Läuft ein Hund an einer Schleppleine, wird zurückgerufen und verursacht einen Unfall, muss der Hundehalter möglicherweise haften. In einem solchen Fall ist eine spezifische Tiergefahr im rechtlichen Sinn nicht ausgeschlossen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss entschied. Das Oberlandesgericht Köln muss nun neu über die Klage einer gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden. (Az. VI ZR 381/23)
Die Versicherung nimmt den inzwischen gestorbenen Hundehalter für gesundheitliche Schäden in Anspruch, die eine andere Hundehalterin bei einem Unfall erlitt. Die Tochter des Beklagten ging im Juni 2020 mit dem Hund an der Schleppleine auf einem Feldweg spazieren und traf dort eine andere Hundehalterin.
Beide Hunde rannten zu einem Mäuseloch in einem Feld, das hoch mit Gras bewachsen war. Die andere Hundehalterin lief hinterher, um die Hunde von dort zu vertreiben. Die Tochter rief den Hund zurück, mit dem sie unterwegs war. Als das Tier zu ihr zurückkam, zog sich die Schleppleine um das Bein der anderen Hundehalterin, die zuvor vermutlich unbemerkt in eine Schlinge getreten war.
Die Frau wurde umgerissen, brach sich das Schienbein und musste ins Krankenhaus. Die Behandlung kostete nach Angaben der Krankenversicherung knapp zwölftausend Euro. Vor Gericht forderte sie die Erstattung dieses Betrags. Sie verlangte zudem, dass der Hundehalter für weitere Schäden aufkommen müsse.
Vor dem Oberlandesgericht hatte die Klage keinen Erfolg. Dieses sah eine Verkettung besonders außergewöhnlicher Umstände. zwar habe sich der Hund zunächst unberechenber verhalten, als er zu dem Mäuseloch gerannt sei. Beim Zurücklaufen habe er aber wie gewünscht nur auf menschliche Steuerung – nämlich den Ruf der Tochter – reagiert. Da der Unfall eine Folge des Zurücklaufens gewesen sei, handle es sich hier nicht um eine spezifische Tiergefahr.
Diese Argumentation überzeugte den BGH nicht. Wenn ein Mensch das Verhalten eines Tiers anstoße und dann aber keine Kontrolle mehr darüber habe, gebe es keinen Grund, eine spezifische Tiergefahr zu verneinen. Die Leitung durch den Menschen schließe eine solche Gefahr nicht zwangsläufig aus, entschied der BGH. Der Fall muss nun in Köln neu verhandelt werden.