Kann das legal sein? Jan Böhmermann nimmt sich im „ZDF Magazin Royale“ die Geschäfte Graf Gregor von Bismarcks vor, in dessen Hütte im Sachsenwald 21 Firmen residieren.
Los geht’s beim „ZDF Magazin Royale“ mit Moderator Jan Böhmermann, der auf einem Roller-Rucksack ein paar Ründchen durchs Studio dreht. Dazu leichte Klänge des „Rundfunktanzorchesters Ehrenfeld“. Doch die beschwingte Stimmung dient wohl nur dazu, den Kern seiner neuesten investigativen Recherche etwas weniger sperrig wirken zu lassen.
Dieser Kern besteht aus einem gewissen Graf Gregor von Bismarck, dem Begriff Gewerbesteuerhebesatz und der „Landgemeindeordnung für die Provinz Schleswig-Holstein“ aus dem Jahr 1892. Böhmermann geht dem Verdacht nach, dass ein Adeliger mit sehr prominentem Namen durch ein aristokratisches Gesetzes-Relikt für seine Firmen und die einiger Bekannten ein Steuersparmodell betreibt, das hart an der Grenze des Illegalen kratzt.
PAID STERN 2006_49 Die Geschichte der Deutschen Teil 5 16.15
Der Sachsenwald vor den Toren Hamburgs gilt durch das Gesetz von 1892 – nach wie vor – als „gemeindefreies Gebiet“. Gutsbesitzer ist Graf Gregor von Bismarck, ein Ururenkel des ehemaligen Reichskanzlers Bismarck. Als solcher ist er befugt, die Höhe der Gewerbesteuer festzulegen. Technisch funktioniert dies über den sogenannten Gewerbesteuerhebesatz. Er setzt ihn auf etwa die Hälfte dessen fest, was Unternehmen im benachbarten Hamburg berappen müssten.
Jan Böhmermann geht Verdacht vorgetäuschter Betriebsstätten nach
Neben Firmen der Adelsfamilie betreiben auch die Tochterfirmen der Hamburger Großunternehmen Aves One und Luxcara hier in einer Waldhütte einen Briefkasten. Insgesamt 21 Firmen sind im Sachsenwald gemeldet und dürften von der günstigen Gewerbesteuer profitieren.Böhmermann soziale Medien 22.50
Doch wo liegt nun das Problem? Juristisch wäre es verboten, durch eine vorgetäuschte Betriebsstätte die Steuervorteile im Sachsenwald zu nutzen, wenn die eigentlichen Geschäfte ganz woanders passieren. Ob sich der Verdacht gegenüber den 21 Firmen erhärten lässt, bleibt abzuwarten. Lustig jedenfalls ist die Szene der Sendung, in der ein Kamerateam des ZDF eine seit vier Jahren abgelaufene Teepackung durch ein Fenster eines sehr leerstehend wirkenden Büros erspäht. Das spricht eher nicht für eine aktuelle Geschäftigkeit.
Noch lustiger sind die Aufnahmen einer Wildkamera, die das Team aufstellte. Innerhalb von zwei Monaten wurden gut 20 menschliche Bewegungen an dem Zugang zum Wald aufgezeichnet – ein Wert, der zumindest nicht auf regen Geschäftsbetrieb deutet. Zusätzlich nahm die Kamera auch zahlreichen Wildschweinverkehr auf. Durch allzu viele arbeitende Menschen dürften die Tiere nicht gestört werden. Böhmermanns Team machte sich auch die Mühe, mit Trackern versehene Post an die Firmen in der Waldhütte zu schicken. Keine einzige Sendung kam dort an. Erst als die Firmen im Nachhinein mit der Recherche konfrontiert wurden, seien einige der Briefe in der Waldhütte getrackt worden.fs-Böhmermann 09.34
Ein eher politisches Problem liegt in Art und Weise, wie die Steuern im Sachsenwald erhoben und an wen sie ausgezahlt werden. Gutsbesitzer von Bismarck darf eine Person bestimmen, die die Steuer einzieht und an das „gemeindefreie Gebiet Sachsenwald“ von Herrn von Bismarck auszahlt. Es sei jedoch falsch, dass er persönlich die Gewerbesteuer erhalte, teilt er dem Projekt „Frag den Staat“ mit, das die Recherche zusammen mit dem „ZDF Magazin Royal“ durchgeführt hat. „Die Gewerbesteuer fließt dem gemeindefreien Gebiet Sachsenwald zu, wo sie vollständig für die Instandhaltung von Wegen und Brücken, die Wiederaufforstung sowie für Gehälter und andere Kosten verwendet wird“, so von Bismarck.STERN PAID 19_23 Titel Interview Jan Böhmermann 6.14
Ob sich aus Böhmermanns Recherchen juristische oder politische Konsequenzen für die Begünstigten des Sachsenwaldes ergeben, ist noch unklar. Jan Böhmermann jedenfalls schnallt sich zum Ende der Sendung den Roller-Rucksack um – vertrieben wird dieses Produkt übrigens von einer der 21 Sachsenwald-Firmen – um zieht von dannen. Nicht jedoch ohne sich zuvor die rhetorische Frage zu stellen, wie es nur gelingen konnte, bis dato 25 Minuten lang über einen Adeligen zu reden, ohne einen einzigen Inzest-Witz zu reißen.
Mit der Ruhe im Sachsenwald dürfte es jedenfalls in nächster Zeit sowohl für Graf Gregor von Bismarck als auch für die dort gemeldeten Firmen vorbei sein.