NRW-Ministerpräsident Wüst hat im Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union verzichtet. Für den Wahlkampf hat er dennoch eine Menge Ratschläge für CDU und CSU parat.
Nach der Kür von Friedrich Merz zum Kanzlerkandidaten von CDU und CSU rät NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) der Union zu einem neuen Stil. „Die Union ist eine Regierung im Wartestand. Damit geht eine andere Verantwortung einher“, sagte Wüst dem „Spiegel“. Die Menschen spürten die Überforderung der Ampel-Regierung jeden Tag. „Man muss ihnen das nicht mehr pausenlos intensiv beschreiben. Es wäre sogar brandgefährlich, ständig nur schwarzzumalen“, mahnte Wüst. „Das Gefühl, dass Deutschland kaputt ist, dass mit diesem Land kein Staat mehr zu machen ist, dass alles schlecht ist, davon nähren sich Extremisten. Die leben davon.“
Der CDU-Politiker riet davon ab, „immer draufzuhauen oder das Land schlechtzureden – manchmal vielleicht sogar schlechter, als es ist“. Das heiße aber nicht, dass die Union aufhören werde, die Regierung zu kritisieren. Die entscheidende Frage aber sei: „Auf welche Weise kritisieren wir und wie viel Raum nimmt die Zustandsbeschreibung ein?“ Man müsse immer benennen, was falsch läuft: „Aber dann sollte man ausführlicher beschreiben, wie wir es besser machen wollen.“
Wüst zeigte sich überzeugt, dass sich dieses Vorgehen bezahlt macht. „Der Stil, den ich vorschlage, tut nicht nur dem Diskurs gut und entzieht den Extremisten Zulauf. Meine Erfahrung ist auch, dass man dafür sehr viel Zuspruch bekommt. Und sehr gute Wahlergebnisse.“ Auf die Frage, ob für die Union 35 Prozent plus x möglich seien, sagte der CDU-Politiker, das sei das, was Demoskopen als möglich beschreiben und auch Merz als Potenzial formuliert habe.
Vorgehen mit Merz besprochen
Wüst galt als möglicher Kanzlerkandidat der Union. Er erklärte am Montag seinen Verzicht und die Unterstützung für CDU-Chef Merz. Am Dienstag teilten Merz und CSU-Chef Markus Söder in Berlin mit, dass der CDU-Chef der gemeinsame Kanzlerkandidat der Schwesterparteien werden solle.
NRW-Ministerpräsident Wüst sagte dem Nachrichtenmagazin, sein Vorgehen sei mit Merz besprochen gewesen. „Wir haben uns über Wochen und Monate intensiv abgestimmt. Ihn habe ich auch über meinen Entschluss informiert.“ Auch mit Söder habe er sich immer wieder ausgetauscht und im ihm „im Vorfeld meine Gedanken geteilt“.
Wüst mahnte mit Blick auf den Wahlkampf, die Union müsse „eine Volkspartei der Mitte bleiben, die Akzeptanz in breiten Teilen der Bevölkerung hat“. Dazu gehöre, auch als Partei der Arbeitnehmer sichtbar zu sein. „Wir müssen das soziale Gewissen im Parteiengefüge der Bundesrepublik sein“, mahnte der NRW-Regierungschef.
Beim großen Streitthema Migration hofft Wüst auf einvernehmliche Lösungen zwischen Union und Koalition als „Allianz der Mitte“. „Ich wäre sehr froh, wenn die Parteien der demokratischen Mitte noch vor der Wahl weitreichende Beschlüsse fassen und so handeln, dass das Thema danach abgeräumt ist“, sagte Wüst. Wenn CDU und Grüne in Nordrhein-Westfalen es schaffen, sich auf ein umfassendes Paket für Migration und Sicherheit zu einigen, müsse das doch auch zwischen Union und Ampel im Bund möglich sein. „Die Lage ist wirklich kritisch. Wir spüren eine immer größere Sorge der Menschen im Land“, sagte Wüst.