Der Stiftungsdirektor von Buchenwald hinterfragt nach dem starken Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen im Osten auch die Arbeit der Gedenkstätten. Notwendig seien neue Formate und Inhalte.
Angesichts der AfD-Wahlerfolge bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland hält der Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens Christian Wagner, eine veränderte Erinnerungskultur für notwendig. Die Gedenkstätten müssten sich mit ihren Bildungsangeboten auch auf den Rechtsruck in der Gesellschaft einstellen und stärker Gegenwartsbezüge herstellen. „Wir müssen Formate und Inhalte überdenken“, sagte Wagner vor Beginn eines bundesweiten Treffens von Gedenkstättenleitern in Weimar.
Wagner: Verkitschung des Holocaust
Es gehe darum, nicht nur „betroffenheitsgeladen“ um die Opfer der NS-Verbrechen zu trauern, sondern auch stärker die Täter in den Blick zu nehmen, meinte Wagner. „Wir müssen weg von der Trivialisierung und Verkitschung des Holocaust und uns damit beschäftigen, warum die meisten Deutschen mitgemacht haben.“ Erforderlich sei eine wirkliche, quellengestützte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Frage, was die Täter angetrieben habe. Die Auseinandersetzung mit der Täterschaft kommt nach Ansicht von Wagner in der derzeitigen Erinnerungskultur und im politischen Diskurs zu kurz. Notwendig sei mehr Reflexion statt „pathosgeladene Rituale“.
Alarmiert zeigte sich Wagner vor allem vom großen Zuspruch der AfD in Ostdeutschland bei jungen Wählern: „Wir müssen uns als Gedenkstätten auch die Frage stellen, ob wir in den letzten 30 Jahren alles richtig gemacht haben, wenn unter Jugendlichen insbesondere sehr viele eine Partei wählen, die offensichtlich revisionistisch und den Holocaust verharmlosend auftritt.“
Gedenkstätten in sozialen Medien sichtbarer machen
Meinungsbildung und Wissensaneignung erfolge inzwischen hauptsächlich im Netz, in dem es immer mehr Geschichtsrevisionismus gebe, der nicht hinterfragt werde. Neben einer stärkeren Vermittlung von Medienkompetenz müssten die Gedenkstätten auch selbst in digitalen Kanälen wie TikTok sichtbarer werden, forderte Wagner.
Die Gedenkstätten müssen künftig laut dem Stiftungsdirektor auch mehr auf diskursive Formate setzen, um mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Die klassische anderthalb bis zwei Stunden Führung durch die Gedenkstätte, wo jemand etwas erzähle, sollten der Vergangenheit angehören. Vielmehr sollten Schüler lernen, mit historischen Quellen zu arbeiten und durch den fundierten Umgang selbst Schlüsse aus der Vergangenheit ziehen. Diese Formate seien aber zeitintensiver. In Buchenwald sei daher die Mindestaufenthaltsdauer von Schülern bereits von zwei auf drei Stunden erhöht worden.
Mehr als 80 Vertreter von Gedenkstätten, Dokumentationszentren und Erinnerungsorten wollen bis zum Freitag in Weimar über Strategien zur Stärkung von Demokratie und gegen Rechtsextremismus sprechen.