Der VfB ist zurück in der Champions League – und direkt maximal gefordert. Das Duell mit Real elektrisiert die Schwaben. Nicht einschüchtern lassen, fordern ein Hoffnungsträger und der Coach.
Neugierig lugten Deniz Undav und Fabian Wohlgemuth in den stattlichen Presseraum des berühmten Estadio Santiago Bernabéu. Den Vortritt ließen der Fußball-Nationalstürmer und der Sportvorstand des VfB Stuttgart dann aber dem Chefcoach: Sebastian Hoeneß betrat lächelnd das Podest. Die Vorfreude war dem Coach der Schwaben vor dem Königsklassen-Auftakt bei Titelverteidiger Real Madrid anzusehen.
Schon vor Wochen hatte Hoeneß gesagt, dass ihn eine Partie bei Real Madrid besonders reizen würde. Real, dieser Club sei einfach ein „Mythos“, sagte Hoeneß. Ablenken oder gar einschüchtern lassen, wollen sich die Stuttgarter aber nicht. „Ich bin mir darüber bewusst, wie besonders dieses Spiel ist“, sagte der 42-jährige Hoeneß vor dem Duell in Spaniens Hauptstadt am Dienstagabend (21.00 Uhr/Amazon Prime). „Aber ich bin in dem Modus, mich auf das Spiel vorzubereiten – das bin ich wirklich. Ich habe keine Zeit zu schwelgen, und auch ganz sicher nicht während des Spiels.“
Die Bühne für das Comeback auf höchster europäischer Ebene könnte kaum größer sein. In einem laut Hoeneß „beeindruckenden Stadion gegen einen beeindruckenden Gegner“ – die Stuttgarter kehren mit einem Kracher in die Champions League zurück.
Undav: Bloß nicht einschüchtern lassen
Etwas „ganz Besonderes“ sei diese Reise, meinte der Coach des deutschen Vizemeisters. Für die VfB-Fans, von denen rund 4.000 über das offizielle Gästekontingent ins Stadion kommen, aber deutlich mehr in der Stadt erwartet werden, sei sicher etwas „Einmaliges“ und „Großartiges“. Ein „Erlebnis“ werde das auch für die Mannschaft, meinte Stürmer Undav.
Einen für die Stuttgarter womöglich entscheidenden Auftrag lieferte er gleich mit, indem er sagte: „Das ist mit das größte Stadion, in dem man als Spieler spielen möchte. Das ist schon gigantisch. Aber das darf jetzt nicht einschüchternd sein.“
15 Mal hat Real die Champions League beziehungsweise den Europapokal der Landesmeister schon gewonnen. Angeführt vom französischen Neuzugang und Superstar Kylian Mbappé zählen die Madrilenen auch diesmal zu den großen Favoriten, der Marktwert ihres Kaders wird auf rund 1,3 Milliarden Euro geschätzt.
Zahlen, von denen sich der VfB nach Möglichkeit nicht zu sehr beeindrucken lassen sollte. Nur wer mutig ist, hat in Madrid eine Chance, meint auch Hoeneß. „Wir sind bei einem Gegner, der außergewöhnliche Qualitäten hat. Aber wir wollen überraschen, in der Art, wie wir Fußball spielen. Wir wollen einfach die Gelegenheiten nutzen, zu überraschen.“
Stürmer treffen bei Generalprobe in Gladbach
Undav und Sturmpartner Ermedin Demirovic sind die großen Stuttgarter Hoffnungen. Ihre Unbekümmertheit, dieses mitunter Lausbübische können die Schwaben angesichts der gewaltigen Kulisse, die sie erwartet, vermutlich gut brauchen. Er habe ja schon ein paarmal getroffen in dieser noch jungen Saison, sagte Demirovic nach seinem Doppelpack beim 3:1 in der Bundesliga gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag. „Warum nicht auch in Madrid?“
Der frühere Stuttgarter Antonio Rüdiger wird sich der VfB-Offensive in den Weg stellen und auch versuchen, den jüngsten Lauf seines Nationalmannschaftskollegen Undav zu bremsen. Erst traf der Angreifer im Nations-League-Spiel gegen die Niederlande (2:2) erstmals im DFB-Dress, dann für den VfB in Gladbach – der Aufschwung des 28-Jährigen, an den die Fans hohe Erwartungen haben, kommt den Stuttgartern gerade recht. „Ich habe noch nie in der Champions League gespielt, das ist mein erstes Spiel. Ich bin happy und kann es kaum abwarten“, so Undav.
2010 noch mit Lehmann und Cacau in Barcelona
Warten müssen auch die VfB-Fans nicht mehr, nachdem sie im März 2010 das bislang letzte Spiel ihrer Mannschaft in diesem Wettbewerb erleben durften: Im Achtelfinale beim FC Barcelona gab es damals eine 0:4-Klatsche. Lionel Messi traf für die Katalanen doppelt. Beim VfB stand Jens Lehmann im Tor, Cacau stürmte, Mathieu Delpierre trug die Kapitänsbinde. Seitdem ist viel passiert, die Schwaben stiegen zweimal aus der Bundesliga ab, um Haaresbreite sogar noch ein drittes Mal.
Der ungeahnte Höhenflug in der Vorsaison, in der Hoeneß den VfB bis auf Platz zwei führte, wird mit dem Spiel in Madrid nun quasi noch mal gekrönt. „Von Kür würde ich nicht sprechen“, stellte der Coach aber klar. „Das würde bedeuten, dass es egal ist, wie es ausgeht. So ist es nicht.“ Die Stuttgarter hoffen auf die Sensation, auf einen guten Start in die neue Ligaphase der Königsklasse, in der noch sieben weitere Partien warten. Der „Mythos“ Real soll nur der Anfang sein.