Wie kannst du nur, „Kloppo“? Fans des traditionellen Fußballs sind geschockt, denn der ehrliche Coach heuert bei Red Bull an. Die Empörung ist überzogen, findet unser Autor.
Die Nachricht traf Fußballromantiker wie ein Stich ins Herz: Jürgen Klopp wird ab Januar 2025 „Global Head of Soccer“ bei Red Bull, dem Inbegriff des modernen Fußballgeschäfts. Das berichteten „Sky“ und „Bild“ am Mittwochmorgen, ehe der Energiedrink-Hersteller es offiziell bestätigte.
Bisher war Klopp nur bei Traditionsvereinen tätig. Seine Trainerkarriere im Profibereich begann er in Mainz. Bei Borussia Dortmund und dem FC Liverpool erreichte er Legendenstatus. Dass er irgendwann zum FC Bayern geht, hatte Klopp immerhin im Juli auf einer Trainertagung in Würzburg selbst ausgeschlossen: „Ich habe die besten Vereine der Welt bereits trainiert“, sagte er.
Und nun widmet sich der 57-Jährige bei Red Bull einer neuen Aufgabe? „Kloppo“ und Red Bull – das passt doch nicht! Oder doch?
Überholtes „Pöhler“-Image
Klopps Image des ehrlichen Malochers an der Seitenlinie dürfte jetzt vor allem in Dortmunder Kreisen bröckeln. Beim BVB hatten sie „Kloppo“ mit seiner „Pöhler“-Cap vermisst, seit er 2015 eben jenen Hut nahm und weiter nach Liverpool zog. Aber sogar ein Engagement bei den Bayern wäre vielen Borussia-Fans rückblickend wohl lieber gewesen als sein jetziger Schritt.
Bei Bundesligaspielen gegen RB Leipzig schwenken Dortmunder Anhänger regelmäßig Banner mit Kritik am „Konstrukt“ Red Bull. In ihrer Wahrnehmung trennen die beiden Vereine völlig unterschiedliche Philosophien: Arbeiterklub gegen Unternehmen. Brinkhoff’s-Bier gegen Energydrink. Doch dabei lassen sie außer Acht, dass Borussia Dortmund als erster Fußballverein Deutschlands im Oktober 2000 den Gang an die Börse vollzog.
Die vielen Gesichter des Jürgen Klopp
„Wer sich ernsthaft über Klopp wundert, sollte mal drei Minuten Werbung schauen. Für Geld macht der quasi alles“, schreibt ein Nutzer auf „X“ und meint damit die Partnerschaft mit der Deutschen Vermögensberatung (DVAG).
Tatsächlich gibt es kaum ein Bundesliagspiel, in dessen Halbzeitpause Jürgen Klopp nicht vom Bildschirm in die Wohnzimmer grinst. Aktuell in einem DVAG-Spot als Guru, Taxifahrer oder Zahnarzt – Lebenswege, die er alternativ zum Fußballtrainer hätte wählen können. Die Vermögensberatung steht in der Kritik: Medien wie der „Spiegel“ berichteten in Vergangenheit über sektenartige Praktiken und „Gehirnwäsche“ bei dem Versicherungsvertrieb.
Dass Klopp dennoch Werbung für die DVAG macht, haben viele Fußballfans bislang gekonnt ignoriert. Es passte nicht in das Bild des bodenständigen, ehrlichen Typen, das die meisten von ihm hatten.
Nicht nur das Geld lockt
Klopp ist nicht der Erste, der im deutschen Fußball Kritik für einen Wechsel zu Red Bull erntet. Eine Parallele zu Max Eberl, mittlerweile Sportvorstand beim FC Bayern München, ist nicht von der Hand zu weisen. Eberl war im Januar 2022 nach 23 Jahren bei Borussia Mönchengladbach unter Tränen als Sportdirektor zurückgetreten – aufgrund der hohen psychischen Belastung. Dass er im Dezember desselben Jahres als Geschäftsführer Sport bei RB Leipzig anheuerte, stieß vielen Gladbachfans übel auf.STERN PAID 39_24 DVAG 15.00
Auch Klopp verabschiedete sich nach neun Jahren vorzeitig aus Liverpool, weil er nicht mehr die nötige Energie für den Job hatte. Dass er nach seiner kurzen Fußball-Auszeit zu Red Bull geht, wird aber nicht nur am Geld liegen, denn Klopp dürfte als Premier-League-Coach und DVAG-Gesicht genug davon angehäuft haben. Die RB-Verantwortlichen sind offenbar auch einfach gut darin, Topmanager und -Trainer zu überzeugen.
Und Klopps neue Aufgabe ist eine der spannendsten im Profifußball und passt zu seiner charismatischen Art. „Ich will die unglaublichen Fußballtalente, die wir haben, entwickeln, verbessern und unterstützen“, sagt der 57-Jährige zu seinem Wechsel. Fußball ist ein Geschäft und Klopp ein Geschäftsmann. Es wird Zeit, dass auch die Romantiker des Sports zu dieser Erkenntnis kommen.