Infektionswellen mit dem Atemwegserreger RSV machten schon vielen kleinen Kindern und Eltern zu schaffen. Nun gibt es einen Anspruch auf vorbeugende Immunisierung. Doch noch fehlt wohl der Impfstoff.
Ein empfohlener Schutz für Babys gegen Atemwegserkrankungen mit dem Erreger RSV ist künftig auf Kassenkosten möglich. Das teilte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) nach getroffenen Regelungen zur Abrechenbarkeit der Leistung für die Ärztinnen und Ärzte mit. Allerdings fehlt es nach Medizinerangaben noch an Impfstoff.
Eine Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums legt seit Samstag einen Anspruch auf eine einmalige Immunisierung mit dem Antikörper-Wirkstoff Nirsevimab für Neugeborene und Säuglinge vor der Vollendung des ersten Lebensjahres fest – und zwar unabhängig von Risikofaktoren. Sie greift eine entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) von Ende Juni auf.
Nicht genug Zeit für umfassenden Schutz
Das Produkt werde erst ab 11. Oktober im größeren Umfang zur Verfügung stehen, sagte der Sprecher des Berufsverbandes der Kinder und Jugendärzte, Jakob Maske, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn wir erst ab Mitte Oktober impfen, reicht die Zeit nicht, um alle Kinder rechtzeitig zu erreichen“, mahnte er. „Zudem ist die Vergütung von 8,95 Euro für die Gabe einer Impfung sehr gering“, ergänzte der Mediziner. „Das ist so wenig, dass sich keine Sonderimpfstunden lohnen werden.“
Bislang gebe es schon gewisse Importe von Nirsevimab aus europäischen Ländern etwa für besonders gefährdete Säuglinge, „die aber offenbar erheblich mehr Geld kosten und daher nicht in der Fläche angewendet werden können“, sagte Maske.
Nirsevimab darf auch dann in Deutschland verwendet werden, wenn die Beschriftung der Verpackung ausschließlich auf Französisch oder Spanisch ist. Die Produkte seien pharmazeutisch identisch, erklärte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, kürzlich. Um der Nachfrage nachzukommen, dürfe der Hersteller Sanofi Winthrop Industrie im September und Oktober Packungen des Arzneimittels aus Frankreich und Spanien in Deutschland auf den Markt bringen.
Viele Säuglinge von RSV-Infekten betroffen
Eine Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) ist bei Babys eine häufige Ursache von Erkrankungen der unteren Atemwege. Jährlich kommen nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) etwa 25.000 Säuglinge deshalb ins Krankenhaus. Rund 200.000 Säuglinge mit RSV werden ambulant behandelt. Das Virus wird über Tröpfchen übertragen.
Der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, sagte der dpa, es sei der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens gelungen, in kürzester Zeit und rechtzeitig vor der Erkältungssaison eine Lösung zum Schutz der Kleinsten zu finden. „Wir tragen so dazu bei, Neugeborene und Säuglinge vor einer schweren RSV-Erkrankung zu schützen und ein erhöhtes Versorgungsaufkommen in Arztpraxen und Krankenhausstationen zu vermeiden.“
Empfohlene Zeiträume für Immunisierung
Babys, die zwischen April und September geboren werden, sollten Nirsevimab möglichst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison erhalten, erläuterte das Ministerium – also idealerweise von September bis November. Babys, die von Oktober bis März zur Welt kommen, sollten es möglichst bald nach der Geburt bekommen – am besten noch in der Geburtseinrichtung oder spätestens innerhalb der ersten Lebenswoche.
Spritze soll schwere Verläufe verhindern
Wie das Ministerium im Entwurf erläutert, sollen mit dem umfassenden Anspruch auf RSV-Schutz schwere Krankheitsverläufe, Behandlungen auf der Intensivstation und auch Todesfälle bei Neugeborenen und Säuglingen verhindert werden. Zugleich sollen Engpässe und Überlastungen in Kinderarztpraxen und Kliniken vermieden werden, die es zuletzt bei RSV-Wellen gegeben hatte.
Husten, Niesen und Fieber
Bei Kindern zeigt sich eine RSV-Infektion meist zuerst durch eine laufende Nase und fehlenden Appetit. Der Rachen kann entzündet sein. „Husten und Niesen folgen, und häufig tritt Fieber auf“, schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf ihrer Webseite. In der Folge seien Bronchitis und Lungenentzündung möglich. Bei schwerem Verlauf könne eine künstliche Beatmung nötig sein.