Familienministerin Stolz ist nach eigenen Worten „beeindruckt und überzeugt“ vom Konzept des Frankfurter Childhood-Hauses. Sie kündigt an: Das Angebot für junge Gewaltopfer soll ausgebaut werden.
Nach dem Erfolg des ersten hessischen Childhood-Hauses in Frankfurt für junge Opfer und Zeugen von Gewalt will die Landesregierung eine weitere solche Einrichtung fördern – diesmal in Nordhessen. Das kündigte Familienministerin Diana Stolz (CDU) in einer Regierungserklärung im Landtag in Wiesbaden an. „Mich hat das Konzept des Childhood-Hauses in Frankfurt beeindruckt und überzeugt. Die Erfahrungen sind gut“, sagte sie.
Das Childhood-Haus ist eine behördenübergreifende ambulante Anlaufstelle für junge Opfer oder Zeugen von sexualisierter oder körperlicher Gewalt. Das heißt, die Arbeit verschiedener Ämter und Disziplinen wie Jugendamt, Justiz, Polizei, Medizin und Psychologie wird gebündelt. So soll Kindern erspart bleiben, von verschiedenen Institutionen stets neu untersucht und befragt zu werden.
In der Ambulanz werden auch mögliche Spuren von Gewalt dokumentiert, wie Stolz erläuterte. Das sei sehr wichtig. Nur mit einer fundierten Beweislage gebe es eine Chance, die Täter dingfest zu machen und sie vor Gericht zu bringen.
Die Landesregierung hatte in der zurückliegenden Legislaturperiode die Eröffnung des Childhood-Hauses am Frankfurter Uniklinikum mit rund 1,4 Millionen Euro unterstützt.Alleine im ersten Halbjahr dieses Jahres seien dort etwa 400 Kinder betreut worden, sagte Stolz. Die Einrichtung pflegt zudem ein Netzwerk zu weiteren Akteuren im Kinderschutz und ist Ansprechpartner für Kitas, Schulen, Fachberatungsstellen, Fachkräfte oder Vereine. Das Land fördere das Childhood-Haus im laufenden Betrieb mit bis zu 300.000 Euro jährlich.
Träger der Einrichtung ist die World Childhood Foundation. Sie wurde 1999 von Königin Silvia von Schweden gegründet und hat Schwesterstiftungen in Deutschland, den USA und Brasilien.
Mehr Kindeswohlgefährdungen: „Kinder jeder Zahl steckt ein Kind.“
Die Zahl der erfassten Kindeswohlgefährdungen hatte 2023 in Hessen einen neuenHöchststand erreicht, wie Stolz sagte. Bei knapp 6200 Kindern oder Jugendlichen stellten die Jugendämter Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt fest. Das waren laut Statistik rund 580 Fälle mehr als im Jahr zuvor. „Hinter jeder Zahl steckt ein Kind. So viele Einzelschicksale. Kinder, die Schlimmstes erlitten haben, psychisch wie physisch“, sagte die Ministerin.
„Es gibt Babys, die geschüttelt werden. Es gibt Kinder, die aus der eigenen Familieheraus über Jahre geschlagen, gedemütigt oder sexualisiert berührt und/odervergewaltigt werden“, ergänzte sie. All diese Kinder trügen das Trauma dessen, was ihnen angetan wurde, ein Leben lang mit sich. „Gesellschaft und Staat müssen hinsehen und handeln“, mahnte die Ministerin. Der Schutz der Kleinsten und Kleinen und jungenMenschen sei immer noch zu sehr unter dem Radar.
Der beste Kinderschutz sei, wenn erst gar nichts passiere, betonte Stolz. „Deshalb setzen wir bei der Prävention an.“ In Hessen sei ein stabiles Netz aus Beratungs- undUnterstützungsangeboten für Familien gespannt. „Gemeinsam mit den Kommunen und sozialen Organisationen bieten wir Familienberatungsstellen, Erziehungsberatung und vieleweitere Anlaufstellen, die einfach und kostenlos zugänglich sind“, ergänzte die Ministerin.“Je früher Expertinnen und Experten Familien zur Seite stehen, desto eher könnenÜberlastungssituationen erkannt und verhindert werden.“
Stolz kündigte zudem an, einen Landesbeauftragten für den Kinderschutz zu berufen und einen Landesbetroffenenrat einzurichten, um den Belangen von Betroffenen mehr Gehör zu verschaffen.
Ob ausgerechnet die „Beauftragung einer Person für das Thema Kinderschutz zielführend und gewinnbringend ist, darf zumindest in Frage gestellt werden“, sagte die FDP-Fraktionsvorsitzende Wiebke Knell. „Nicht alles kann ein von der Landesregierung ins Schaufenster gestellter Beauftragter lösen.“ Das Geld für eine solche Stelle sei bei den existenten und chronisch überlasteten Beratungsstellen besser aufgehoben. Der familienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gerhard Bärsch, forderte, die Jugendämter besser aufzustellen.