Neue Ortsschilder: Flößer und Zwetschgen: Immer mehr Gemeinden geben sich Titel

Ob Dichterstadt oder traditionelles Handwerk – immer mehr Orte verleihen sich einen Zusatznamen, um ihre Geschichte in den Vordergrund zu stellen und Touristen anzulocken. Mit Erfolg?

Wer auf den Straßen Baden-Württembergs unterwegs ist, kommt mitunter an originellen Ortsschildern vorbei. Es gibt die Zwetschgenstadt und die Wasserfallstadt, das Spargeldorf und die Hermann-Hesse-Stadt. Am Freitag tauft Innenminister Thomas Strobl (CDU) sieben weitere Orte – sie dürfen ab Oktober offizielle Zusatzbezeichnungen tragen. Unter anderem wird die Stadt Schiltach (Kreis Rottweil) zur Flößerstadt und der Karlsruher Ortsteil Grötzingen zur Historischen Künstlerkolonie.

Seit einer Änderung der Gemeindeordnung Ende 2020 ist es für Städte und Gemeinden deutlich einfacher, einen solchen Zusatz zu führen. Der jeweilige Gemeinderat kann ihn mit einer Dreiviertelmehrheit festlegen. Im Anschluss muss das Innenministerium die Bezeichnung genehmigen. Kommunen können damit auf ihre geschichtliche Vergangenheit, eine Tradition oder ein besonderes Merkmal aufmerksam machen. Vorher war das vor allem Kurorten, die den Zusatz „Bad“ bekommen konnten, und Universitätsstädten vorbehalten.

Gemeinden hoffen auf Tourismus

In Schiltach im Schwarzwald hat das jahrhundertealte Flößerhandwerk die Inspiration für den zusätzlichen Ortstitel gegeben. „Gerade die alten Schiltacher Familien fühlen sich dem Thema schon verbunden“, sagt Bürgermeister Thomas Haas (parteilos). 

Über 500 Jahre lang seien in der Stadt Flöße hergestellt und für den Transport von Holz genutzt worden. „Früher waren die ja bis zu 600 Meter lang“, so Haas. Noch immer wecke das traditionelle Handwerk großes Interesse bei den Menschen. Mit dem Zusatznamen hofft der Bürgermeister nun auf mehr Tagestourismus.

Ob eine zusätzliche Ortsbezeichnung tatsächlich mehr Touristinnen und Touristen in den Ort holt, ist laut Valentin Weislämle von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach schwer zu messen. „Es zählen ja immer mehrere Faktoren“, sagt der Tourismusexperte. Das könne ein Ortsname sein, aber auch eine persönliche Restaurantempfehlung. 

Dennoch könne der Name helfen. „Gerade Baden-Württemberg ist inzwischen ein sehr beliebtes Tourismusland“, so Weislämle. „Da fällt es Gemeinden teilweise natürlich schwer, sich hervorzuheben.“ Ein Zusatzname könne den Ausschlag geben. 

Das allein reicht laut dem Tourismusexperten aber nicht aus: Damit ein Zusatztitel etwas nützt, müsse es auch ein entsprechendes Angebot geben. In den Weinbaugemeinden Ebringen und Bötzingen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) müsse es beispielsweise die Möglichkeit geben, Wein zu kaufen oder eine Weinprobe zu besuchen.

Regenschirme, Berliner und ein Heißluftballon

Die Stadt Bühl (Kreis Rastatt) darf sich seit vergangenem Jahr offiziell Zwetschgenstadt nennen. Damals hatte der Gemeinderat erst im zweiten Anlauf für den Titel gestimmt – nach großem Zuspruch aus der Bevölkerung in Form eines Bürgerbegehrens. „In den Köpfen und Herzen der Bühler Bürger sind wir schon immer Zwetschgenstadt“, sagt ein Sprecher der Stadt. Schon um 1840 wurde die Sorte Bühler Frühzwetschge Stadtangaben zufolge entdeckt.

Dass auch der Bühler Tourismus von dem zusätzlichen Ortsnamen profitiert, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen. Dennoch hoffe man auf mehr Gästezahlen und einen Schub für die regionale Wirtschaft. Für die Einwohnerinnen und Einwohner von Bühl habe der Zusatz vor allem etwas mit Traditionsbewusstsein zu tun und sei dementsprechend positiv aufgenommen worden.

Das Stadtmarketing wirbt inzwischen vermehrt mit der namensgebenden Frucht. „Hier hat die Zwetschge richtig an Fahrt aufgenommen – und das kann man sogar wörtlich nehmen“, so der Sprecher. Seit der offiziellen Zusatzbezeichnung schwebt ein stadteigener Heißluftballon mit einem neuen Stadt-Logo über die Region. Das Logo prangt auch auf Werbeartikeln wie Regenschirmen und Schlüsselanhängern sowie aus Puderzucker auf Berlinern. Die ü-Punkte auf dem Bühler Logo: Zwetschgen.

Immer mehr Gemeinden führen Zusatznamen

Aus Marketingsicht kann ein Ortszusatz positive Assoziationen nach innen sowie nach außen wecken, sagt Jörg Tropp von der Pforzheimer Hochschule. Der Zusatz müsse im Idealfall auf ein attraktives Alleinstellungsmerkmal der Stadt oder Gemeinde hinweisen – das sei nicht immer einfach, denn Zusätze wie Hochschulstadt und Erholungsort gebe es mehrfach. Das könne die Wirkung schmälern, sagt Marketing-Professor Tropp.

Inzwischen führen 120 Städte, Gemeinden und Ortsteile nach Angaben des Innenministeriums einen Zusatz. Jedes Jahr werden es mehr – vor allem seit die Gemeindeordnung gelockert wurde. Im Jahr 2023 wurden 15 offizielle Zusatzbezeichnungen genehmigt, 2022 waren es 19 und 2021 genau 23 Zusätze.