Trotz Kritik auch aus den eigenen Reihen will Schwedens Regierung stärker gegen das öffentliche Bitten um Almosen vorgehen. Menschenrechtler protestieren.
Die schwedische Regierung und die rechtspopulistischen Schwedendemokraten haben einen Sonderermittler beauftragt, ein landesweites Bettelverbot zu prüfen. Dies gaben die Spitzen der liberalkonservativen Regierung und der Schwedendemokraten am Montag in Stockholm bekannt. Der Sonderermittler soll das Für und Wider eines Verbotes abwägen und weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Bettelns in Schweden vorschlagen.
„Lange Zeit war das Betteln in Schweden ein seltenes Phänomen. Anfang der 2010er-Jahre begannen EU-Bürgerinnen und -Bürger in größerem Umfang als zuvor nach Schweden zu kommen, um unter anderem zu betteln“, heißt es in einer Mitteilung der Regierung.STERN PAID Obdachlose Deutschland 16.36
Regierung und Rechtspopulisten wollen Gesetze überarbeiten
Betteln könne sowohl für Einzelne als auch für die Gesellschaft negative Folgen haben. Viele Bettler lebten unter schwierigen und unwürdigen Bedingungen und hätten nur begrenzten Zugang zu sozialen Sicherheitsnetzen. Eine Studie habe zudem gezeigt, dass Betteln selten zu Arbeit führe und nur eine kurzfristige Sicherung des Lebensunterhalts biete, was die Gefahr einer Verfestigung der prekären Situation berge.
Die schwedische Polizei stellte zudem fest, dass mehrere Bettlergruppen von kriminellen Akteuren kontrolliert würden. „Diese Akteure nutzen schutzbedürftige EU-Bürger aus, zum Beispiel durch Erpressung, Menschenhandel und Ausbeutung. Manchmal werden schutzbedürftige Menschen unter Androhung von Gewalt zum Betteln gezwungen, oft um die unangemessen hohen Kosten für die Reise nach Schweden zu bezahlen“, heißt es in der Regierungsmitteilung.
Linda Lindberg, Fraktionsvorsitzende der Schwedendemokraten, sagte: „Wir halten es nicht für zumutbar, dass Menschen durch halb Europa reisen, um vor unseren Geschäften zu betteln.“
Regierung und Schwedendemokraten sind der Ansicht, dass die Bettelgesetze überarbeitet werden müssen. Derzeit können Gemeinden durch lokale Verordnungen das Betteln an bestimmten Orten verbieten, was in einigen Gemeinden bereits geschehen ist. Diese Möglichkeit sei jedoch begrenzt.FS Fotoprojekt mit Obdachlosen
Kampf gegen Bettler: Schweden will Möglichkeiten prüfen
„Angesichts der Grenzen des derzeitigen Rechtsrahmens ist die Regierung der Ansicht, dass es Grund gibt, zu untersuchen, ob das derzeitige System gut funktioniert oder ob es Anlass gibt, die Möglichkeiten zur Bekämpfung des Bettelns und der Schädigung von Menschen in Schweden zu erweitern“, erklärte Justizminister Gunnar Strömmer.
Der Sonderermittler soll daher analysieren, ob die Möglichkeiten zur Einschränkung des Bettelns erweitert werden sollten und wie gut das derzeitige System mit lokalen Verordnungen funktioniert. Außerdem soll er Vorschläge für Gesetze oder andere Maßnahmen unterbreiten, bis hin zu einem möglichen landesweiten Verbot.
Die Regierung gehe zwar davon aus, dass das Betteln in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Die Untersuchung soll aber das Ausmaß des Problems klären, so Strömmer. „Es existiert nach wie vor. Die dahinterstehenden Probleme der organisierten Kriminalität und des Menschenhandels existieren.“
Der Auftrag basiert auf einer Vereinbarung zwischen den Schwedendemokraten sowie den Regierungsparteien der Moderaten, den Christdemokraten und den Liberalen. Bis zum 26. Juni 2025 soll der Sonderermittler seinen Bericht vorlegen.
Kritik von Liberalen und Amnesty International
Ein mögliches landesweites Bettelverbot stößt auch innerhalb der Regierung auf Kritik. So sprach sich das höchste Beschlussgremium der Liberalen gegen ein nationales Bettelverbot aus. „Man kann den Menschen nicht verbieten, ihre Not oder ihre Nächstenliebe zu zeigen. Überdies hat die Polizei wichtigere Aufgaben, als sinnlose Verbote durchzusetzen“, sagte der liberale Politiker Jan Jönsson der Zeitung „Dagens Nyheter“.
Auch Menschenrechtsorganisationen protestieren. Amnesty International in Schweden argumentiert, dass ein Bettelverbot die Menschen anfälliger für Ausbeutung und Kriminalität mache. Zudem sei es diskriminierend und rassistisch. „Wir glauben, dass Polizei und Staatsanwaltschaft sich besser auf echte Verbrechen konzentrieren sollten, anstatt Menschen zu verfolgen, die um Hilfe bitten, weil sie arm sind.“
Nach Angaben des schwedischen Fernsehsenders SVT wird die Zahl der schutzbedürftigen EU-Bürger im Land, von denen viele betteln, auf 4000 bis 5000 geschätzt. Die tatsächliche Zahl sei jedoch schwer zu bestimmen, teilte die Stockholmer Bezirksverwaltung dem Sender mit.
Quellen: Regierung Schwedens (1), Regierung Schwedens (2), „Dagens Nyheter“, SVT, Amnesty International