Das Hochwasser hat besonders Niederösterreich und Wien getroffen. Caritas-Chef Klaus Schwertner über den Umgang mit der Katastrophe – und was das für die Parlamentswahlen bedeutet.
Herr Schwertner, langsam verbessert sich die Hochwasser-Lage im Osten Österreichs. Wie haben Sie die vergangenen Tage erlebt?
Ich lebe selbst in Niederösterreich, habe die Hochwasser 2002 und 2013 miterlebt. Es war dieses Mal in mancherlei Hinsicht anders, manche Regionen stärker betroffen als je zuvor. Ich habe das jedenfalls in dieser Form noch nicht erlebt. Es waren die kleinsten Zubringer-Bäche zur Donau, die sich in Stunden zu reißenden Wassermassen verwandelten. Aufgrund der Schutzmaßnahmen, die nach 2002 ergriffen wurden, konnte Schlimmeres verhindert werden.
Wiens Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner
© Caritas der Erzdiözese Wien
Was bedeutet das für eine Organisiation wie die Caritas?
Vor allem ist es schwierig die mobile Pflege aufrecht zu erhalten, sobald die Zugänge zu Häusern und ganzen Siedlungen versperrt sind. Wir hatten ein Pflegehaus, das völlig von der Außenwelt angeschnitten war, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ständig im Dienst, um Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung doch zu versorgen. Das wahre Ausmaß dieser Katastrophe wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen. Unsere Sorge ist, dass wenn die Temperaturen steigen und im Westen die Schneeschmelze eintritt, eine weitere Welle bevorsteht. In den vergangenen Tagen hat es allerdings geholfen, dass nicht der gesamte Niederschlag in Form von Regen heruntergekommen, sondern als Schnee liegengeblieben ist.
Sie haben mit „füreinander“ eine Aktion ins Leben gerufen, die Nachbarschaftshilfe organisiert. Wie hat das funktioniert?
Wir haben diese Initiative schon während der Corona-Pandemie gestartet, früreinander ist inzwischen Österreichs größte Community für Mitmenschlichkeit und Zusammenhalt. Etwa 39.000 Menschen sind zurzeit angemeldet und haben in den letzten Jahren in den unterschiedlichen Krisensituationen geholfen. Unglaublich. Ob als Nothilfe bei Essensausgaben, Lebensmittelsortierung, wo es darum gegangen ist, einsame Menschen zu begleiten und für sie da zu sein. Oder in unserem Plaudernetz, wo man per Mobiltelefon mit Menschen, die niemanden zum Sprechen haben, spricht. Ihre große Bewährungsprobe wurde aber bestanden, nachdem die vielen vor dem russischen Angriffskrieg Geflüchteten ankamen, und diese von Österreichern und Österreichern von Beginn an begleitet wurden.
Ist das überhaupt sinnvoll, einfache Bürger während einer Krisenlage einzusetzen?
Natürlich nicht auf eigene Faust, wir koordinieren Freiwillige mit den Gemeinden. Und auch hier ist das Plaudernetz aktiv, wo ältere Menschen, die in ihren Wohnungen festsitzen jemandem zum Reden haben. Die Behörden hatten aber aufgerufen, zuhause zu bleiben, nachdem in Wien auch der öffentliche Verkehr zum Erliegen gekommen war. Wir haben auch aufgerufen, keinesfalls in die betroffenen Gebiete zu fahren. Sobald die Pegelstände zurückgehen und gesamte Schadensausmaß sichtbar wird, werden wir gefragt sein und dann braucht die Hilfsbereitschaft auch einen langen Atem.
Auch wenn der aktuelle Wahlkampf kurzzeitig pausiert, wird seitens der in den Umfragen führenden Partei bestritten, dass sich hier Auswirkungen des Klimawandels zeigen. Wie bewerten Sie das?
Der ehemalige Wiener Bürgermeister hat davon gesprochen, dass Wahlkampfzeiten Phasen der komprimierten Unintelligenz sind. Das erleben wir seit Wochen: Populismus, Spaltung eine ähnliche Polarisierung, wie Sie es gerade bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen oder Brandenburg hatten. In der Notsituation ist davon aber wenig zu spüren, das finde ich zumindest respektabel. Es gibt einen unglaublichen Zusammenhalt quer durch die Parteien, quer über die Gesellschaft, alle helfen zusammen.
Was aber nicht die Frage war.
Ich finde es schwierig, jedes Ausnahmewetter als Beweis für den Klimawandel heranzuziehen. Wenn aber 364 Liter pro Quadratmeter Regen fallen, ist es klar, dass man das im Kontext der Klimakrise sehen muss. Ich war als Caritas-Vertreter im Südsudan, dort finden sie keinen einzigen Menschen, der den Klimawandel auch nur bezweifeln würde, weil alle in irgendeiner Form von den Auswirkungen betroffen sind. Wie ich nach Österreich zurückgekommen bin, musste ich immer wieder daran denken, dass es hier immer noch Menschen gibt, die diese Klimakrise generell in Frage stellen, obwohl auch wir hier in Österreich und Europa immer stärker die Auswirkungen spüren – mit entsprechendem Wetter, extremen Hitzeperioden oder auch mit Unwetterkatastrophen.
Wird die Hochwasser-Katastrophe Einfluss auf den Ausgang der Parlamentswahlen haben?
Wie gesagt ist der Wahlkampf ausgesetzt, um die Katastrophenhilfe nicht zu behindern. Aber natürlich wird es am 29. September ein Thema sein, wenn die Menschen zur Wahl gehen.