Die Spuren des Anschlags von Halle 2019 sitzen tief, nicht nur bei der jüdischen Gemeinde. An mehreren Orten wird an die Opfer erinnert. Und es kommt zu Zwischenfällen.
Zum fünften Jahrestag des antisemitischen Anschlags von Halle (Saale) haben Politiker vor Rechtsextremismus in Deutschland gewarnt. Die Mahnung, die aus dem antisemitischen und rassistischen Terror folge, könne aktueller nicht sein, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der Terroranschlag am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur vor fünf Jahren habe das Land tief erschüttert.
Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, warnte vor Rechtsextremismus. Rechtsextreme Netzwerke lägen zum Teil kaum noch im Verborgenen, schreibt Schuster in der „Mitteldeutsche Zeitung“ (Mittwoch). „Ihr Denken und ihre Sprache reichen bis in die Mitte unserer Gesellschaft. Sie finden ihr Abbild in der AfD, die diese Ideologie in unsere Parlamente trägt.“ Der Erfolg der AfD bei der Thüringer Landtagswahl habe historische Ausmaße, so Schuster weiter. „Jüdisches Leben zieht sich zurück. Das darf in einer offenen Gesellschaft nicht sein.“
Am 9. Oktober 2019 hatte ein Rechtsextremist aus Sachsen-Anhalt versucht, die Synagoge in Halle zu stürmen, als dort die Feierlichkeiten zu Jom Kippur stattfanden. Als er an der gesicherten Tür der Synagoge scheiterte, erschoss er eine 40 Jahre alte Passantin auf der Straße und stürmte einen Imbiss in der Nähe, wo er einen 20-jährigen Mann tötete. Auf der Flucht vor der Polizei verletzte er weitere Personen, bevor er schließlich gestoppt werden konnte. Der Attentäter wurde inzwischen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.
Rechtsextreme Vorfälle im Vorfeld des Gedenkens
Mit mehreren Gedenkveranstaltungen wird am 9. Oktober an die Opfer des Anschlags erinnert. Daran nehmen neben dem Präsidenten des Zentralrats der Juden auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) teil. Auf Initiative von zwei Organisationen erhält die Jüdische Gemeinde eine neue Torarolle. „Es ist ein Symbol dafür, dass der Attentäter es nicht geschafft hat, jüdisches Leben auszulöschen“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Max Privorotzki.
Es gebe Anfeindungen und Mails auch mit Morddrohungen. „Es ist anscheinend so, dass der Staudamm von Antisemitismus gebrochen wurde“, sagte Privorotzki auch mit Blick auf den 7. Oktober vergangenen Jahres, als Terroristen der Hamas in Israel mehr als 1.200 Menschen töteten. „Es läuft eine absolut unvorstellbare antisemitische Welle überall. Das ist das, was uns sehr beunruhigt.“
Am Vortag des Gedenkens in Halle wurde nach Polizeiangaben eine mobile Gedenktafel mit einem Hakenkreuz beschmiert. Im rund 50 Kilometer entfernten Zeitz rissen bislang unbekannte Täter in der Nacht zum 7. Oktober alle zehn in der Stadt verteilten Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus heraus.