FIESELER FI 103: V1 Flugbombe – Hitler baute die Mutter aller Kamikaze-Drohnen

Schon das Dritte Reich setzte Kamikaze-Drohnen ein. Die Flugbombe V1 ist in vieler Hinsicht der Vorläufer der modernen Kamikazedrohne. Allerdings sind die Modelle heute weit gefährlicher, weil sie ihr Ziel präzise treffen.

Spätestens nach der Niederlage in Stalingrad und dem Misserfolg der Großoffensive im Kursker Bogen 1943 wendete sich der Krieg gegen Deutschland. In den sogenannten Wunderwaffen – damals noch ganz ohne Ironie – suchte das Regime einen Ausweg. Die Industrieproduktion im Deutschen Reich konnte nie an die der USA und der UdSSR heranreichen. Überlegene Technologie sollte die Unterlegenheit in der Menge ausgleichen. Tatsächlich wurden in relativ kurzer Zeit Rüstungsgüter auf den Weg gebracht, die sich später als bahnbrechend erweisen sollten. Dazu gehört etwa das erste Jagdflugzeug der Welt mit Düsentriebwerken, die Messerschmitt Me 262. Daneben gab es Entwicklungen von eher zweifelhaften Nutzen wie der Raketenjäger Me 163 und reine Visionen wie die eines Stratosphärenbombers – die vor allem dazu dienten, die Konstrukteure vom Einsatz in der Front zu bewahren.V2 Rakete 10.18

Rachewaffen gegen die alliierte Zivilbevölkerung

Innerhalb der Wunderwaffen gab es dann noch die sogenannten „Vergeltungswaffen“ – sie sollten Rache an den Alliierten nehmen, deren Bomber das Reich in Schutt und Asche legten. Dass Hitler selbst den Bombenkrieg gegen Städte begonnen hatte, ignorierte man. Ein weiterer blinder Fleck: Diese Waffen waren der Beweis, dass die deutsche Luftwaffe kaum noch Einsätze über dem Gebiet des Gegners fliegen konnte. Am bekanntesten ist die V2-Rakete, auch als Aggregat A4 bekannt. Eine Rakete, die bis in die Stratosphäre hinaufstieg und dann in der Bahn einer Parabel zurückstürzte – meist auf London. Mit damaligen Mitteln war es unmöglich, so eine Waffe abzufangen. Auf der V2 basieren alle späteren Militärraketen. Die Raketen ihres Konstrukteurs Wernher von Braun brachten später die US-Astronauten auf den Mond.

Gegenüber dem technischen Wunderwerk der V2 wirkte die Flugbombe V1 immer wie ein hässliches Entlein. Doch erlebt die Idee, die hinter ihrer Konstruktion stand, heute in den Kamikaze-Drohnen eine Renaissance. Im Gegensatz zur V2 war die Flugbombe ausgesprochen einfach und billig konstruiert. Gewiss, auch sie hatte eine Art von Düsentriebwerk. Aber das war so einfach konstruiert, dass ein durchschnittlicher Hobbybastler den Antrieb heute nachbauen könnte.Typ XXI20h

Simpler Antrieb der Flugbombe

Die eigentliche Bezeichnung lautet Fieseler Fi 103 – das griffige „V“ für Vergeltungswaffe wurde von Propagandaminister Goebbels später erfunden. Die Bombe trug fast eine Tonne Sprengstoff ins Ziel und besaß die Form eines Flugzeuges. Das auffällige Pulsstrahltriebwerk saß über dem Rumpf. Dieses Triebwerk und das Fehlen einer Kanzel gaben der Flugbombe ihr typisches Aussehen. Ohne Piloten regulär zu starten, war nicht möglich. Die Flugbomben wurden daher von einer Katapult-Schiene abgefeuert – einmal in der Luft flogen sie ihrem Ziel entgegen. Da sie von der Startrampe abhängig waren, konnten sie später leicht bekämpft werden. Auch wenn die Anlagen verbunkert waren, zerstörten die Alliierten die Zuwege, auf denen die schweren Bomben herangeschafft wurden.

Eine Steuerung wie die heutigen Drohnen hatte die V1 nicht, sie flog aber auch nicht ganz blind. An Bord befand sich ein Peilsender, den man orten konnte. Über Funkbefehle konnte man zudem die Ruder ausrichten. Dieses Verfahren reichte aber nur für groben Korrekturen. Von Zielgenauigkeit kann man nicht sprechen. Man war froh, eine Genauigkeit von zwei Kilometer Abweichung bei 400 Kilometern Einsatzentfernung zu erreichen.

Militärisch konnte die Flugbombe mit ihrer Kilometerweiten Abweichung keine Bedeutung erlangen. Letztlich konnte man sie nur zu wahllosen Angriffen auf große Städte einsetzen, wo sie dann irgendwo im Stadtgebiet einschlugen. Für diesen  Zweck wurden immerhin 12.000 Stück gebaut.Taifun 11.45

Leicht abzufangen

Die V2, die aus dem Fast-Weltall auf die Erde stürzte, konnte damals niemand abfangen. Die Flugbombe hingegen tuckerte in geringer Höhe ihrem Ziel entgegen. Mit einer Geschwindigkeit von 576 km/h war sie weit schneller als die schweren Bomber des Zweiten Weltkriegs aber doch langsamer als Jagdflugzeuge. Sobald die Bomben erspäht oder vom Radar erfasst wurden, wurden ihnen Abfangjäger entgegengeschickt. Die Briten nutzen ihre ersten schnellen Düsenjäger vom Typ Meteor für diese Aufgabe.

Die träge V1 konnte weder ausweichen oder sich irgendwie zur Wehr setzen. Die Jagflugzeuge versuchten daher meist nicht, die Bombe abzuschießen. Sie setzen sich hinter sie und tippten ihre Tragflächen im Vorbeiflug an. Mit der primitiven Fernsteuerung bemerken die Deutschen das Manöver nicht einmal. Das trudelnde Fluggerät konnten sie schon gar nicht stabileren. Meist fiel die V1 dann ins Meer.

Von dem Urahnen V1 haben die modernen Kamikazedrohne neben der Grundidee die preiswerte Konstruktion übernommen. Die Shahed 136 soll nur etwa 20.000 Euro kosten.