Die Grünen im Bund stecken in einer tiefen Krise – während Hamburgs Grüne im März die Bürgerschaftswahl vor der Brust haben. Auf einem Parteitag machen sie sich deshalb Mut.
Überschattet von der massiven Krise auf Bundesebene haben sich Hamburgs Grüne für die Bürgerschaftswahl am 2. März Mut gemacht. Auf einer Landesmitgliederversammlung im Bürgerhaus Wilhelmsburg vergewisserten sie sich ihrer selbst und demonstrierten Geschlossenheit für die einzige Wahl auf Landesebene vor der Bundestagswahl am 28. September.
Ursprünglich wollten die Grünen nur ihr Programm für die Bürgerschaftswahl verabschieden. Doch wegen des angekündigten Rücktritts des Bundesvorstands infolge der Niederlagen bei den jüngsten Landtagswahlen und dem Parteiaustritt der Bundesspitze der Grünen Jugend führten rund 250 Grüne außerplanmäßig eine rund zweistündige Debatte über den Zustand der Partei im Bund und in Hamburg.
Hamburgs Grüne rechnen sich Chancen auf Wahlsieg aus
Anders als bei den jüngsten Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, die für die Grünen katastrophal ausgegangen waren, rechnen sich Hamburgs Grüne Chancen auf einen Wahlsieg im März aus. Die Grünen sind seit 2015 Juniorpartner in der rot-grünen Koalition des Stadtstaats.
Wie sich die Krise auf Bundesebene auf die Hamburger Grünen noch auswirken wird, ist insgesamt unklar. Erste Folgen sind jedoch sichtbar. So stammt die bisherige Bundessprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, aus Hamburg. Außerdem ist die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Ivy May Müller am Freitag aus der Partei ausgetreten und hat angekündigt, sich als Parteilose der Linksfraktion anzuschließen.
Tjarks: „Wir brauchen einen Ruck in unserer Partei“
„Es sind keine leichten Zeiten, weil auch ich in den vergangenen Wochen und Monaten das Gefühl hatte, wir verlieren gerade die Deutungshoheit über uns als Partei, über unsere Themen, über unser Selbstverständnis“, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank, die den Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) beerben möchte. Sie wisse aber genau, dass die Partei die Kraft habe, gestärkt zurückzukommen. Die Hamburger Grünen zollten dem angekündigten Rückzug des Bundesvorstands mit den Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang Respekt. Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) nannte ihn aber auch richtig. „Wir brauchen einen Ruck in unserer Partei“, betonte er. Ein Jahr vor der Bundestagswahl sei ein personeller Neuanfang nötig.
Co-Parteichef Leon Alam sagte, die große Aufgabe des neuen Bundesvorstands werde sein, der Kernwählerschaft die richtigen Lösungen anzubieten und gleichzeitig die Alltagssorgen der Menschen ernst zu nehmen. Unglücklich zeigten sich mehrere Grünen-Mitglieder jedoch über das Vorgehen des Bundesvorstands der Grünen Jugend. Dieser hatte aus Unzufriedenheit mit der Politik der Grünen die Partei verlassen und angekündigt, eine neue Jugendbewegung zu gründen.
„Seit Donnerstag trauere ich und stehe mit meinen verbliebenen Freund:innen vor dem Rest unseres Jugendverbands“, sagte Emilia Milla Fester, jüngste Abgeordnete des Deutschen Bundestags. Die Grüne Jugend sei „super wichtig für uns als Korrektiv und als Bildungsort“. Sie glaube, dass gerade in diesen Zeiten progressive Kräfte nötig seien, „die klar für einen sozialen Kurs, eine linke Politik bei den Grünen einstehen“.
Fegebank will Zuversicht, Mut und Spielfreude sehen
Fegebank forderte eine neue Deutschlandagenda. Denn ein Grund, warum das Vertrauen in die Politik schwinde, sei ja der Zustand in vielen Städten und Kommunen. Entsprechend müsse für Investitionen in die Infrastruktur auch die Schuldenbremse gelockert werden, verlangte sie in Richtung der bislang jede Veränderung ablehnende FDP. „Ich bin mir der Verantwortung total bewusst, dass wir es mit einem Erfolg im März schaffen können und schaffen werden, (…) die Grünen wieder zu einer starken, zu einer selbstbewussten Bündnispartei zu machen“, sagte Fegebank mit Blick auf die Bürgerschaftswahl. Nötig seien dafür Zuversicht, Mut und Spielfreude. „Das ist es, was ich von Euch, von uns sehen will.“
Die Grünen wollten ihr Wahlprogramm, das sie selbstbewusst „Regierungsprogramm 2025-2030“ nennen, bis zum späten Abend verabschieden. Zu dem mehr als 150 Seiten umfassenden Programm lagen mehrere Hundert Änderungsanträge vor.