Landesfinanzen: „Schnauze voll“ – Schlagabtausch um Haushalt im Landtag

Nordrhein-Westfalen muss Milliarden-Kredite aufnehmen. Finanzminister Optendrenk schimpft auf die Ampel. Die Opposition zweifelt an der Finanzierung des Sicherheitspakets. Es geht hoch her im Landtag.

Das umfangreiche Sicherheitspaket der schwarz-grünen Landesregierung als Konsequenz aus dem Terroranschlag von Solingen wirft Fragen nach der Finanzierung auf. Die SPD-Opposition bezichtigte CDU und Grüne in der Haushaltsdebatte der Heuchelei. „Ihr ganzes Sicherheitspaket wird sich in Luft auflösen, wenn Sie nicht eine 180-Grad-Wende in Ihrer Haushaltspolitik vollziehen“, sagte SPD-Fraktionschef Jochen Ott in einer hitzigen Debatte. Für eine Umsetzung der zahlreichen Maßnahmen müssten Millionen Euro zusätzlich investiert werden. Stattdessen aber kürze die Landesregierung im Haushaltsentwurf 2025 bei der inneren Sicherheit.

Nach gut zwei Jahren Schwarz-Grün in NRW nutzte die Opposition die Einbringung des Haushalts für eine Generalabrechnung und warf Ministerpräsident Hendrik Wüst und dessen Regierung vor, NRW beim Wirtschaftswachstum zum Schlusslicht gemacht zu haben und massiv im Sozialbereich zu sparen. Im Entwurf für den Landeshaushalt 2025 und den Nachtragshaushalt 2024 planen CDU und Grüne erstmals Milliardenschulden im Rahmen der gesetzlichen Schuldenbremse ein. 

Optendrenk macht Ampel verantwortlich

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) warf dagegen der Bundesregierung vor, mit einer unberechenbaren Finanz- und Wirtschaftspolitik Deutschland zu schaden. „Um uns herum in Europa wächst die Wirtschaft, in Deutschland droht uns leider weitere Stagnation.“ Der „ewige Haushaltsstreit“ auf Bundesebene habe massiv das Vertrauen der Menschen in die Politik beschädigt. Bürokratische Hürden und die unberechenbare Bundespolitik hätten zu einer Investitionszurückhaltung geführt, die der Wirtschaft schade und enorme negative Auswirkungen auf alle öffentlichen Haushalte habe.

Als Reaktion auf die anhaltend schwache Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und die schlechten Steuerprognosen nutzt NRW zum ersten Mal die sogenannte Konjunkturkomponente mit Kreditermächtigungen in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro für 2024 und 2025. Die Landesregierung werde diese nur „im zwingend erforderlichen Umfang“ in Anspruch nehmen, sagte Optendrenk. Die fehlenden Milliarden durch weitere Einsparungen zu finanzieren, würde aber zu harten Einschnitten bei der Bildung und inneren Sicherheit führen. „Das wäre der falsche Weg.“

Trotz eines verordneten Sparkurses soll das Haushaltsvolumen 2025 um rund drei Milliarden Euro auf einen bisherigen Höchstwert von 105,5 Milliarden Euro steigen. Neben der nur moderaten Steuerentwicklung tragen nach Worten Optendrenks steigende Preise und hohe Lohnabschlüsse dazu bei, dass die finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte angespannt sei. Daneben drückten dauerhafte Mehrausgaben in Höhe von vier Milliarden Euro infolge der vom Bund getroffenen steuerlichen Entlastungen, des Wohngelds und des Deutschlandtickets auf den Landeshaushalt. 

SPD: Wüst vernachlässigt innere Sicherheit

SPD-Oppositionsführer Ott kritisierte, dass Schwarz-Grün im Haushalt 600.000 Euro beim Verfassungsschutz streiche. Für die angekündigte strafrechtliche Verfolgung von illegalen Posts im Internet habe das Land nicht ausreichend Personal. Für eine bessere Strafverfolgung brauche NRW mehr Richter und Staatsanwälte. „Das Sicherheitspaket des Ministerpräsidenten ist im Grunde das Eingeständnis, dass er und seine Regierung die innere Sicherheit vernachlässigt haben.“ Auch für die von Wüst angekündigte zweite Abschiebehaftanstalt sei gar kein Geld eingestellt. 

Knapp drei Wochen nach dem mutmaßlich islamistischen Messeranschlag von Solingen hatte die schwarz-grüne Regierungskoalition am Mittwoch ein Sicherheitspaket mit Dutzenden Maßnahmen vorgelegt. Es sieht auf Landesebene mehr Polizeibefugnisse, schärfere Abschieberegeln, die Stärkung des Verfassungsschutzes, die strengere Überwachung potenzieller Extremisten und einen besseren Datenaustausch der Behörden vor. Die angekündigten Maßnahmen finden nach Angaben des Finanzministeriums noch nicht im Haushaltsentwurf wieder. Es werde dazu im weiteren Verfahren noch Änderungen im Etatentwurf geben. 

SPD hat „die Schnauze voll“ 

Mit Blick auf das Sicherheitspaket und den Streit in der Asylpolitik zwischen der Ampel und der Unions-Opposition in Berlin zeigten sich CDU und Grüne in NRW demonstrativ geschlossen. Fraktionschefin Wibke Brems sagte, die NRW-Koalition setze auf Humanität und Rechtsstaatlichkeit und reiße sich zusammen, „auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind“. Das verlange gerade den Grünen einiges ab. 

In einem hitzigen Schlagabtausch hielt Brems SPD-Fraktionschef Ott vor, sein Vorwurf der Heuchelei gegenüber der Landesregierung sei gefährlich für die Demokratie. „Ich habe wirklich den Eindruck, Sie wollen, dass dieser Staat gar nicht funktioniert.“ Ott entgegnete, in Wirklichkeit seien „Haltungsnoten“ und „Obermoralpredigten“ ein Angriff auf die Demokratie. „Weil davon haben die Leute und wir auch die Schnauze voll.“

Streit um Haushalt

Harsche Kritik der gesammelten Opposition schlug der Landesregierung bei weiteren Haushaltsposten entgegen. „Ihnen ist die Haushaltspolitik schon lange entglitten“, sagte FDP-Landes- und Fraktionschef Henning Höne. „Das ist das Gegenteil von seriös und verlässlich.“ Die Regierung gehe an das Limit dessen, was die Schuldenbremse erlaubt. „Und trotzdem reicht Ihnen das nicht.“ Bei Wirtschaftswachstum, Industrieproduktion, aber auch Bildungsausgaben pro Kopf und in vielen weiteren Kategorien stehe NRW ganz hinten. „Schwarz-grün ist eine Regierung der Roten Laternen.“

Optendrenk betonte dagegen die Verlässlichkeit der Haushaltspolitik auch in schwierigen Zeiten. Allein die Aufwendungen für Bildung erhöhten sich kommendes Jahr um fast drei Milliarden Euro auf einen Rekordwert von fast 42 Milliarden Euro. So sollen 2025 zusätzlich 50.000 Ganztagsplätze im Grundschulbereich (OGS) eingerichtet werden. 

Wohlfahrtseinrichtungen kritisieren dagegen geplante drastische Kürzungen bei der sozialen Infrastruktur. Nach Berechnung der Diakonie und der Freien Wohlfahrtspflege NRW sollen hier fast 90 Millionen Euro gekürzt werden. 

AfD-Partei- und Fraktionschef Martin Vincentz erklärte das schwarz-grüne Experiment in NRW für „fulminant gescheitert“. „NRW ist gänzlich aus den Fugen geraten“, behauptete Vincentz und machte dafür allein die Grünen verantwortlich. „Wir sind kaum bei der Hälfte der Legislatur und das Land ist am Ende.“ Darauf entgegnete wiederum SPD-Fraktionschef Ott: „Ihre rechte Hetze widert mich an.“