Der Untersuchungsausschuss zur Richteraffäre hat die ersten Zeugen vernommen. Doch für Wirbel sorgt ein Bundesrichter mit einer weiteren eidesstattlichen Versicherung.
Der Untersuchungsausschuss des Landtags zur Richteraffäre hat mit den Zeugenvernehmungen begonnen. Als erster Zeuge sagte ein Abteilungsleiter des Justizministeriums, der Vorgang, um den es gehe – die Besetzung der Präsidentenstelle am Oberverwaltungsgericht – sei für ihn lange Zeit kein spektakulärer Vorgang gewesen. Daher müsse er um Verständnis für etwaige Gedächtnislücken bitten.
Es habe in der Sache keinen Versuch einer Einflussnahme auf ihn gegeben, sagte der Ministerialbeamte. Es sei auch nie an ihn herangetragen worden, die Grünen wollten auf dieser Stelle unbedingt eine Frau. Im Gegenteil habe Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) ihn gebeten, den Vorgang ergebnisoffen zu prüfen. Als die Bewerbung einer Frau auf die Stelle eingegangen sei, sei deren Geschlecht kein Thema gewesen.
Ähnlich äußerte sich die Referatsleiterin, die die Beurteilungen der Bewerber vergleichen musste: Es habe keinen Versuch einer Einflussnahme auf sie gegeben. Der Vergleich der Bewerber für eine Bestenauswahl sei sehr komplex gewesen, weil mehrere über Bestnoten und ein ähnliches Profil verfügten. Teilweise habe sie sich auf juristischem Neuland bewegt. Sie sei weiterhin überzeugt, dass ihr Besetzungsvermerk bis auf eine Formalie rechtmäßig gewesen sei.
Der Untersuchungsausschuss will prüfen, ob Vettern- und Parteibuchwirtschaft den Ausschlag bei der Besetzung der Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts gab oder die Kompetenz der Bewerber.
Eidesstattliche Versicherungen
In der Sache liegen inzwischen zwei eidesstattliche Versicherungen eines Bundesrichters und eine von NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) vor, wie ein Sprecher des NRW-Justizministers bestätigte. Diese widersprechen sich in mindestens zwei Punkten, wie die Deutsche Presse-Agentur feststellen konnte. Zuvor hatten die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ und der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Widersprüche berichtet.
Während der Bundesrichter in seiner neueren Versicherung ausführt, ihm sei von Limbach ein Gespräch mit Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) empfohlen worden, schreibt Limbach in seiner Versicherung, der Bundesrichter habe im Gegenteil ihn gefragt, ob er in der Sache ein Gespräch mit dem Chef der Staatskanzlei führen könne.
Der zweite Widerspruch besteht in der Wiedergabe eines Gesprächs vom 11. November 2022. Dem Bundesrichter zufolge hat das Gespräch das Ziel gehabt, ihn zur Rücknahme seiner Bewerbung zu überreden. Laut Limbach hat er dem Bundesrichter gesagt, er müsse angesichts des hochkarätigen Bewerberfelds selbst entscheiden, ob er seine Bewerbung aufrechterhalte. Niemand werde ihm böse sein, wenn er das tue. Eidesstattliche Versicherungen sind strafbewehrt.
„Von den Vorwürfen der Opposition ist heute nichts übriggeblieben“, teilten die Obleute Gregor Golland (CDU) und Dagmar Hanses (Grüne) mit. Die Vorwürfe von SPD und FDP, es hätte eine Beeinflussung des Verfahrens zugunsten einer bestimmten Bewerberin gegeben, hätten sich erneut als haltlos erwiesen.
SPD-Obfrau Nadja Lüders hatte vor der Sitzung kritisiert, dass erst dreieinhalb Werktage vor der Vernehmung fast 20.000 Seiten Beweismaterial aus dem Justizministerium übersandt worden seien. Die Personalakten der Bewerber auf die Präsidentenstelle fehlten immer noch.
Gab es Vettern- oder Parteibuchwirtschaft?
Zwei Verwaltungsgerichte hatten das Besetzungsverfahren gestoppt. Das in Münster hatte dabei scharfe Kritik geäußert und von manipulativer Verfahrensgestaltung geschrieben.
Das Oberverwaltungsgericht hatte dann als zweite Instanz gegen die Personalentscheidung in eigener Sache keine Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hatte die OVG-Entscheidung dann aber teilweise aufgehoben und zurückverwiesen. Die Verfassungsrichter in Karlsruhe sahen Anhaltspunkte für eine Vorfestlegung, denen nicht ausreichend nachgegangen worden sei.
Den Zuschlag der Landesregierung hatte eine erst spät ins Verfahren eingestiegene Bewerberin erhalten, bei der es sich um eine Duz-Bekanntschaft und ehemalige Kollegin von Justizminister Limbach handelt.
Die Frau, die wie der Bundesrichter der CDU angehören soll, hatte ihr Interesse bei einem privaten Abendessen mit dem Minister bekundet und schließlich die Zustimmung der Landesregierung erhalten. Der unterlegene Bundesrichter war dagegen vor Gericht gezogen.
Er hatte auch eidesstattlich versichert, einen Anruf des Justiziars der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erhalten zu haben. In dem Telefonat habe dieser ihn aufgefordert, seine Bewerbung zurückzuziehen. Koalitionskreise in Düsseldorf hätten sich auf die Frau geeinigt.