Robert Habeck ist zum Wirtschaftskrisenminister geworden. Die Herbstprojektion für das laufende Jahr fällt wohl mau aus. Was heißt das für die Haushaltsplanung – und seine Karriere?
Robert Habeck könnte jetzt ein paar gute Nachrichten gebrauchen, schließlich will er sich als neuer starker Mann seiner Partei präsentieren, als gewinnbringender Faktor der geschafften Grünen. Und nicht als glückloser Wirtschaftskrisenminister, der bei all seiner Zuversicht der Wirklichkeit nun mal doch nicht trotzen kann.
Doch wenn Habeck am Mittwochmittag die Herbstprojektion für 2024 offiziell vorstellt, wird er den Beleg noch erbringen müssen, dass es Gründe für seinen anhaltenden Optimismus gibt. Denn aus einem sachten Plus für Deutschlands ächzende Wirtschaft ist ein unrühmliches Minus geworden.
Habecks Ministerium geht mittlerweile davon aus, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,2 Prozent schrumpfen und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht wie bisher erwartet um 0,3 Prozent wachsen wird. Zunächst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über die mauen Werte berichtet. Schon im vergangenen Jahr war die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,3 Prozent gesunken.
Eine anhaltende Flaute, die weder Habeck noch die Ampel-Koalition erfreuen kann, selbst wenn sich der Wirtschaftsminister zumindest für 2025 und 2026 positiv gestimmt zeigt. Der für dieses Jahr trübe Ausblick dürfte auch Auswirkungen auf die Haushaltsplanung haben, die auf vielen Annahmen fußt – zum Beispiel auf einem Wirtschaftswachstum.
SPD-Politiker pochen auf Reform der Schuldenbremse
Darauf verweist unter anderem Andreas Schwarz, Haushaltspolitiker der Kanzlerpartei. Er sieht in der Prognose konkrete Auswirkungen auf den Etat für 2025 und die internationale Wettbewerbsfähigkeit. „Als drittgrößte Industrienation der Welt können wir uns keine Rezession leisten“, warnt der SPD-Politiker im stern. „Hier sind Wirtschafts- und Finanzminister mit ihren Ideen gefordert.“
Lässt sich die aktuelle Haushaltsplanung überhaupt aufrechterhalten? Zumindest könnte die Konjunkturprognose für noch mehr Ungewissheit bei der komplizierten Aufstellung des Etats sorgen, der eine Finanzierungslücke von zwölf Milliarden Euro aufweist. So sagte etwa ein Sprecher des FDP-geführten Finanzministeriums der Nachrichtenagentur Reuters zufolge, dass die Annahmen sich auch auf die Steuerschätzung Ende des Monats auswirken könnten. Details nannte er zwar nicht. Bei einer gesunkenen Wachstumserwartung dürfte die erwartete Summe der Steuereinnahmen aber niedriger liegen als bisher gedacht.
Auch führende Forschungsinstitute haben ihre Prognose für die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr bereits gesenkt. In ihrem jüngst veröffentlichten Herbstgutachten für die Regierung gehen die Ökonomen davon aus, dass das BIP 2024 um 0,1 Prozent sinkt und damit bereits das zweite Mal hintereinander schrumpft. Das ist nicht alles Habecks Schuld, viele Weichen wurden auch schon vor seiner Amtszeit falsch gestellt. Aber die Zahlen sind auch für ihn persönlich ein Problem – und für seine Kanzlerträume. Die Wirtschaftslage ist nun einmal eng mit ihm als Minister verknüpft. Im Wahlkampf dürfte es viele Fragen nach seiner Bilanz geben.
„Unsere Wirtschaft braucht jetzt kraftvolle Wachstumsimpulse“, mahnt SPD-Haushälter Schwarz. Das würde auch manche Investitionsbremse in den Unternehmen lösen. „Die geltende Schuldenbremse ist nicht nur eine Wachstumsbremse, sondern auch eine Zukunftsbremse. Deswegen muss sie dringend modernisiert werden.“
Ähnlich argumentiert SPD-Vorstandsmitglied Sebastian Roloff. Der Wirtschaftspolitiker fordert Investitionen und sichere Energiepreise, um eine „klare und planbare Basis“ für die Industrie zu schaffen. Roloff hatte jüngst eine „Abwrackprämie 2.0“ ins Spiel gebracht, um den Markt für Elektroautos anzukurbeln, während SPD-Chef Lars Klingbeil „massive Investitionen“ in den Netzausbau und einen vergünstigten Industriestrompreis forderte.
Roloff nimmt jetzt vor allem den liberalen Koalitionspartner in die Pflicht. „Wir wiederholen das sehr gerne, aber die Frage ist, ob ‚Repetitio est mater studiorum‘ [„Wiederholung ist die Mutter des Studierens“] auch auf die FDP zutrifft; dieses Gefühl habe ich nicht – da scheinen sich einige tief im Graben der eigenen Selbstgefälligkeit selbst dann am wohlsten zu fühlen, wenn alle Zahlen zeigen, dass man aktiv werden müsste.“ Gemeint ist: das beharrliche Festhalten der FDP an den geltenden Schuldenregeln.
Hoffen auf die „Wachstumsinitiative“
Zwar zeigt sich auch Finanzminister Christian Lindner mit der aktuellen Konjunktur unzufrieden. „Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle“, sagte der FDP-Chef am Montag. Doch eine Reform der Schuldenbremse dürfte mit ihm nicht zu machen sein. Lindner pocht stattdessen auf die sogenannte Wachstumsinitiative der Bundesregierung. Diese sei ein erster Schritt, um einen Aufschwung zu ermöglichen, sagte Lindner, jedoch müsse darauf aufgebaut werden. Da ist er sich ausnahmsweise mit Vizekanzler Habeck einig.
Für 2025 rechnet der Wirtschaftsminister mit einem Anstieg des BIP um 1,1 Prozent, 2026 sogar 1,6 Prozent, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Jedoch unter der Voraussetzung, dass Bund und Länder – also auch die mit Regierungsbeteiligung von CDU und CSU – die besagte Wachstumsinitiative mit Bürokratieentlastungen oder Arbeitsanreizen für ältere Menschen nun rasch umsetzen.
Zwar wollte sich Habeck nicht zur anstehenden Wirtschaftsprognose äußern, sagte aber grundsätzlich zu der Zeitung, dass nach wie vor großer Handlungsbedarf bestehe. „Ein erster notwendiger Schritt ist die Wachstumsinitiative dieser Bundesregierung“, erklärte er. „Die deutsche Wirtschaft kann in den kommenden zwei Jahren signifikant stärker wachsen, wenn die Maßnahmen vollständig umgesetzt werden und ihre Wirkung entfalten können.“ Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass es mehr brauchen werde.
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Das sieht die Opposition erwartungsgemäß auch so und übt scharfe Kritik an der Bundesregierung. „Die Ampel-Politik schrumpft die Wirtschaft in Deutschland weiter – sie verunsichert die Bürger und setzt zudem völlig falsche Anreize“, sagte CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer dem stern. Der „Einbruch“ der Wachstumsprognose sei auch das Ergebnis der Bundespolitik. Laut Hauer werde die schrumpfende Wirtschaft nun weitere Löcher in die Staatskasse reißen, zumal der Haushaltsentwurf schon jetzt „in weiten Teilen fragwürdig“ sei. Zu einer unseriös hohen globalen Minderausgabe von zwölf Milliarden Euro und kleingerechneten Bürgergeldkosten komme jetzt „auch noch das Abwürgen der Wirtschaft hinzu“, beklagte Hauer.
Habeck sagte in Berlin, kurzfristig würde ein Impuls für Investition helfen. Genau das plane die Bundesregierung mit ihrer Wachstumsinitiative. Allerdings sind noch längst nicht alle Maßnahmen vom Kabinett auf den Weg gebracht, im Bundestag könnte es noch zu Änderungen kommen. Beispielsweise sind die Pläne zu steuerlichen Anreizen für Fachkräfte aus dem Ausland umstritten. Einiges könnte im Bundesrat verhindert werden, weil es zu Steuermindereinnahmen auch für die Länder führt. Und nicht zuletzt: Ob die Wachstumsinitiative tatsächlich den erwünschten Effekt haben wird, ist nicht ausgemacht.
Es wäre das Wichtigste, nun Bremsen zu lösen, mahnte Habeck. Daten würden permanent korrigiert – „leider jetzt nach unten“.