Nach den Erfolgen bei den Landtagswahlen sieht sich die AfD gut gerüstet für die Bundestagswahl. Wäre da nicht ihre ausgeprägte Schwäche bei den Wählerinnen.
Der Montag dieser Woche. Die AfD-Führung hat die Presse in die Berliner Parteizentrale geladen, um den Beinahe-Sieg von Brandenburg zu feiern. Ein „großartiges Ergebnis“ habe ihre Partei bei der Landtagswahl erzielt, sagt die Vorsitzende Alice Weidel. Dass es die SPD noch einmal knapp auf Platz 1 schaffte, liege an der Kampagne der Medien und „Kartellparteien“ gegen die AfD.
Neben Weidel sitzt Co-Chef Tino Chrupalla, aus dem nahen Potsdam sind der Landesvorsitzende René Springer und Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt angereist. Besonders wortreich freuen sie sich gemeinsam mit der Vorsitzenden darüber, dass die AfD bei den jüngeren Wählern klar vor der SPD einlief. „Wir sind die Partei der Zukunft“, sagt Weidel.
Dann sind die Journalisten dran. Wie üblich lassen die Funktionäre jede kritische Frage an sich abperlen – also auch jene zu dem „Abschiebesong“, den die Junge Alternative am Sonntagabend auf der offiziellen AfD-Wahlparty in Hörweite der Bundesparteiführung abspielte. „Hey, jetzt geht’s ab, wir schieben sie alle ab, sie alle ab!“, lautet der Refrain.
Polizei prüft Abschiebe-Lied der AfD. 10.15
Ach das, sagt Landeschef Springer, und lächelt milde. „Es ist ja nicht unüblich in Parteien, dass die Jugend Grenzen austestet. Und dazu gehört das sicherlich auch.“ Nächstes Thema, bitte.
So geht es dahin. Doch plötzlich passiert etwas Überraschendes. Ausgerechnet nach einer Frage, welche die AfD seit ihrer Gründung begleitet, kommt es auf dem Podium zum offenen Konflikt.
Die Frage lautet: Wie erklärt die Spitze, dass die Partei immer noch deutlich seltener von Frauen als von Männern gewählt wird?
Die Zahlen sind eindeutig. In Brandenburg etwa stimmten laut einer Nachwahl-Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen nur 24 Prozent der Frauen für die AfD, während die SPD auf 33 Prozent kam. Bei den Männern hingegen war das Verhältnis umgekehrt: Hier lag die AfD mit 35 Prozent vor der SPD, die nur 29 Prozent erreichte.
AfD: Was den Männern angeblich im Blut liegt
Warum also bleibt die AfD eine Männerpartei? Landeschef Springer setzt zu einer Erklärung an: „Ich glaube, dass es durchaus den Männern im Blut liegt, zu kämpfen“, sagt er. „Und wir befinden uns in einer schwierigen politischen Situation“, da müsse man „ein dickes Fell“ mitbringen. „Und ich denke, dass genau das zum Selektionsmechanismus geführt hat, dass eben erst mal Männer bei uns an vorderster Front stehen.“
Aber auch zum Wesen der gemeinen Frau hat Springer etwas mitzuteilen: „Was ich aber wahrnehme, ist, dass immer mehr Frauen nachrücken, weil die Probleme letztendlich durchschlagen, nämlich auf die Situation in der Familie, weil das Geld nicht mehr reicht, auf die Kinder, die in die Schule gehen und auf einem Schulhof von einem migrantischen Mob vermöbelt werden. Keine Mutter möchte das.“
Während Springer das sagt, verzieht sich das Gesicht von Alice Weidel. Sie ist sichtlich erbost. „Also ich erspare mir jetzt, auf das Frauenbild von René Springer einzugehen, was ich in einem Punkt völlig anders sehe“, sagt sie. „Frauen sind genauso Kämpferinnen wie Männer, sie stehen dem in nichts nach!“
AfD hat nur geringen Frauenanteil in den Parlamenten
Die Partei werde deshalb ein „Mentoring-Programm“ für Frauen auflegen, wie man es auch aus Großkonzernen kenne. Dies werde „einmalig“ sein, „keine andere Partei hat das“. Außerdem werde die AfD ihr Programm rechtzeitig vor der Bundestagswahl „nachschärfen“.
Während Weidel all das sagt, schauen die drei AfD-Männer möglichst unbeteiligt in die Luft. Denn Springer hat ja bloß das in der Partei vorherrschende Retroklischee des „schwachen Geschlechts“ zusammengefasst: Der deutsche Mann zieht in den politischen Kampf, während die Frau die Vielfach-Mutter gibt.
Das Klischee entspricht der Rollenverteilung innerhalb der Partei. In ihrer Mitgliedschaft hat die AfD einen Frauenanteil von 21 Prozent, in der Bundestagsfraktion sind es sogar nur zwölf Prozent. Und wie sieht es in der neuen Brandenburger AfD-Fraktion aus? Genau: Nur vier der 30 Abgeordneten sind Frauen.
Verwundern kann das nicht. Schließlich wird das Ideal der „traditionellen Frau“ nicht nur in Bierzelt-Reden oder Internet-Memes verbreitet. Es ist Beschlusslage. Ein Blick ins Brandenburger Wahlprogramm der AfD genügt. „Wir fordern die Würdigung traditioneller Lebensentwürfe und die Wertschätzung der Lebensleistung von Frauen, die Familien gründen und Kinder großziehen“, steht dort. Zwar sei die Gleichberechtigung von Mann und Frau „ein hohes Gut“. Aber: „Die biologische Geschlechterbindung des Menschen betrachten wir nicht als Last, sondern als Geschenk.“
Die Partei will Verstöße gegen die Meldepflicht einer Abtreibung „konsequent ahnden“ und fordert ein Betreuungsgeld für die ersten drei Lebensjahre von Kindern. Frauenquoten werden als diskriminierend abgelehnt.
Und Brandenburg ist überall in der AfD. In Thüringen, wo Björn Höcke seit Jahren sein von ihm gelebtes Vater-Mutter-vier-Kinder-Modell propagiert, lief zuletzt ein Wahlkampfspot, der neben Remigration und einer boomenden Wirtschaft die AfD-Musterfamilie zeigte. Der Vater fährt mit dem Auto zur Arbeit, während die Mutter fröhlich die Kinder hütet und gerade wieder schwanger ist.
Weidel: „Wir alle wollen uns verwirklichen“
Weidel weiß, dass die AfD damit die übergroße Mehrheit der Frauen eher nicht abholt. „In der Bedürfnispyramide steht die Selbstverwirklichung ganz oben“, sagt sie. „Und jeder Mensch, nicht nur Frauen, wir alle wollen uns verwirklichen.“ Darum wollten Frauen auch arbeiten, zumal manche, wie etwa Alleinerziehende, es schlicht müssten. Deshalb gelte es, auch in der AfD die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erhöhen.
Doch wie soll das funktionieren, wenn Frauen vor allem auf ihre Reproduktionsfunktion reduziert werden? Hört man in die Partei hinein, herrscht Schweigen. Derzeit werde in der Bundesgeschäftsstelle an einem Konzept gearbeitet, sagt Weidels Sprecher auf Anfrage, wobei Konsens bestehe, dass es nicht um Quoten oder Ähnliches gehe.
Das klingt so vage wie widersprüchlich. Aber es passt zu der absurden Situation, dass eine voll arbeitende Frau, die mit ihrer aus Sri Lanka stammenden Ehefrau zwei Kinder großzieht, einer Partei von Machos vorsteht, die gegen die „Ehe für alle“ polemisiert und ihre Homophobie sogar auf Parteitagen offen auslebt.
Aber Weidel hat sich offenkundig zum Leben unter den AfD-Machos entschieden. Nur so kann sie an der Macht bleiben. „Wissen Sie, ich kann damit umgehen. Das ist mir auch verhältnismäßig egal“, sagte sie bereits vor zwei Jahren auf die Frage, wie sie das alles aushalte.
Ihr Co-Chef Tino Chrupalla macht es sich sogar besonders einfach. Als er vor einigen Monaten in einem RTL-Interview gefragt wurde, ob aus AfD-Sicht denn auch Weidel eine „traditionelle Frau“ sei, antwortete er fröhlich: „Warum nicht? Natürlich. Absolut!“