Fernsehen: 30 Jahre „Die Fallers“: Ist der Einstieg noch möglich?

Eigentlich waren nur 100 Folgen geplant. Doch inzwischen laufen „Die Fallers“ seit 30 Jahren im SWR. Wie die Schwarzwald-Serie der Streaming-Konkurrenz trotzt und was sie davon unterscheidet.

Es ist eine kleine Szene aus der „Fallers“-Welt: Leni Riedlinger moniert die Stoffe, aus denen sie eine Tracht für eine Hochzeit schneidern soll. Das seien nicht die traditionellen. Die kaufe auch keiner mehr, entgegnet die deutlich jüngere Saskia Bienzle. „Die sind zu warm. Klimawandel und so.“ Nun gebe es halt Baumwolle, das passe perfekt zum Sommer. Darauf Leni Riedlinger: „So kann nur eine schwätze‘, die kei‘ Ahnung hat!“

In der Schwarzwald-Serie „Die Fallers“ treffen Generationen aufeinander, Tradition auf Fortschritt und Wandel – und das seit 30 Jahren. Am 25. September 1994 startete die Serie. 

Anfangs waren nur 100 Folgen geplant. Schauspieler in festen Engagements ließen sich laut dem Südwestrundfunk (SWR) nur vorübergehend von ihren Theatern beurlauben. „Schränke, Betten, Tische für die Innenkulissen hatte der SWR von Möbelhäusern angemietet.“ 

Mehr als eine Million Leute gucken zu

Inzwischen strahlt der SWR alljährlich 40 neue Folgen aus, sonntags um 19.15 Uhr. Nach der (mittlerweile eingestellten) „Lindenstraße“ ist „Die Fallers“ die älteste wöchentliche Serie im deutschen Fernsehen

Und nach den Worten von Intendant Kai Gniffke haben die „Fallers“ viel mit dem SWR und dessen Werten gemeinsam: „Sie stehen für Miteinander, für Zusammengehörigkeit und Zusammenhalt – auch in schwierigen Zeiten.“ 

Rund 1,25 Millionen Zuschauer bundesweit schalten laut einer Sprecherin im Schnitt ein. Online, wo die Folgen schon vorab zu sehen sind, nähmen die Klickzahlen kontinuierlich zu. In der ARD-Mediathek wurden auf einer anlässlich des Jubiläums eigens eingerichteten Seite unter anderem neue und alte Folgen, Dokumentationen, Hintergründe, Blicke hinter die Kulissen und Interviews mit den Schauspielerinnen und Schauspielern zusammengestellt. 

Schwarzwaldidylle und Schleppschlauchverteiler 

Die Serie erzählt das Leben rund um eine Schwarzwälder Bauernfamilie. Entsprechend geht es um den Hofladen und um landwirtschaftliches Gerät wie Schleppschlauchverteiler – aber auch um die Fragen, ob Kammmolche ein Bauprojekt stoppen können, wann ein Witwer sich auf eine neue Liebe einlassen darf und ob er diese vor seiner Familie verheimlichen muss. „Ihre Themen sind mitten im Leben und nah bei den Menschen“, sagt Intendant Gniffke.

Geerdete Themen, kann man sagen. Keine komplexen Gangster-Themen, keine Special Effects. Stattdessen werden Eisenbahnfahrten und Drohnenflüge im Handlungsstrang genutzt, um dem Publikum das Schwarzwaldpanorama idyllisch zu präsentieren.

Heimatgefühle in zunehmend globaler Fernsehwelt

Mit Serienerfolgen bei Streamingdiensten wie Netflix und Prime Video lässt sich das aus Sicht der Hamburger Fernsehwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher schwer vergleichen. Diese hätten eine globale Reichweite und seien durch eine höhere Komplexität der Erzählungen darauf ausgerichtet, dass man sie marathonhaft gucke (Binge Watching). 

„Serien wie die „Fallers“ hingegen leben von einfachen Erzählweisen und der rituellen Wirkung des Immergleichen“, erklärt die Professorin. Gerade die Wiederholung von Figuren, Themen und Handlungselementen löse bei Zuschauerinnen und Zuschauern Gefühle von Vertrautheit aus. Für verschiedene Gruppen böten die „Fallers“ ein Identifikationsangebot. 

Der Lokaleffekt diene einer klaren Orientierung und stärke das Heimatgefühl des Publikums in der zunehmend globalen Fernsehwelt, erläutert sie. „Wald, Berge, Bauernhöfe visualisieren die Fernsehidylle, die wiederum als Bühne für Liebe, Glück, Eifersucht und Streit fungiert.“ 

Regionale Langzeitserien wie auch „Nord, Nord, Mord“ sind laut Bleicher daher wichtig für die nachhaltige Bindung von Zuschauerinnen und Zuschauern und tragen als Markenzeichen zum Profil der Sender bei. „So gönnen sich die Sendeanstalten nicht nur aufwendige Serienproduktionen, sondern sie nutzen sie als strategisches Element des Selbsterhalts.“ 

 67.500 Brötchen und ein Zentner Make-up

Bei den „Fallers“ rückt nach dem Tod von Peter Schell alias Karl Faller und dem Ausstieg von Ursula Cantieni als Johanna Faller die jüngere Generation um Alessio Hirschkorn in der Rolle des Albert Guiton und Julia Obst als Jenny Faller in den Fokus. Im festen Cast sind 30 Schauspielerinnen und Schauspielern. Vom Bürgermeister bis zur Kräuterhexe sind alle möglichen Charaktere dabei. Je Folge taucht aber nur ein kleiner Teil davon auf. Und auch die Handlungsstränge sind so gestaltet, dass ein Einstieg in die Serie jederzeit möglich ist.

Etwa 70 Prozent der Szenen werden in Studios beim SWR in Baden-Baden gedreht, wo auf fast 1.300 Quadratmetern 31 Dekorationen ständig aufgebaut sind. Der Rest wird auf einem Original-Schwarzwaldhof bei Furtwangen gefilmt. Dort wurde das Team in den 30 Jahren laut einer Sprecherin mit 67.500 Brötchen verpflegt. Auch Rathaus und Sägewerk sind echt.

Pro „Fallers“-Folge werden den Angaben nach im Schnitt drei Drehtage benötigt. Jedes Jahr würden rund 2.000 Seiten Drehbuch verfilmt. Übereinander gelegt wären alle Drehbücher 6,5 Meter hoch. Würde man alle 20.000 Kostüme an einen Kleiderständer hängen, wäre dieser so lang wie die Königstraße in Stuttgart (1,2 Kilometer). Zudem sei bisher rund ein Zentner Make-up und Puder für die Darstellerinnen und Darsteller verbraucht worden.