Langfristig müssen auch Flugzeuge klimaschonend unterwegs sein. Weltweit tüfteln Forscher an alternativen Antrieben. Aber wie realistisch sind Wasserstoff- und E-Flieger?
Das Lieblingsfahrzeug der Deutschen ist das Auto. Auf knapp 70 Millionen Erwachsene kommen ungefähr 60 Millionen Fahrzeuge. Fast jeder besitzt also einen Pkw, Tendenz steigend. Kein Wunder, dass sich auch in Sachen Mobilitätswende alles um die klimaschädlichen Verbrenner dreht. Sie sind für ein Fünftel der gesamten deutschen Emissionen verantwortlich. Um die Klimaziele einzuhalten, müsste der Treibhausgasausstoß in den kommenden Jahren massiv sinken. Doch das Gegenteil könnte passieren, nicht nur wegen der Fahrzeuge am Boden, sondern auch in der Luft.
In keinem Sektor ist der Treibhausgasausstoß innerhalb weniger Jahrzehnte so deutlich gestiegen wie im Flugverkehr – von 1990 bis 2019 um 146 Prozent. Flieger sind die klimaschädlichsten Verkehrsmittel, vor allem, wenn sie für Kurzstrecken genutzt werden. 2022 waren innerdeutsche Flüge für 238 Millionen Tonnen CO₂ verantwortlich, die viel kritisierten Verbrenner produzierten dagegen nur 166 Millionen Tonnen, zeigen Daten des Umweltbundesamtes. STERN PAID Interview Lufthansa-Chef Carsten Spohr Teil 2 09.38
Aufs Fliegen verzichten die Deutschen mindestens genauso ungern wie auf ihre Autos. Fast die Hälfte aller Bundesbürger trat im vergangenen Jahr ihre Urlaubsreise mit dem Flugzeug an, ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. Perspektivisch müssen also nicht nur Pkw elektrifiziert, sondern auch Passagierflugzeuge nachhaltiger werden. Doch die Mobilitätswende in der Luft gestaltet sich deutlich schwieriger als am Boden – aus mehreren Gründen.
Deutschland startet gerade erst mit klimafreundlichen Flügen
Zu Beginn der mehr als hundertjährigen Luftfahrtgeschichte tüftelten Pioniere zunächst an gasbetriebenen Modellen, ehe sich der Benzinmotor durchsetzte. Heute sind klimafreundliche Modelle wieder gefragt. Die kanadische Fluggesellschaft Air Canada etwa hat in Schweden 30 Elektro-Hybridflieger bestellt. Im reinen Batteriebetrieb können sie je nach Beladung eine Strecke von bis zu 800 Kilometern emissionsfrei zurücklegen. Die kanadische Regierung will so abgelegene Ortschaften besser anbinden. In Flächenländern mit geringer Besiedelung, wie in Australien, Kanada oder Skandinavien, „sind gewisse Kurzstrecken sehr lukrativ, weil es keine andere Infrastruktur gibt, gerade zu gewissen Jahreszeiten“, sagt Simon Kothe, der in der Fraunhofer-Gesellschaft Projekte zum nachhaltigen Fliegen organisiert und begleitet.
In Deutschland versendet die DHL vereinzelt Post mit zwölf elektrischen Frachtfliegern. Ansonsten sind klimafreundliche Flugtechnologien hier aber noch eine Rarität, weil die Infrastruktur vergleichsweise gut ausgebaut ist und Regionalflüge weniger notwendig sind als in Ländern wie Kanada. Bayern gilt als Hotspot für die Entwicklung emissionsfreier Flieger. In Donauwörth arbeitet Airbus Helicopters an E-Hubschraubern, in Oberpfaffenhofen werden ab kommendem Jahr elektrisch angetriebene Flugtaxis getestet. In einem Labor bei München entwickelt ein Start-up leichte Batterien für Flugzeuge. Und in Cottbus unterstützt die Bundesregierung Projekte des Forschungszentrums Chesco, das ab 2025 hybrid-elektrische Antriebe entwickeln und testen wird – „auch wenn damit erst einmal nur kleinere Flugzeuge betrieben werden können“, sagt Geschäftsführer Heiko Witte. Geschichte Elektroauto10.36
In Bremen arbeitet das Unternehmen Evia Aero an einem nachhaltigen Flugnetz für Geschäftsreisende. Unternehmenschef Florian Kruse sagt: „Durch die Corona-Pandemie finden Meetings häufig online statt. Und einige Unternehmen wollen, dass ihre Angestellten Strecken von unter 500 Kilometern mit der Bahn zurückzulegen.“ Viele verzichteten deshalb auf Geschäftsreisen. Dabei gäbe es zahlreiche regionale Flughäfen, über die sich Wirtschaftsstandorte leicht verbinden ließen. Beispiel Chemnitz: „Tolle Stadt, 250.000 Einwohner, aber leider nicht ans ICE-Netz angeschlossen.“ Grüne Flieger könnten die Lücke füllen und Geschäftsleute auf kurzen Strecken klimaschonend im Umkreis von 500 Kilometern und mehr nach München, Hamburg oder ins Baltikum transportieren.
Branchenexperten rechnen damit, dass die ersten klimafreundlichen Flieger für den deutschen Personenverkehr ab 2035 verfügbar sein werden. Unklar sei allerdings, wie teuer die Flugtickets sind, ob die Klimaflieger flächendeckend im Einsatz sein werden und wie viele Passagiere sie transportieren können. Vieles hängt auch am Treibstoff.
Batterien, Wasserstoff oder nachhaltigeres Kerosin – was wird sich durchsetzen?
Theoretisch hat die Autoindustrie mit Batterien und Wasserstoff vorgelegt. Doch die Mobilitätswende in der Luft ist deutlich komplizierter. Laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrtforschung schaffen rein batteriebetriebene Flieger wegen ihres Gewichts derzeit maximal 200 Kilometer. Das würde nicht einmal für einen Pendelflug zwischen Hamburg und Bremen reichen. Zudem fänden lediglich zehn Personen Platz. Für mehr Reichweite muss das Gewicht schrumpfen, angefangen bei der Innenausstattung. Kothe rechnet damit, dass künftig der Anteil an Leichtbaumaterialien steigen wird. Airbus und Boeing setzen in bestimmten Fliegern bereits vermehrt auf Kunststoff mit hohem Kohlefaseranteil.
In fünf bis zehn Jahren sollen die alternativen Flieger dann eine Strecke von 500 Kilometern zurücklegen und je nach Schätzung bis zu 20 Personen transportieren können. Ein Flug von Hamburg nach Frankfurt am Main wäre dann möglich. Bleibt noch das Problem mit der Ladeinfrastruktur. „Bisher reicht der Strom an den Flughäfen nur für Lichter und Temperatur in den Terminals“, sagt Branchenexperte Kruse. Sein Unternehmen hat deshalb bereits Verträge mit Flughäfen in ganz Europa abgeschlossen, um in Photovoltaikanlagen, Speicherbatterien und Ladeinfrastruktur zu investieren. Den überschüssigen Strom sollen die Flughäfen dann an ansässige Unternehmen weiterverkaufen, so der Plan. Nachhaltig reisen 18.13
Wasserstoff hat gegenüber Batterien den Vorteil, dass er weniger wiegt. Fraglich bleibt, wie die chemische Substanz transportiert und gelagert werden soll. Ob sich Wasserstoff als Antriebsmittel im Flugverkehr durchsetzt, hängt davon ab, wie schnell sich die Batterien weiterentwickeln. In beiden Fällen arbeiten Forscher noch an einem Wärmemanagement, damit Brennstoffzellen und Batterien nicht überhitzen oder unterkühlen.
Die dritte mögliche Antriebstechnologie bildet SAF (Sustainable Aviation Fuel). Dabei handelt es sich um eine kohlenstoffarme Alternative zu fossilen Energieträgern wie Erdöl und Erdgas. Hergestellt wird es aus landwirtschaftlichen Abfällen, Biomasse und Speiseöl. Vorteil: Die Triebwerke der Flieger könnten weiter genutzt werden. SAF ist weniger klimafreundlich als Batterien und Wasserstoff, auf Langstreckenflügen aber die einzige Alternative zu fossilen Energieträgern. „Deswegen ist es so wichtig, an allen Teilen zu forschen, weil je nach Größe und Leistungsklasse alle Komponenten der Antriebe in der Zukunft eine Rolle spielen werden“, sagt Chesco-Geschäftsführer Witte.
Unterwegs auf kurzer Strecke?
Den Branchenexperten in Deutschland geht das alles zu langsam. „Wir müssen raus aus der Research- und Development-Ecke hin zum Realen“, sagt Kruse. Häufig stockt die Umsetzung zudem aus logistischen Gründen: Neuseelands Fluggesellschaft Air New Zealand muss seine Klimaziele kippen, weil wegen Lieferengpässen neue Flugzeuge und nachhaltiger Kraftstoff fehlen. Auch bei den Flugzeugbauern Airbus und Boeing werden Jets mit hohem Kerosinverbrauch wegen Produktionsproblemen länger im Einsatz bleiben als geplant.
Ob sich der Traum von der grünen Luftfahrt vollständig umsetzen lässt, ist derzeit noch nicht ganz klar. Immerhin schreite die Entwicklung bei klimaneutralem Kerosin und Wasserstoff voran: „Am Ende wird es von der Größe und der Leistungsklasse eines Fliegers abhängen, aber bei Langstreckenflügen werden wir in absehbarer Zukunft auf alternative Treibstoffe setzen müssen, um fossile Energieträger zu ersetzen. Mit alternativen Triebwerken erreichen wir hier die Energiedichte noch nicht“, sagt Witte.
Klimafreundlich werden in absehbarer Zeit nur die Kurzstreckenflüge, in denen die Branchenexperten eine Alternative zu Auto- und Bahnfahrten sehen. Daten des Statistischen Bundesamtes stimmen allerdings pessimistisch: Seit Ende der Corona-Pandemie sind Kurzstreckenflüge innerhalb Deutschlands deutlich weniger gefragt. Je nach Schätzung könnten die nachhaltigen Flüge auch teurer werden. Womöglich müssen sich die Klimapioniere der Luftfahrt noch etwas anderes einfallen lassen, damit klimafreundliche Flüge in Deutschland rentabel sind.