deutscher Regisseur reiste nach Griechenland, um eine Dokumentation über das Land zu drehen. Für die Musik sollte Manos Hadjidakis, ein sehr erfolgreicher Komponist, sorgen, mit dem ich wiederum bereits zusammengearbeitet hatte. Ich nahm fünf Lieder auf, mit Texten des griechischen Poeten Nikos Gatsos. „Traumland der Sehnsucht“, so hieß der Film, gewann 1961 schließlich den Silbernen Bären bei der Berlinale. Also kam man auf die Idee, ob ich nicht zwei Lieder aus diesem Film in Deutsch aufnehmen sollte. Einer davon war „Weiße Rosen aus Athen“. Zwei Monate später stand er auf Platz 1 der deutschen Charts.

Ihre Eltern waren engagierte Anti-Faschisten, den Durchbruch erlebten sie ausgerechnet im Nachkriegs-Deutschland.
Bei allem Engagement hatten meine Eltern mir eines immer klargemacht: Es geht nicht gegen die Menschen, es geht um politische Dinge, die falsch laufen. Dennoch war Berlin erst einmal ein Schock. Wir nahmen im Hansa-Studio in der Nähe des Potsdamer Platzes auf. Als ich vor die Tür trat, war da die Mauer. Der Anblick erschütterte mich zutiefst. Auf der anderen Seite sah ich Menschen an den Fenstern, die weinten und mit Taschentüchern winkten. Mich prägte das sehr, es führte mir noch einmal vor Augen, wieviel Schmerz ein Krieg auslöst, wie sehr die Menschen leiden. Als die Mauer fiel, war das auch für mich ein Traum, der wahr wurde. Frieden ist das höchste Gut, das steht unumstößlich fest.

Musikalisch ging es für Sie danach Schlag auf Schlag.
Ich gab Konzerte in Großbritannien, in Skandinavien, für Luxemburg trat ich beim Eurovision Song Contest an und belegte den achten Platz. Ich lernte Leute wie den Komponisten Michel Legrand kennen, der mit mir zusammenarbeiten wollte. Und Quincy Jones, der ganz trocken zu mir sagte: „Komm’ mit in die USA. Wenn du es in Europa schaffst, warum nicht auch bei uns?“ Also ging ich in die USA und nahm dort einige großartige Platten auf. 

Dort geblieben sind sie nicht.
Quincy sagte irgendwann zu mir, Baby – in den USA sagten sie immerzu „Baby“ – er sagte also, Baby, du solltest hier bleiben, für deine Karriere wäre das am besten. Ich sagte zu ihm, Quincy, das geht nicht. Ich bin im Herzen eine Europäerin. Ich liebe Amerika, ich komme gern hierher, aber als Europäerin. Tja, da konnte auch Quincy Jones nichts machen. Ich bin also zurück nach Europa, später dann wieder in die USA und habe dort unter anderem Platten mit Harry Belafonte aufgenommen.

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Sie freundeten sich auch mit Bob Dylan an.
Oh ja, wir lernten uns kennen und verstanden uns auf Anhieb. Er stellte mich Leonard Cohen vor, wir freundeten uns ebenfalls an. Dylan und Cohen sind absolute Lieblingskünstler von mir. In den Staaten habe ich eine Menge Klassik gesungen, Gershwin und solche Sachen, aber eben auch Dylan. Damals war er auf gewisse Weise ein bisschen Punk und zugleich ein Folkie. Das gefiel mir.

Denken Sie manchmal, dass man Sie in Deutschland zuweilen etwas verkannt hat? Sie stehen auf Dylan und Cohen, hier geht es immer wieder um die „Weißen Rosen aus Athen“?
Ich habe kein Problem damit, wenn die Leute mich mit dem Lied als Schlagersängerin bezeichnen. Wir haben alle unsere verschiedenen Stile, einer davon ist „Weiße Rosen aus Athen“. Die Deutschen haben es damals in ihr Herz geschlossen, das ist doch großartig. Ich habe Folklieder gesungen, ich habe deutsche Schlager gesungen, mit Chören zusammengearbeitet, alles von Kinderliedern bis Rock’n’Roll …

Ein gutes Stichwort. Auf dem Innencover ihres Albums „Tu M’Oublies“ von 1986 sind sie in Lederkluft auf einem fetten Motorrad abgebildet. Sie sehen aus wie ein Rocker.
Ich bin ein Rocker. (lacht) Wenn man über so lange Zeit Erfolg hat, dann probiert man halt auch mal etwas Ausgefalleneres. Das war so ein Moment damals. Warum auch nicht?

Vita

Haben Sie ein Tattoo?
Auch ohne Tattoo bin ich ein Rocker (lacht ).

Auf der Rückseite des Covers noch ein ungewöhnliches Motiv: Nana Mouskouri ohne Brille.
Oh ja, ich erinnere mich. (lacht) Das gab es immer wieder mal, dass Leute auf die Idee kamen, mir die  Brille auszureden. Harry Belafonte war ein besonders prominenter Fall. Wir waren Mitte der 60er Jahre zusammen auf Tour. Er sprach mich irgendwann an und meinte, ob ich nicht vielleicht auf die Brille verzichten wollte. Ich sagte zu ihm, Harry, das ist nicht irgendeine Marotte, ich trage das Teil, um besser sehen zu können. Wenn dir das nicht passt, dann gehe ich, aber wenn du willst, dass ich bleibe, dann nur mit der Brille. Abends nach der Show kam er zu mir und meinte, ich hätte wohl recht, es geht nur mit Brille. Lustigerweise nahmen wir später zusammen eine Platte auf. Beim Covershooting meinte der Fotograf, ich solle doch mal die Brille abnehmen. Da war es Belafonte, der darauf bestand, dass ich sie aufbehalte.

Zum 90. Geburtstag erscheint ein neues Album – „Happy Birthday, Nana“, u.a. mit dem Royal Philharmonic Orchestra London eingespielt. Dabei gingen sie doch schon vor 20 Jahren auf Abschiedstour.
Das war einfach zu früh, ich musste zurückkommen. Gleichzeitig habe ich heute wie damals einen Gedanken: Ich will  selbst entscheiden, wann ich gehe. Aber so lange es gut läuft, so lange ich fit bin, ist es völlig egal, ob ich 90 oder noch älter bin. Musik und alles, was damit zu tun, die Lieder, die Menschen, haben mir geholfen, mich selbst zu verwirklichen, aber man muss natürlich alles geben. Ich habe eine große Schwäche für die Olympischen Spiele, die Art und Weise, wie die Athletinnen und Athletinnen sich reinhängen. Damit kann ich mich gut identifizieren. Wissen Sie, ich bin eine harte Arbeiterin.