Die Show „Beauty & The Nerd“ zeigt aufgespritzte Lippen und mangelnde Intelligenz bei Frauen – sowie ungeküsste Nerds. Unsere Autorin hat geschaut, was sich durchsetzt.
Vor über zehn Jahren flimmerte die erste Folge „Beauty & The Nerd“ über die deutschen Mattscheiben. Schon damals habe ich solche Formate gemieden wie Fußpilz. Dabei bin ich ein echtes Fernsehkind und habe sämtliche Reality-Formate auf MTV gesehen. Doch ich kann Shows nichts abgewinnen, wenn sie vor Klischees nur so triefen – und ihre Macher die Teilnehmer offensichtlich verachten. Trotzdem sitze ich heute Abend an meinem Laptop und schaue für den stern zum ersten Mal in meinem Leben „Beauty & The Nerd“ – die Finalsendung. Ich will der Sendung eine Chance geben.
Das Format ist übernommen von der amerikanischen Version „Beauty and the Geek“, die erstmals 2005 ausgestrahlt wurde. Wir erinnern uns kurz zurück: Damals landeten in der Google-Jahresliste noch das soziale Netzwerk „MySpace“ und Apples Medienprogramm „iTunes“ unter den meistgesuchten Begriffen des Jahres.
Auf Wikipedia wird das Konzept der Sendung so umrissen: „Die Show folgt Gruppen von „Beauties“ (Menschen – fast immer Frauen –, die sich auf ihre Attraktivität und ihre offene Persönlichkeit verlassen, denen es aber typischerweise an Intellekt mangelt) und ‚Geeks‘ (Menschen – fast immer Männer –, die sich auf ihren Intellekt verlassen, denen es aber typischerweise an sozialer Kompetenz mangelt), die Paare bilden müssen, um in Wettbewerben gegeneinander anzutreten und nicht auszuscheiden. Das letzte Paar, das übrig bleibt, gewinnt den Hauptpreis von 250.000 Dollar.“ Nun gut.
„Beauty & The Nerd“: Klischee reiht sich an Klischee
Im deutschen Pendant hat sich nicht viel verändert, nur lässt ProSieben keine 250.000 Euro springen: in Deutschland muss sich das Gewinnerpaar mit 50.000 Euro zufriedengeben. Das ist nicht allzu viel, denn die Sendung lässt ihre Kandidaten oft in einem denkbar schlechten Licht erscheinen. Und das Geld muss ja auch zwischen den Siegern geteilt werden.
Den Nerds wird unterstellt, dass sie trottelige, hilfsbedürftige Wesen sind. Denn für die Macher der Sendung steht fest: So wie die Nerds am Set erscheinen, sind sie falsch. Wer sich aber etwas über die Kandidaten informiert, sieht, dass sie fast alle Anfang zwanzig sind. Ein Alter, in dem die wenigsten selbstbewusst sind – und nur selten genau wissen, wer, was oder wie sie sein wollen.
Trotzdem trichtert ProSieben seinen Protagonisten ein, dass sie Looser sind, falls sie so bleiben, wie sie sind. Als wäre das nicht genug, spendiert die Produktionsfirma Endomol Shine den Nerds ein Umstyling. Dann wird den Zuschauern und den Nerds präsentiert, wie viel besser sie nun doch aussehen. Doch das tun sie nicht: Sie wirken verkleidet. Weil man versucht, sie zu anderen Menschen zu machen. Ein Style aber muss mit Leben gefüllt sein, muss authentisch sein. Das funktioniert nur, wenn man(n) sich in seinen Klamotten wohlfühlt.
Schön, schöner, Beauty-Nerd
Die Beauties sind in diesem Universum die überlegene Spezies. Sie haben es nicht nötig, umgestylt zu werden. Warum entschieden wurde, dass sie keine Beauty-Nerds sind, wissen nur die Macher der Show. Denn zu wissen, wie viel eine Brust-OP kostet, was ein Filler ist oder zu wissen, wie Contouring funktioniert, ist eben auch ein Spezialwissen. Vor den abwertenden Sprüchen der Stimme aus dem Off sind aber auch die Schönheiten nicht sicher. Natürlich sind die vielfach operierten, aufgespritzten und geschminkten Frauen total oberflächlich. Und dazu dann noch wahlweise zickig, krawallig, laut, prollig – oder wenig intelligent.
Nehmen wir da etwa Friseurmeisterin Shelly. Während ihr Teampartner und Schiffsnerd Sam einen Parkour absolviert, ist die Schönheit in einem Käfig gefangen. Bei dem Spiel zählt Schnelligkeit und Sam ist Shelly viel zu langsam. Er muss möglichst schwere Gegenstände über Hindernisse schleppen und diese auf eine Wippe legen, damit sich Shellys Käfig neigt: Denn nur dann kann Shelly nach dem passenden Schlüssel angeln.
Nachdem die beiden die Challenge verloren haben, frotzelt die Stimme aus dem Off, dass nicht nur Sam langsam war, sondern auch Shelly eher im Schneckentempo vorgegangen sei. Und dass sie trotzdem – oberflächlich, zickig und arrogant wie eine Beautie eben sei – nur die Fehler bei ihrem Teampartner sehe und maule. Ob das all ihre Reaktionen waren, wissen wir als Zuschnauer natürlich nicht.
Die Show wirkt nicht mehr ganz frisch
Der ganze Zusammenschnitt, das Skript, die herablassende Stimme aus dem Off wirken aus der Zeit gefallen. Einer der Tiefpunkte dieser knapp zweistündigen Finalsendung war der Moment, als die Beauties „hässlich“ geschminkt wurden. Da wurde Körperbehaarung bei Frauen geshamt und Pickel als hässlich dargestellt. Als ob Menschen mit Hautkrankheiten nicht schon genug mit der Krankheit selbst zu tun hätten…
Und dann die Reaktion der Kandidatinnen: Da war Shelly, die eine Glatze und ein paar Pickel ins Gesicht geschminkt bekommen hatte. Und ganz demütig wurde, weil sie fünf Minuten eine Fake-Glatze tragen musste. Oder Reality-Star Kim Virginia, die überzeugt davon ist, dass sie in den sozialen Medien nur wegen ihrer Schönheit viel Hate abbekomme. Und sie denkt, dass die Menschen in den sozialen Medien netter zu ihr wären, hätte sie ein paar Pickel und einen Damenbart.
Ich vermute, sie hat die letzten Tage noch nicht in die Kommentarspalten unter dem Bikini-Bild der normschönen und schwangeren Schauspielerin Margot Robbie geschaut. Dort beschwerten sich vornehmlich Männer darüber, dass Robbies Brüste nicht im gleichen Umfang wie ihr Bauch gewachsen seien.
Mein Resümee: Die Sendung hat sich gezogen wie Kaugummi – und ich war froh, als es vorbei war. Am Ende haben übrigens Kim Virginia und Collin die 50.000 Euro gewonnen. Kim will den Gewinn unter den Nerds aufteilen. Zumindest Kim Virginia hat verstanden, worum die Sendung sich eigentlich drehen sollte: „In welcher Richtung wir Geeks sind, ist egal, es zählt die Persönlichkeit!“