Nach dem chaotischen Verlauf der ersten Sitzung hat sich der neu gewählte thüringische Landtag am Samstag im zweiten Anlauf konstituiert und einen Präsidenten gewählt. An seiner Spitze steht nun der CDU-Politiker Thadäus König, er setzte sich klar gegen die AfD-Kandidatin Wiebke Muhsal durch. Möglich wurde die Wahl erst durch eine Eilentscheidung des thüringischen Verfassungsgerichts: Es zwang den Alterspräsidenten Jürgen Treutler von der AfD, seine Blockade von Anträgen und Abstimmungen aufzugeben.
Mit der Wahl des Landtagspräsidenten ist der Landtag nun voll arbeitsfähig. König sagte in seiner Antrittsrede, er werde alles dafür tun, dass der Landtag Vertrauen zurückgewinnt und zurück „in ruhiges Fahrwasser“ kommt. Er versprach, sich „gerecht und überparteilich“ für die Belange aller Abgeordneten einzusetzen.
Der AfD-Politiker Treutler, der als ältester Abgeordneter die Sitzung leitete, hatte am Samstag gleich zu Beginn des Plenums angekündigt, dass er sich dem Urteil des Gerichts fügen und Abstimmungen zulassen werde. Daraufhin stimmte der Landtag auf Antrag von CDU und BSW für eine Änderung beim Verfahren für die Wahl des Landtagspräsidenten an.
Diese Änderung der Geschäftsordnung machte es möglich, dass für die Präsidentenwahl bereits vom ersten Wahlgang an Kandidaten aus allen Fraktionen vorgeschlagen werden können und dies nicht wie in der bisherigen Regelung zunächst der stärksten Fraktion und damit der AfD vorbehalten blieb.
König als Vertreter der zweitstärksten Fraktion erhielt bei der Abstimmung im ersten Wahlgang 54 Ja-Stimmen und erreichte damit auf Anhieb die erforderliche Mehrheit. SPD, BSW und Linke hatten zuvor Zustimmung für den CDU-Kandidaten signalisiert. Die drei Fraktionen stellen zusammen mit der CDU 56 Abgeordnete, 55 waren am Samstag anwesend. Es gab außerdem eine Enthaltung. Die 32 Stimmen für Muhsal entsprechen der Fraktionsstärke der AfD. Muhsal scheiterte auch bei der Wahl für einen der vier Vizepräsidentenposten.
Der Landtagspräsident sollte bereits am Donnerstag gewählt werden, doch die konstituierende Sitzung mündete in einen Eklat und wurde unterbrochen. Die CDU rief das Verfassungsgericht an.
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof gab Treutler mit einer Entscheidung am Freitagabend klare Regeln für den Ablauf der konstituierenden Sitzung vor und erließ gegen den AfD-Politiker auf Antrag der CDU eine einstweilige Anordnung. Das Gericht stellte klar, dass die Abgeordneten noch vor der Wahl des Landtagspräsidenten die Geschäftsordnung ändern können.
Nach der bisherigen Regelung hatte die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für einen Kandidaten in den ersten beiden Wahlgängen. Die AfD hatte die Landtagswahl am 1. September gewonnen. Die anderen Fraktionen – CDU, BSW, SPD und Linke – lehnten allerdings einen AfD-Politiker an der Parlamentsspitze ab und wollten dies mit der Änderung des Wahlverfahrens sicher ausschließen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Torben Braga, warf der CDU am Samstag „taktische Überlegungen“ und die Verletzung parlamentarischer Gepflogenheiten vor. Der parlamentarische CDU-Geschäftsführer Andreas Bühl sagte hingegen, das Gericht habe Klarheit geschaffen: Es gebe „kein Recht auf eine Wahl“ an die Landtagsspitze.
Der amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warf der AfD am Samstag im Onlinedienst X vor, den Landtag für eine „Schmierenkomödie“ missbraucht zu haben. Mit der Konstituierung endete auch die reguläre Amtszeit von Ramelow und seiner Regierung. Sie bleibt aber laut Landesverfassung bis zum Antritt ihrer Nachfolger weiter geschäftsführend im Amt.
Die Gespräche zur Bildung einer neuen Regierung stehen noch am Anfang. Mit der AfD als stärkster Fraktion will keine andere der im Landtag vertretenen Parteien koalieren. CDU-Landes- und Fraktionschef Mario Voigt strebt eine Regierung unter seiner Führung an.
Linken-Bundeschef Martin Schirdewan forderte die CDU auf, ihren Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken „im Mülleimer der Geschichte zu entsorgen“ und eine Zusammenarbeit in Thüringen zuzulassen. Die Linke habe im Landtag mit ihrer Unterstützung für den CDU-Kandidaten König bewiesen, „dass ihr der Schutz der Demokratie wichtiger ist als parteipolitisches Geplänkel“.