Die neue Bundeswaldinventur dokumentiert Licht und Schatten im Forst. Der Aufbau von Mischwäldern kommt voran. Gleichzeitig machen sich Folgen der Klimaschäden bemerkbar.
Trockenheit, Stürme und Käferbefall: Wegen Schäden durch den Klimawandel leistet der Wald in Deutschland keinen ausreichenden Beitrag mehr zur Speicherung des Treibhausgases CO2. „Das grüne Herz unseres Landes gerät aus dem Takt“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) in Berlin bei der Vorstellung der neuen Bundeswaldinventur.
Zugleich ist die Waldfläche insgesamt leicht um 15.000 Hektar gewachsen. Ein Drittel der Gesamtfläche Deutschlands ist bewaldet – das sind 11,5 Millionen Hektar.
Der Wald in Deutschland hat laut Bericht einen Holzvorrat von rund 3,6 Milliarden Kubikmeter – seit gut zehn Jahren ist das berechnete Gesamtvolumen aller Bäume damit nahezu unverändert. „Damit ist Deutschland immer noch das vorratsreichste Land Europas in absoluten Zahlen gesehen“, sagte der Leiter der Bundeswaldinventur, Thomas Riedel, vom bundeseigenen Thünen-Institut.
Der Wald hilft nicht mehr bei den Klimazielen
Die Untersuchung liefert auf Basis umfangreicher Stichproben Informationen etwa zur Waldfläche, zu Schäden an Bäumen, den Anteilen der Baumarten sowie zur Holznutzung. Sie liefert damit grundlegende Daten, die für den Schutz der Wälder, die wirtschaftliche Nutzung und die Anpassung an veränderte Klimabedingungen wichtig sind.
„Die Auswirkungen der Klimakrise machen sich ganz real bemerkbar“, sagte Özdemir, der auch seine Forderung nach einem neuen Bundeswaldgesetz bekräftigte. Man könne die Schäden in den Wäldern sehen, wenn man unterwegs sei. „Die Folge davon: Der deutsche Wald hilft uns nicht mehr in dem Maße, wie wir es bislang gewohnt waren, bei der Erreichung unserer Klimaziele. Durch die enormen klimabedingten Schäden gibt der Wald in Deutschland inzwischen mehr Kohlenstoff ab, als er aufnehmen kann“, sagte er. Der Wald sei mittlerweile zu einer Kohlenstoffquelle geworden. Der Verlust an Biomasse durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall sei größer als der Zuwachs an lebender Biomasse.
Umfangreichste Erhebung zum Zustand der Wälder vorgelegt
Die Bundeswaldinventur muss laut Gesetz mindestens alle zehn Jahre stattfinden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium bezeichnet sie als umfangreichste Erhebung zum Zustand der Wälder in Deutschland und hat das Thünen-Institut für Waldökosysteme mit der Leitung der Untersuchung beauftragt. In den Wäldern seien 100,4 Milliarden Bäume größer als 20 Zentimeter, so der Bericht. „Dies sind zu viele, um sie alle zu messen. Daher wird ein kleiner Teil des Waldes, eine Stichprobe so ausgewählt, dass Messungen dort die Waldverhältnisseinsgesamt widerspiegeln.“
Die häufigsten Baumarten sind laut Inventur nun Kiefer (22 Prozent), die damit die Fichte abgelöst hat (21 Prozent), gefolgt von Buche (17 Prozent) und Eiche (12 Prozent). Die restlichen 28 Prozent verteilen sich auf weitere 47 Baumarten und Baumartengruppen. Die Fläche der Laubbäume habe im Vergleich zu 2012 um 7 Prozent zugenommen.
„Dies ist vor allem auf den aktiven Waldumbau für eine bessere Klimaanpassung der Wälder zurückzuführen“, schreiben die Autoren. Die Bäume im Wald seien durchschnittlich älter und dicker als bei der letzten Inventur. Die Fläche mit Mischwald sei auf 79 Prozent gestiegen.
Schwere Schäden durch Witterungsextreme oder Käferbefall („Kalamitäten“) wurden auf 2 Millionen Hektar oder 19 Prozent der Waldflächen beobachtet. Das Ausmaß baumloser Flächen („Blöße“) sei von 40.000 Hektar auf 100.000 Hektar gestiegen.
Waldbesitzerverbände: Umbau der Wälder ist Mehrgenerationen-Projekt
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände sieht im weiteren Aufbau strukturreicher Mischwälder einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. „Dieser gesellschaftlich erwünschte Waldumbau ist ein Mehrgenerationen-Projekt“, sagte der Präsident der Organisation, Andreas Bitter. Die Bundeswaldinventur dokumentiere Erfolge einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder in der Klimakrise. Bitter betonte: „Wir arbeiten erfolgreich am Wald der Zukunft.“
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) forderte ein „radikales Gesundheitsprogramm“ für die Wälder. „Auch die bundesweiten Messdaten zeigen nun schwarz auf weiß: Wir erleben ein neues Waldsterben. Unsere Wälder sind nicht länger eine Senke, sondern eine Quelle von Treibhausgasen“, erklärte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Die Erzählung vom deutschen Wald als Kohlenstoffspeicher ist damit passé.“