„Wenn Glatze, dann Woidke“ – Brandenburgs Ministerpräsident machte die Landtagswahl zu einer Abstimmung über seine Zukunft. Eine Strategie, die aufgegangen ist, lobt die deutsche Presse.
Brandenburg hat gewählt – und wohl selten stand eine Landtagswahl dort bundesweit derart im Fokus wie in diesem Jahr. Die SPD geht aus der Wahl als stärkste Kraft hervor, knapp vor der AfD ein – ein Triumph für Ministerpräsident Dietmar Woidke, so das Urteil in den Kommentarspalten deutscher Zeitungen. Die Presseschau zur Wahl in Brandenburg:
„Augsburger Allgemeine“: „Der Wahlsieg der SPD zeigt, wie es möglich ist, die AfD zu stellen. Ein Ministerpräsident, der sich das Vertrauen der Menschen erarbeitet hat, eine Regierung, die ihr Handwerk einigermaßen geräuschlos verrichtet und eine Wirtschaft, die deutlich über dem Bundestrend wächst, das sind – im Grunde naheliegende – Voraussetzungen, um die extreme Rechte auf Distanz zu halten.“
„Handelsblatt“ (Düsseldorf): „Von der Brandenburg-Wahl geht nun das Signal aus: Seht her, mit dem richtigen Kandidaten kann die SPD auch scheinbar aussichtslose Wahlen gewinnen. Subtext: Was Woidke in Brandenburg kann, kann Scholz im Bund erst recht. Hat er schließlich schon mal bewiesen. (…) Doch so einfach dürfte es für Scholz nicht werden. Die Wähler in Brandenburg haben sich nicht wegen, sondern trotz der SPD für Woidke entschieden. Die Popularität des Landesvaters genießt Scholz nicht im Ansatz. Während Woidke für solides Regieren steht, ist Scholz‘ Ruf als solide regierender Politiker nach Heizungsgesetz und Haushaltsurteil einigermaßen ramponiert. Scholz ist vielmehr der Kopf einer Bundesregierung, deren Markenzeichen der Dauerstreit ist. (…) Die Frage, ob er der geeignete Kanzlerkandidat ist, wird Scholz auch nach der Brandenburg-Wahl weiter verfolgen.“
Blitzanalyse Brandenburg 19.06
„Weser-Kurier“ (Bremen): „Das Ergebnis der Landtagswahl in Brandenburg ist in erster Linie ein Triumph für Dietmar Woidke. Der Ministerpräsident hatte mit seiner Ankündigung, nur im Amt bleiben zu wollen, wenn seine SPD stärkste Partei im Land bleibt, alles auf eine Karte gesetzt. Diese Strategie hat sich offenbar ausgezahlt. Das gute Ergebnis liegt klar an den hohen Zustimmungswerten, die Woidke im Land genießt. Selbst viele Wähler des Koalitionspartners CDU waren der Meinung, dass der 62-Jährige seine Sache ordentlich gemacht hat. Aus diesem Grund haben viele ihn dann auch gleich gewählt … Die Resultate sind aber nicht allein auf persönliche Sympathien zurückzuführen. Woidke kann auch objektiv Erfolge vorweisen. So hatte Brandenburg zuletzt ein höheres Wirtschaftswachstum als Bayern zu verzeichnen.“
„Rhein-Nackar-Zeitung“ (Heidelberg): „Richtig Schwung aber kam in die SPD-Kampagne nur, weil Woidke erstens klar machte, dass er nur in der Landespolitik zu halten ist, wenn die AfD nicht stärkste Kraft wird – und er zweitens seinen Wahlkampf von der Bundes-SPD, von der Ampel-Regierung und Bundeskanzler Olaf Scholz entkoppelte. Diese Strategie ging auf, weil für ein Signal der Unzufriedenheit kein Kreuzchen mehr bei einer der Protestparteien gemacht werden musste. ‚Woidke wählen‘ hieß plötzlich auch ‚Olaf abwatschen‘. Bei Woidke zahlten also nicht allein die Anti-AfD-Wähler ein, sondern auch die Denkzettel-Wähler. Eine riskante, aber letztlich erfolgreiche Wahlkampfstrategie. Chapeau!“
„Rheinpfalz“ (Ludwigshafen): „Woidkes Triumph ist paradox: Die Bundes-SPD feiert einen Sieg, der nicht wegen Scholz gelungen ist, sondern trotz Scholz. Wenn aber die SPD nur noch Wahlen gewinnen kann, indem sie ihren Kanzler versteckt, dann hat die Partei ein ziemlich großes Problem.“
„Neue Osnabrücker Zeitung“: „Hunderttausende Menschen haben offensichtlich den Eindruck, dass die Regierenden sie nicht mehr als ‚die eigenen Leute‘ betrachteten, dass sich ‚Berlin‘, ‚die Ampel‘ oder speziell ‚die Grünen‘ von ihrer Lebenswirklichkeit abgewandt hätten. Das Gefühl, von der Politik bevormundet zu werden, ist laut Studien unter AfD-Anhängern am weitesten verbreitet. Wenn die Ampel-Parteien und die Union die AfD wieder schrumpfen wollen, werden sie herausfinden müssen, was sie selbst zu dieser Stimmung beigetragen haben und wie sie das abstellen. Je besser ihnen das gelingt, desto weniger Menschen werden in die Verlegenheit kommen, mangels attraktiver Angebote Leute wie Hans-Christoph Berndt zu wählen.“
„Südkurier“ (Konstanz): „Dietmar Woidke hat hoch gepokert – und es hat sich gelohnt. Mit seiner Ankündigung, bei einer Niederlage gegen die AfD zurückzuziehen, ging er persönlich voll ins Risiko. Das dürfte bei den Wählern gut angekommen sein. Vor allem hat er seinen Amtsbonus als beliebter Ministerpräsident in die Waagschale geworfen. Hopp oder topp – ich oder die AfD: In dem knappen Rennen gegen die Alternative für Deutschland hat das dem SPD-Mann die wohl entscheidenden Punkte gebracht. Es lässt sich also durchaus Wahlkampf führen gegen die AfD. Dass Woidke komplett auf die Unterstützung des Kanzlers verzichtet hat, hat sich für ihn ausgezahlt – für Olaf Scholz allerdings auch. Bei einer krachenden SPD-Niederlage im seit 1990 von den Sozialdemokraten regierten Brandenburg hätte sich sonst ganz schnell auch die Frage nach seiner Tauglichkeit für die 2025 anstehende Bundestagswahl gestellt.“