Dauerdefizitär und schlecht ausgelastet: Seit seiner Gründung ist der Kassel Airport umstritten. Die Klimaaktivisten der Letzten Generation wollen den Flughafen zum Zentrum einer Protestwelle machen.
Der Kassel Airport im nordhessischen Calden bleibt ein Zankapfel. Die Klimagruppe Letzte Generation demonstriert mit Aktionen gegen den Flughafen. Mehr als 60 Aktivisten blockierten am Abend auf einer großen Straße in der Kasseler Innenstadt den Verkehr. Die Polizei stellte nach Angaben eines Sprechers die Personalien sicher. Die Umweltaktivisten fordern ein Ende der Subventionen für den Regionalflughafen. Am vergangenen Wochenende hatten Demonstranten die Fassade des Terminals mit einer Parole beschmiert.
Der Flughafen im Landkreis Kassel mache jährlich Millionenverluste und werde mit Steuergeldern künstlich am Leben erhalten, lautet die Kritik. Er sei der „irrsinnigste Flughafen Deutschlands“. Aus diesem Grund fordern die Aktivisten von Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) als stellvertretendem Vorsitzenden des Flughafen-Aufsichtsrats, dass keine weiteren Steuergelder in den Airport fließen.Seit seiner Eröffnung vor einem guten Jahrzehnt schreibt der Flughafen im Landkreis Kassel rote Zahlen. Im Jahr 2023 betrug das Defizit nach Angaben des hessischen Verkehrsministeriums 4,98 Millionen Euro. Größter Anteilseigner des Airports ist mit 68 Prozent das Land Hessen. Weitere Gesellschafter sind die Stadt und der Kreis Kassel mit je 14,5 Prozent. Die Gemeinde Calden hält 3 Prozent.
Von November bis Januar keine regelmäßigen Flugverbindungen
Zuletzt mehrten sich die schlechten Nachrichten: Die Fluggesellschaft Sundair gab die Stationierung eines Flugzeugs an dem Regionalflughafen für den Sommerflugplan 2024 auf. Damit verlor der Flughafen die einzige fest stationierte Maschine. Überdies wird es in diesem Winterflugplan von November bis Januar keine durchgehend regelmäßigen Flugverbindungen geben.
Wie der Kassel Airport mitteilte, gibt es im November einen Flug nach Madeira und im Dezember und Januar Flüge nach Finnland und Norwegen. Geplant seien zudem Sonderreisen nach Madeira, Sizilien, Rom, Barcelona und auf die Liparischen Inseln. Erst ab Februar sind demnach wöchentliche Flüge nach Gran Canaria geplant, ab April soll zweimal wöchentlich Antalya angeflogen werden.
„Der Markt ist aktuell herausfordernd“, erläuterte eine Sprecherin des Flughafens die Gründe. Es gebe limitierende Faktoren wie die Verfügbarkeit von Flugzeugen und Personal bei den Airlines. „Es wird ökonomisch sehr genau abgewogen, welche Strecken angeboten werden können und die Planungen dafür sind sehr viel kurzfristiger als in den vergangenen Jahren. Unsere Vertriebsaktivitäten in diesem Bereich werden wir weiter intensivieren und uns den neuen Marktbegebenheiten anpassen.“
Flughafen: Geringere Einnahmen, aber auch geringerer Aufwand
Zur wirtschaftlichen Bedeutung des ausgedünnten Angebots erklärte die Sprecherin: „Es gibt in der Zeit des Winterflugplans geringere flugbezogene Einnahmen in Form der Flughafen-Entgelte.“ Dem gegenüber stehe aber auch ein geringerer flugbezogener Aufwand, da bestimmte Kosten nicht anfallen beziehungsweise sich verringern würden.
Das hessische Verkehrsministerium erklärte, dass die jüngste Entwicklung, bereits ab Anfang Februar Linienflüge nach Gran Canaria anbieten zu können, vor dem Hintergrund der Aufgabe der Sundair-Station am Flughafen Kassel positiv zu bewerten sei. „Unbestreitbar wäre es allerdings besser, wenn durchgehend regelmäßige Verbindungen angeboten würden.“
Im Winter sei die Nachfrage nach touristischen Flugreisen generell geringer. „Die Zahlen des Sommerflugplans 2024 verdeutlichen, dass die Nachfrage nach touristischen Flugreisen in der Region vorhanden ist und das am Flughafen bestehende Angebot sehr gut angenommen wird.“ Auch die Nischenziele würden gut angenommen und lägen über dem Vorjahresniveau.
Luftfahrtexpertin hat wenig Hoffnung für Standort
Luftfahrtexpertin Yvonne Ziegler sieht dennoch wenig Perspektive für den Kassel Airport, auch unabhängig vom ausgedünnten Winterflugplan. „Es war an dem Flughafen vorher ja auch schon nicht viel los“, erläuterte die Professorin für Betriebswirtschaft mit besonderem Schwerpunkt Luftverkehrsmanagement an der Frankfurt University of Applied Sciences. Wenn einmal am Tag ein Flug gehe, sei das viel zu wenig für eine Auslastung.
„Der Airport macht seit seiner Gründung Verluste, die regelmäßig die Eigentümer decken müssen.“ Die Entscheidung für den Standort sei eine politische gewesen, um den Standort Nordhessen zu stärken. „Sie war aber nicht richtig durchdacht.“ Es gebe mehrere Flughäfen in der Nähe Kassels, darunter den Frankfurter Flughafen mit guter Anbindung, erklärte Ziegler.
Sie prognostizierte zudem, dass der Regionalflughafen Schwierigkeiten haben werde, die Beihilfe-Leitlinien der Europäischen Union zu erfüllen. Die Luftverkehrsleitlinien sehen vor, dass Betriebsverluste kleinerer Regionalflughäfen unter bestimmten Voraussetzungen noch bis 2027 mit öffentlichen Mitteln gedeckt werden dürfen. Nach dieser Frist soll die Subventionierung des laufenden Betriebs laut der Leitlinie enden. Dann müssen sich die Standorte selber tragen – oder geschlossen werden.
Aktivisten kündigen wochenlange Proteste an
„Man muss dann schon gute Gründe haben, warum ein Flughafen eine Daseinsberechtigung hat, um ihn weiter betreiben zu dürfen“, erklärte Ziegler. Auch zum Kassel Airport müsse dann eine Stellungnahme dazu abgegeben werden, warum der Flughafen erhaltenswert sei und er weiter mit öffentlichen Mitteln subventioniert werden solle und dürfe. „Aus meiner Sicht wird es schwierig, das zu rechtfertigen“, so Ziegler.
Die Mitglieder der Letzten Generation erklärten, mit der Protestwelle „ihren Widerstand gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ausdrücken“ zu wollen. „Wir werden Kassel über mehrere Wochen zur Demokratie-Hochburg machen“, hieß es. Jeden Mittwoch und Samstag soll es demnach sogenannte „ungehorsame Versammlungen“ geben. Weitere Details und ob auch auf dem Kassel Airport protestiert werden soll, ließen die Aktivsten offen. Für den 5. Oktober kündigten sie ein bundesweites Treffen mit anderen Umweltgruppen in der nordhessischen Stadt an.