Die Brüder-Grimm-Stadt hat erhebliche Zweifel an der Korrektheit der Daten aus Wiesbaden. Jetzt schickt sie einen Fragenkatalog ans Statistische Landesamt – denn die Zahlen haben Auswirkungen.
Hanau lässt im Streit mit dem Statistischen Landesamt über seine richtige Einwohnerzahl nicht locker. Die Stadt bezweifelt, dass bei der Berechnung des jüngsten Zensus methodisch alles korrekt abgelaufen ist und wirft der Behörde zudem vor, dass angewandte Verfahren sei nicht zu durchschauen. Der Magistrat schickte am Mittwoch einen 29 Punkte umfassenden Fragenkatalog an die Behörde.
Laut Zensus zählte Hanau am Stichtag 15. Mai 2022 nur noch 93.632 statt 100.307 Einwohner, was einem Rückgang von 6.675 Menschen gegenüber 2021 entsprechen würde. Bei dem Streit um die tatsächliche Einwohnerzahl geht es nicht nur um Eitelkeiten, ob Hanau nun eine Großstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern ist oder nicht. Die Ergebnisse des Zensus sind die Grundlage dafür, wie viel Geld Städte und Gemeinden in Zukunft durch den Länder- und den kommunalen Finanzausgleich sowie durch EU-Fördermittel zugewiesen bekommen.
Klarheit verlangt
„Wenn wir schon Millionen Euro verlieren, dann wollen wir wenigstens verstehen, warum“, sagte der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). „Ich habe gelernt, dass man Bescheide so transparent erklären muss, dass derjenige, der davon möglicherweise belastet ist, nachvollziehen kann, warum das so ist.“
Und genau daran fehlt es nach Ansicht der Stadt Hanau weiterhin. Weder ein erstes Gespräch mit dem Amt im August noch das für Mitte September angekündigte Erläuterungsblatt habe Klarheit gebracht, kritisiert die Kommune. Das am 23. September vorgelegte Datenblatt stelle keinen Erläuterungsbericht dar. Das Papier enthalte keine detaillierten Informationen, wie die amtliche Bevölkerungszahl insbesondere methodisch im Rahmen des Zensus 2022 ermittelt worden sei, erklärte Bürgermeister Maximilian Bieri (SPD).
Rechtsweg „nicht ausgeschlossen“
Die Stadt wirft der Behörde vor, dass es keine vollständige Dokumentation aller einzelnen Verfahrensschritte für den aktuellen Zensus gebe. Zudem bleibe unklar, warum die Programme und Programmcodes nicht öffentlich zugänglich seien, ob es unabhängige Prüfungen der Programme gegeben habe und wo diese gegebenenfalls dokumentiert seien.
„Der Zensus 2022 hat wohl gravierende finanzielle Auswirkungen für die Stadt Hanau zur Folge“, erklärte Bieri. „Gleichzeitig können wir diesen weder inhaltlich noch methodisch nachvollziehen.“ Den Rechtsweg wolle die Stadt zwar nicht beschreiten, erklärte der Bürgermeister weiter, „wir halten ihn aber nicht für ausgeschlossen“.
Auch Frankfurt, Kassel, Darmstadt und Offenbach mit einem Minus
Laut Zensus kamen auch Frankfurt, Kassel, Darmstadt und Offenbach auf niedrigere Einwohnerzahlen als erwartet. Lediglich Wiesbaden hatte ein leichtes Plus. In Hanau war der Ausschlag mit minus 6,7 Prozent am größten.